HACKSAW RIDGE
Sechs Oscar-nominierungen, von denen er zwei für den Schnitt und Sound gewann, sprechen Bände und steigern die Erwartungshaltung der Blu-ray-fans bezüglich eines solch hochdekorierten Antikriegs-filmes natürlich ins Unermessliche. Und tatsächlich sind die
Als Desmond Doss (Andrew Garfield) seinen dem Alkohol verfallenen Vater mit dessen eigener Waffe davon abhalten muss, auf seine Mutter loszugehen, schwört er sich, nie wieder eine Waffe anzurühren. Seinem Land dienen will er dennoch und meldet sich freiwillig zur Sanitäterausbildung. Da Desmond sich weigert, eine Waffe überhaupt zu berühren, macht er sich bei seinen Kameraden und Ausbildern unbeliebt; seine großen moralischen Prinzipien interpretieren sie als Feigheit. Schließlich muss er sogar vor einem Militärgericht darum kämpfen, an die Front geschickt zu werden. Desmond kommt nach Okinawa, wo er nach einem schwierigen Einsatz auf dem Schlachtfeld zurückbleibt – unbewaffnet und allein. Aber Desmond gibt nicht auf – und beginnt, seine verletzen Kameraden zu versorgen, während der Feind nur wenige Meter entfernt ist. „Hacksaw Ridge“ist ziemlich genau das, was man von einem für sechs Oscars nominierten Kriegsfilm erwartet – spannend, ergreifend, ästhetisch und gelegentlich verstörend. Andrew Garfield, der auf eine bisher recht kurze Karriere zurückblickt und für „Hacksaw Ridge“seine erste Oscar-nominierung bekam, erfüllt die Rolle des kumpelhaften Pazifisten an der Front hervorragend. Auch Sam Worthington und Vince Vaughn, der endlich wieder eine ernste Rolle angenommen hat, schauspielern toll, aber keiner von ihnen liefert eine so herausragende Darbietung wie Hugo Weaving ab, der Desmonds Vater spielt. Warum er nicht für einen Oscar nominiert war, erschließt sich nicht.
BLUT UND PATHOS
Wie schon Stanley Kubricks „Full Metal Jacket“ist „Hacksaw Ridge“mittig geteilt: Während die erste Hälfte sich mit der Ausbildung Desmonds befasst und wie er sich mit seinem Pazifismus gegen die Vorstellungen des Us-militärs durchsetzt, spielt sich der zweite Teil allein auf dem Schlachtfeld ab. Das Kriegsgeschehen ist trotz einer FSK-FREIgabe ab 16 sehr explizit dargestellt und erinnert in dieser Hinsicht an Filme wie „Der Soldat James Ryan“und „Wir waren Helden“, die ebenfalls sehr plastisch waren und eine Menge Szenen beinhalteten, die einem auch ein paar hundert Filme später noch im Gedächtnis sind. Letzteren hatte 2002 Randall Wallace gedreht, der zwischenzeitlich auch als Regisseur für „Hacksaw Ridge“angedacht war. Mel Gibson, der in den letzten zehn
Jahren als Schauspieler auffällig in der Versenkung verschwunden ist, nimmt zum ersten Mal seit „Apocalypto“(2006) wieder auf dem Regiestuhl Platz und es scheint, als würde er in derselben Liga spielen wie Clint Eastwood und Ben Affleck: Als Schauspieler meist mittelmäßig, aber auf dem Regiestuhl ihr Gewicht in Gold wert. „Hacksaw Ridge“ist zwar mit seinen Slow-motion-einstellungen und pompösen Posaunen recht pathetisch geraten, aber das trifft schließlich auf viele Kriegsfilme Hollywoods zu und entspricht inzwischen ein Stück weit der Erwartungshaltung. Immerhin verzichtete Gibson auf textilen Patriotismus: Amerikanische Flaggen sieht man in „Hacksaw Ridge“auffallend selten und wenn, dann unauffällig im Hintergrund. PRODUKTIONSPROBLEME Die Geschichte ist wahr. Sie hatte schon kurz nach Kriegsende verfilmt werden sollen, aber Doss, der bescheidene, ruhige Mann aus dem ländlichen Virginia, sah seine Tat nicht als heldenhaft an. Als Doss die nach den Rechten anfragenden Produzenten immer wieder abwies, fuhr Hollywood stärkere Geschütze auf – und schickte Audie Murphy, den am höchsten dekorierten Kriegshelden des Landes, der jede Medaille, die die USA verlieh, teilweise mehrfach an der Uniform hatte und sich nach Kriegsende eine ansehnliche Karriere als Westernschauspieler und Musiker aufgebaut hatte. Aber auch er konnte Desmond Doss nicht umstimmen. Erst Ende der 90er Jahre überredete ihn ein Mitglied seiner Kirche, dass ‚seine‘ Geschichte ihn überdauern sollte. 2002 stand die erste Drehbuchfassung, aber es gab Schwierigkeiten sowohl einen Regisseur zu finden (Mel Gibson lehnte die Regie 2002 ab, 2004 erneut und sagte erst 2014 zu), als auch ein Studio, weil die Forderung im Raum stand, der Film solle jugendfrei sein. Als vor drei Jahren endlich alles bereit war, folgten zwei bittere Rückschläge: Zuerst starb im März 2015 Kameramann Andrew Lesnie („Der Herr der Ringe“) nach einer Operation am Herzen und im Juni stürzte Komponist James Horner („Titanic“) mit seinem Flugzeug in einen Wald bei Los Angeles. Beide waren in so kurzer Zeit nur schwer zu ersetzen. Wie es dennoch gelang, das Projekt zu stemmen, erzählt das sehr sehenswerte Making-of mit einer Stunde Laufzeit bei dem sehr viele Beteiligte zu Wort kommen und unter ande- rem erklärt wird, wie Mel Gibson es geschafft hat, einen bildgewaltigen Kriegsfilm mit sehr wenig Cgi-effekten zu drehen. Zusätzlich gibt es einige Interviews, Trailer und ein paar kurze geschnittene Szenen. Leider fehlt ein Wendecover, sodass das künstlerische Motiv ruiniert wird. Technisch ist die Blu-ray vorbildlich; Ton und Bild sind sehr gelungen, auch kleine herumfliegende Dreckbrocken und die feinen Feuersprenkler der Flammenwerfer sind gut zu sehen. Ein wenig büßt „Hacksaw Ridge“bei der Farbdarstellung ein, weil weite Teile des Kriegsgeschehens farbreduziert wurden und deswegen bläulich-grau wirken, eine in diesem Genre recht verbreitete Marotte, die Spielberg bei „Der Soldat James Ryan“auf die Spitze getrieben hatte.