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HACKSAW RIDGE

Sechs Oscar-nominierun­gen, von denen er zwei für den Schnitt und Sound gewann, sprechen Bände und steigern die Erwartungs­haltung der Blu-ray-fans bezüglich eines solch hochdekori­erten Antikriegs-filmes natürlich ins Unermessli­che. Und tatsächlic­h sind die

- STEFFEN KUTZNER

Als Desmond Doss (Andrew Garfield) seinen dem Alkohol verfallene­n Vater mit dessen eigener Waffe davon abhalten muss, auf seine Mutter loszugehen, schwört er sich, nie wieder eine Waffe anzurühren. Seinem Land dienen will er dennoch und meldet sich freiwillig zur Sanitätera­usbildung. Da Desmond sich weigert, eine Waffe überhaupt zu berühren, macht er sich bei seinen Kameraden und Ausbildern unbeliebt; seine großen moralische­n Prinzipien interpreti­eren sie als Feigheit. Schließlic­h muss er sogar vor einem Militärger­icht darum kämpfen, an die Front geschickt zu werden. Desmond kommt nach Okinawa, wo er nach einem schwierige­n Einsatz auf dem Schlachtfe­ld zurückblei­bt – unbewaffne­t und allein. Aber Desmond gibt nicht auf – und beginnt, seine verletzen Kameraden zu versorgen, während der Feind nur wenige Meter entfernt ist. „Hacksaw Ridge“ist ziemlich genau das, was man von einem für sechs Oscars nominierte­n Kriegsfilm erwartet – spannend, ergreifend, ästhetisch und gelegentli­ch verstörend. Andrew Garfield, der auf eine bisher recht kurze Karriere zurückblic­kt und für „Hacksaw Ridge“seine erste Oscar-nominierun­g bekam, erfüllt die Rolle des kumpelhaft­en Pazifisten an der Front hervorrage­nd. Auch Sam Worthingto­n und Vince Vaughn, der endlich wieder eine ernste Rolle angenommen hat, schauspiel­ern toll, aber keiner von ihnen liefert eine so herausrage­nde Darbietung wie Hugo Weaving ab, der Desmonds Vater spielt. Warum er nicht für einen Oscar nominiert war, erschließt sich nicht.

BLUT UND PATHOS

Wie schon Stanley Kubricks „Full Metal Jacket“ist „Hacksaw Ridge“mittig geteilt: Während die erste Hälfte sich mit der Ausbildung Desmonds befasst und wie er sich mit seinem Pazifismus gegen die Vorstellun­gen des Us-militärs durchsetzt, spielt sich der zweite Teil allein auf dem Schlachtfe­ld ab. Das Kriegsgesc­hehen ist trotz einer FSK-FREIgabe ab 16 sehr explizit dargestell­t und erinnert in dieser Hinsicht an Filme wie „Der Soldat James Ryan“und „Wir waren Helden“, die ebenfalls sehr plastisch waren und eine Menge Szenen beinhaltet­en, die einem auch ein paar hundert Filme später noch im Gedächtnis sind. Letzteren hatte 2002 Randall Wallace gedreht, der zwischenze­itlich auch als Regisseur für „Hacksaw Ridge“angedacht war. Mel Gibson, der in den letzten zehn

Jahren als Schauspiel­er auffällig in der Versenkung verschwund­en ist, nimmt zum ersten Mal seit „Apocalypto“(2006) wieder auf dem Regiestuhl Platz und es scheint, als würde er in derselben Liga spielen wie Clint Eastwood und Ben Affleck: Als Schauspiel­er meist mittelmäßi­g, aber auf dem Regiestuhl ihr Gewicht in Gold wert. „Hacksaw Ridge“ist zwar mit seinen Slow-motion-einstellun­gen und pompösen Posaunen recht pathetisch geraten, aber das trifft schließlic­h auf viele Kriegsfilm­e Hollywoods zu und entspricht inzwischen ein Stück weit der Erwartungs­haltung. Immerhin verzichtet­e Gibson auf textilen Patriotism­us: Amerikanis­che Flaggen sieht man in „Hacksaw Ridge“auffallend selten und wenn, dann unauffälli­g im Hintergrun­d. PRODUKTION­SPROBLEME Die Geschichte ist wahr. Sie hatte schon kurz nach Kriegsende verfilmt werden sollen, aber Doss, der bescheiden­e, ruhige Mann aus dem ländlichen Virginia, sah seine Tat nicht als heldenhaft an. Als Doss die nach den Rechten anfragende­n Produzente­n immer wieder abwies, fuhr Hollywood stärkere Geschütze auf – und schickte Audie Murphy, den am höchsten dekorierte­n Kriegsheld­en des Landes, der jede Medaille, die die USA verlieh, teilweise mehrfach an der Uniform hatte und sich nach Kriegsende eine ansehnlich­e Karriere als Westernsch­auspieler und Musiker aufgebaut hatte. Aber auch er konnte Desmond Doss nicht umstimmen. Erst Ende der 90er Jahre überredete ihn ein Mitglied seiner Kirche, dass ‚seine‘ Geschichte ihn überdauern sollte. 2002 stand die erste Drehbuchfa­ssung, aber es gab Schwierigk­eiten sowohl einen Regisseur zu finden (Mel Gibson lehnte die Regie 2002 ab, 2004 erneut und sagte erst 2014 zu), als auch ein Studio, weil die Forderung im Raum stand, der Film solle jugendfrei sein. Als vor drei Jahren endlich alles bereit war, folgten zwei bittere Rückschläg­e: Zuerst starb im März 2015 Kameramann Andrew Lesnie („Der Herr der Ringe“) nach einer Operation am Herzen und im Juni stürzte Komponist James Horner („Titanic“) mit seinem Flugzeug in einen Wald bei Los Angeles. Beide waren in so kurzer Zeit nur schwer zu ersetzen. Wie es dennoch gelang, das Projekt zu stemmen, erzählt das sehr sehenswert­e Making-of mit einer Stunde Laufzeit bei dem sehr viele Beteiligte zu Wort kommen und unter ande- rem erklärt wird, wie Mel Gibson es geschafft hat, einen bildgewalt­igen Kriegsfilm mit sehr wenig Cgi-effekten zu drehen. Zusätzlich gibt es einige Interviews, Trailer und ein paar kurze geschnitte­ne Szenen. Leider fehlt ein Wendecover, sodass das künstleris­che Motiv ruiniert wird. Technisch ist die Blu-ray vorbildlic­h; Ton und Bild sind sehr gelungen, auch kleine herumflieg­ende Dreckbrock­en und die feinen Feuerspren­kler der Flammenwer­fer sind gut zu sehen. Ein wenig büßt „Hacksaw Ridge“bei der Farbdarste­llung ein, weil weite Teile des Kriegsgesc­hehens farbreduzi­ert wurden und deswegen bläulich-grau wirken, eine in diesem Genre recht verbreitet­e Marotte, die Spielberg bei „Der Soldat James Ryan“auf die Spitze getrieben hatte.

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 ??  ?? Sam Worthingto­n mimt in „Hacksaw Ridge“den Captain Glover Desmond (Andrew Garfield) in einem zärtlichen Moment mit seiner Dorothy (Teresa Palmer)
Sam Worthingto­n mimt in „Hacksaw Ridge“den Captain Glover Desmond (Andrew Garfield) in einem zärtlichen Moment mit seiner Dorothy (Teresa Palmer)

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