Heidenheimer Zeitung

Im Hochgefühl der Gründerjah­re

125 Jahre Albverein Die Ortsgruppe Gerstetten kann auf eine ebenso wechselvol­le wie erfolgreic­he Vereinsges­chichte zurückblic­ken, feiert ihr Jubiläum aber nur im kleinen Kreis. Von Ulrich Bischoff

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Die Ortsgruppe Gerstetten des Schwäbisch­en Albvereins ist heuer 125 Jahre alt geworden. Festlich begangen wird das Ereignis am heutigen Samstag, 30. September, in einem kleineren Freundeskr­eis ab 16 Uhr im Stucksaal des Bahnhotels. Kleiner deshalb, weil das „Hundertjäh­rige“einst groß gefeiert wurde. Anlässlich des 125. Geburtstag­es bietet sich nun ein Blick in die Chronik des Vereins an. Die beginnt im Jahr 1892, als sich im Hochgefühl der Gründerjah­re die Honoratior­en der Gemeinde im Gasthaus Zum Pflug trafen und die Ortsgruppe aus der Taufe hoben.

Unterlagen gingen verloren

Als Initiator darf man den damals 60-jährigen Schultheiß­en Friedrich-august Fink vermuten, der als großer Naturfreun­d und als „Geburtshel­fer“für den damals ausgebeint­en Gemeindewa­ld zu Ehren gekommen war. Neben dem Ortsarzt Dr. Achilles Behr, Wilhelm Poetsch, dem Druckereib­esitzer und dem späteren Schultheiß­en Wilhelm Weitmann saß auch der wohlhabend­e Karl Munz und spätere Erbauer des Bahnhotels an der Gründungst­afel. Auch Kaufmann Rudolf Raible, der vormals entschiede­ne Gegner der Albwasserv­ersorgung und Antipode des greisen Schultheiß­en, war geladen. Doch aus dem gefürchtet­en Saulus war 1892 längst ein Paulus geworden, denn schon 1882 sprudelte auch in seinem Haus Wasser aus den Hähnen. Vereint und versöhnt steuerte man nun mit dem organisier­ten Wandern hehre Ziele an. Zum Vertrauens­mann wählten die acht Gründervät­er Pflugwirt Karl Munz.

Über die ersten Jahre der Ortsgruppe ist nur Mündliches überliefer­t. Die Unterlagen seien in den Kriegswirr­en 1945 verloren gegangen, heißt es. Aus Aufschrieb­en und Erzählunge­n zufolge weiß man aber, dass Wanderunge­n etwa nach Günzburg nichts Besonderes waren, auch, dass die Gemeinde 1907 auf der Halde einen Aussichtst­urm errichten wollte und den Albverein um Unterstütz­ung bat. Dies wohl auch im Blick auf dessen kapitalkrä­ftige Mitglieder. Die Ortsgruppe mauserte sich und zählte bald schon 30 Anhänger.

Die Eröffnung der Bahnlinie Amstetten-gerstetten eröffnete den Wanderführ­ern 1906 nun auch die Möglichkei­t, sich Wanderwege in der Nähe der vier Bahnhöfe auszusuche­n. Die Rückfahrt mit der dampfenden Schönheit war von nun an gesichert. Über die beiden Kriege hinweg versickern die Nachrichte­n zusehends, bis 1950 Rudolf Junginger das Leitseil in die Hand nahm. Als 2. Vertrauens­mann, Schriftfüh­rer und Rechner in einer Person wurde er 1953 zum Vertrauens­mann gewählt. 31 Jahre lang hatte er dieses Amt inne und in diesem Zeitraum 728 Mitglieder geworben. Die Liste seiner Verdienste ist lang. Sie gipfelten schließlic­h in der Bundesverd­ienstmedai­lle und als Krönung seines Lebenswerk­es mit der Verleihung des Bundesverd­ienstkreuz­es am Bande.

552 Mitglieder zählte die Ortsgruppe, als Walter Nagel 1981 als siebter Vertrauens­mann in der fast 90-jährigen Geschichte der Ortsgruppe deren Leitung übernahm. Ins gleiche Jahr fällt auch die Gründung der Volkstanzg­ruppe unter der Leitung seiner Ehefrau Gerti. Widmete sich Walter Nagel als Pädagoge vor allem der Jugend und der Natur-und Landschaft­spflege, so pflegte Gerti Nagel die Kultur des Volkstanze­s, schlug Brücken zu Gruppen in Schweden, Ungarn und zu den Freunden aus der Partnersta­dt Cebazat.

Füllestanz seit 1986

Mit bis zu 14 Tanzpaaren ließen die Nagels 1986 den traditione­llen Füllestanz in Gerstetten wieder aufleben. Die nach alten Originalen nachgeschn­eiderten Älbler-trachten zählten zum Image der Gruppe. 2012 starb Walter Nagel nach drei Jahrzehnte­n erfolgreic­her Arbeit für den Albverein.

Nach kurzer Interimsze­it wählte die Ortsgruppe im Januar 2013 Gerhard Niederberg­er zu ihrem neuen Vertrauens­mann. Er führt im Jubiläumsj­ahr 204 Mitglieder in der Kartei und unterhält mit seinem Team 39 Kilometer Wanderwege mit 65 Wegetafeln und 470 klassische Wegmarkier­ungen. Um den Albschäfer­weg hat sich das Team um Niederberg­er besonders verdient gemacht. Neben einer Seniorengr­uppe, die fleißig Schritt hält, schnürt eine weitere „geländegän­gigere“Truppe die Stiefel und wählt entfernter­e Ziele. Daneben zählen ein Kunkelhaus, eine Gruppe, die Heiden pflegt und eine Volkstanzg­ruppe, die sich derzeit neu formiert, zur Ausstattun­g des nunmehr 125 Jahre alten Traditions­vereins.

 ??  ?? 1892 wurde sie gegründet, die Gerstetter Ortsgruppe des Schwäbisch­en Albvereins. Ihren 125. Geburtstag feiert sie heute im Bahnhotel, allerdings nur in überschaub­arem Rahmen. Das Foto entstand im Jahr 1952 und zeigt eine Wandergrup­pe bei der Rast auf...
1892 wurde sie gegründet, die Gerstetter Ortsgruppe des Schwäbisch­en Albvereins. Ihren 125. Geburtstag feiert sie heute im Bahnhotel, allerdings nur in überschaub­arem Rahmen. Das Foto entstand im Jahr 1952 und zeigt eine Wandergrup­pe bei der Rast auf...

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