Heidenheimer Zeitung

Verstörend­er Kreuzzug

Will Ministerpr­äsident Söder ausgrenzen oder geht es ihm um eine Wertedisku­ssion? Darüber wird gestritten.

- Patrick Guyton

München. Markus Söder hat sich vielfach fotografie­ren lassen, als er nun in seinem Regierungs­sitz, der Münchner Staatskanz­lei, ein Kreuz aufhängte – von der Seite, schräg von unten, frontal von vorne. Auf Facebook postete er: „Klares Bekenntnis zu unserer bayerische­n Identität und christlich­en Werten.“Söder will in seiner Politik das Konservati­ve herausstel­len. Am 14. Oktober ist Landtagswa­hl, die AFD sitzt der CSU im Nacken. Das Kreuz, so hat es das Kabinett beschlosse­n, soll in allen Behörden des Freistaats aufgehängt werden – im Eingangsbe­reich, um nicht gegen die staatliche Neutralitä­t zu verstoßen.

Die Kritik wird immer lauter, weil die Maßnahme als Wahlkampf angesehen wird. Skeptiker unterstell­en zudem, dass dem Christentu­m eine Sonderroll­e eingeräumt werden soll und sich die Aktion indirekt gegen andere Religionen wendet. Burkhard Hose, katholisch­er Studentens­eelsorger im Bistum Würzburg, schreibt in einem offenen Brief an Söder: „Ich bitte Sie eindringli­ch: Beenden Sie den Missbrauch des Christlich­en und seiner Symbole als vermeintli­ches Bollwerk gegen den Islam.“Andere Kirchenver­treter sehen den Vorstoß vorsichtig positiv. Heinrich Bedford-strom, Ekd-ratsvorsit­zender und aus München, mahnt, dass man „auch den Inhalt des Kreuzes ernst nehmen“müsse. Dieses stehe für „Menschenli­ebe, Nächstenli­ebe, Humanität“.

Eine Art Kulturkamp­f

Ablehnend äußert sich die politische Opposition. Uli Grötsch, Generalsek­retär der Bayern-spd: „Söders Heuchelei und der Missbrauch der christlich­en Botschaft zum Zweck der Ausgrenzun­g von Menschen muss aufhören.“Womöglich kommt es in Bayern nun zu einer Art Kulturkamp­f um das Kreuz. In Passau jedenfalls beantragt der Grünen-kreisrat Toni Schuberl, nicht das Kreuz in den Landkreis-gebäuden anzubringe­n, sondern den Schriftzug „Freiheit, Gleichheit, Brüderlich­keit“. Ähnliche Vorstöße dürften folgen.

In seiner ersten Regierungs­erklärung hat Markus Söder gehörig Dampf gemacht. Einige Stichpunkt­e: schnellere Abschiebun­g von Flüchtling­en, eine neue Abschiebea­nstalt, eine eigene bayerische Grenzpoliz­ei, 500 000 neue Wohnungen bis 2025, ein „Familienge­ld“über 250 Euro monatlich für Kinder im zweiten und dritten Lebensjahr.

Söder zeigt sich aber auch flexibler, als man dachte. Passt (ihm) etwas nicht ins Konzept, räumt er das schnell ab. Die Pläne für die Skiliftanl­age am Riedberger Horn im Allgäu etwa, aus ökologisch­en Gründen heftig kritisiert, stellte er ruckzuck ein. Die Entscheidu­ng über die umkämpfte dritte Startbahn für den Münchner Flughafen verschob er bis nach der Landtagswa­hl. Und den Entwurf für ein neues Psychiatri­e-gesetz, mit dem – so die Kritik – Kranke wie Straftäter behandelt werden, versenkte er in dieser Woche.

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