Verstörender Kreuzzug
Will Ministerpräsident Söder ausgrenzen oder geht es ihm um eine Wertediskussion? Darüber wird gestritten.
München. Markus Söder hat sich vielfach fotografieren lassen, als er nun in seinem Regierungssitz, der Münchner Staatskanzlei, ein Kreuz aufhängte – von der Seite, schräg von unten, frontal von vorne. Auf Facebook postete er: „Klares Bekenntnis zu unserer bayerischen Identität und christlichen Werten.“Söder will in seiner Politik das Konservative herausstellen. Am 14. Oktober ist Landtagswahl, die AFD sitzt der CSU im Nacken. Das Kreuz, so hat es das Kabinett beschlossen, soll in allen Behörden des Freistaats aufgehängt werden – im Eingangsbereich, um nicht gegen die staatliche Neutralität zu verstoßen.
Die Kritik wird immer lauter, weil die Maßnahme als Wahlkampf angesehen wird. Skeptiker unterstellen zudem, dass dem Christentum eine Sonderrolle eingeräumt werden soll und sich die Aktion indirekt gegen andere Religionen wendet. Burkhard Hose, katholischer Studentenseelsorger im Bistum Würzburg, schreibt in einem offenen Brief an Söder: „Ich bitte Sie eindringlich: Beenden Sie den Missbrauch des Christlichen und seiner Symbole als vermeintliches Bollwerk gegen den Islam.“Andere Kirchenvertreter sehen den Vorstoß vorsichtig positiv. Heinrich Bedford-strom, Ekd-ratsvorsitzender und aus München, mahnt, dass man „auch den Inhalt des Kreuzes ernst nehmen“müsse. Dieses stehe für „Menschenliebe, Nächstenliebe, Humanität“.
Eine Art Kulturkampf
Ablehnend äußert sich die politische Opposition. Uli Grötsch, Generalsekretär der Bayern-spd: „Söders Heuchelei und der Missbrauch der christlichen Botschaft zum Zweck der Ausgrenzung von Menschen muss aufhören.“Womöglich kommt es in Bayern nun zu einer Art Kulturkampf um das Kreuz. In Passau jedenfalls beantragt der Grünen-kreisrat Toni Schuberl, nicht das Kreuz in den Landkreis-gebäuden anzubringen, sondern den Schriftzug „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“. Ähnliche Vorstöße dürften folgen.
In seiner ersten Regierungserklärung hat Markus Söder gehörig Dampf gemacht. Einige Stichpunkte: schnellere Abschiebung von Flüchtlingen, eine neue Abschiebeanstalt, eine eigene bayerische Grenzpolizei, 500 000 neue Wohnungen bis 2025, ein „Familiengeld“über 250 Euro monatlich für Kinder im zweiten und dritten Lebensjahr.
Söder zeigt sich aber auch flexibler, als man dachte. Passt (ihm) etwas nicht ins Konzept, räumt er das schnell ab. Die Pläne für die Skiliftanlage am Riedberger Horn im Allgäu etwa, aus ökologischen Gründen heftig kritisiert, stellte er ruckzuck ein. Die Entscheidung über die umkämpfte dritte Startbahn für den Münchner Flughafen verschob er bis nach der Landtagswahl. Und den Entwurf für ein neues Psychiatrie-gesetz, mit dem – so die Kritik – Kranke wie Straftäter behandelt werden, versenkte er in dieser Woche.