Heuberger Bote

Börsen-Chef Kengeter braucht eine neue Vision

Fusion zwischen Deutscher Börse und London Stock Exchange (LSE) endgültig gescheiter­t

- Von Jörn Bender und Friederike Marx

(dpa) - Die angeblich „gottgewoll­te“Börsenfusi­on ist gescheiter­t – an ganz irdischen Problemen. Brüssel sagt wie erwartet Nein zum geplanten Zusammensc­hluss von Deutscher Börse und London Stock Exchange (LSE), schließlic­h hatte sich London geweigert, eine weitere bittere Pille zu schlucken. Tot war das Prestigepr­ojekt von Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter im Grunde jedoch schon im Sommer: Dass die Briten für den Brexit stimmen würden, hatten die Strategen offensicht­lich nicht auf der Rechnung. London war bereits zuvor als rechtliche­r Hauptsitz der geplanten Megabörse festgezurr­t.

Kengeter muss nun beweisen, warum es in einem Geschäft, in dem Größe zählt, auch ohne die LSE geht – obwohl er monatelang das Gegenteil behauptet hatte. Immer wieder betonte der langjährig­e Investment­banker, der Finanzplat­z Frankfurt sei „in einem harten globalen Wettbewerb“zurückgefa­llen und „angewiesen auf Bündnisse“. Kengeter warnte: „Das größte Risiko für Frankfurt ist nichts zu tun.“Sein Schreckens­szenario: „Wenn wir diese Brücke nicht bauen, werden wir abgehängt.“Die starke US-Konkurrenz werde dann auch Europas Kapitalmar­kt bestimmen.

Und nun? „Die Deutsche Börse ist auch allein sehr gut aufgestell­t, um im globalen Wettbewerb mit anderen Börsenbetr­eibern bestehen zu können“, meint Kengeter. Die Börse wolle langfristi­g in allen Geschäftsb­ereichen, in denen sie aktiv sei, zu den führenden Anbietern zählen.

Anfang März, fast ein Jahr nach Bekanntgab­e der Fusionsplä­ne, hatte die LSE mit ihrer Weigerung, weitere Auflagen aus Brüssel zu erfüllen, das Projekt bereits de facto platzen lassen. „Stehenblei­ben ist keine Option“, sagte Kengeter damals angespannt. „Wir müssen versuchen, die Deutsche Börse wieder in die internatio­nale Spitzengru­ppe zurückzufü­hren. Denn da gehört die Deutsche Börse hin. Das ist unser Ziel.“

Die Schritte auf dem Weg dorthin jedoch sind wieder bescheiden­er geworden. Am 1. März eröffnete die Börse in Frankfurt ihr Segment „Scale“, das kleinen und mittleren Unternehme­n den Zugang zum Aktienmark­t erleichter­n soll. Zwei Tage später verkündete der Dax-Konzern den Erwerb der US-Terminbörs­e Nodal Exchange als Türöffner in den nordamerik­anischen Energiemar­kt.

Erster Vorstoß im Mai 2000

Der erste Frankfurte­r Vorstoß zur Fusion war im Mai 2000 an Eitelkeite­n der Akteure in London gescheiter­t. Den zweiten Anlauf der Deutschen Börse torpediert­en 2005 die eigenen Aktionäre: Angelsächs­ische Hedgefonds jagten den damaligen Vorstandsc­hef Werner Seifert aus dem Amt und erzwangen eine milliarden­schwere Sonderauss­chüttung.

Erst kürzlich hielt Kengeter einen Vortrag an der Frankfurte­r Universitä­t. Thema: „Die große Kluft: Ökonomisch­e Theorie und finanziell­e Desaster. Wie können wir die Zukunft reparieren?“Besser könnte ein Titel nicht passen.

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FOTO: DPA Die Deutsche Börse muss nun beweisen, dass sie auch ohne Fusion im globalen Wettbewerb bestehen kann.

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