Börsen-Chef Kengeter braucht eine neue Vision
Fusion zwischen Deutscher Börse und London Stock Exchange (LSE) endgültig gescheitert
(dpa) - Die angeblich „gottgewollte“Börsenfusion ist gescheitert – an ganz irdischen Problemen. Brüssel sagt wie erwartet Nein zum geplanten Zusammenschluss von Deutscher Börse und London Stock Exchange (LSE), schließlich hatte sich London geweigert, eine weitere bittere Pille zu schlucken. Tot war das Prestigeprojekt von Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter im Grunde jedoch schon im Sommer: Dass die Briten für den Brexit stimmen würden, hatten die Strategen offensichtlich nicht auf der Rechnung. London war bereits zuvor als rechtlicher Hauptsitz der geplanten Megabörse festgezurrt.
Kengeter muss nun beweisen, warum es in einem Geschäft, in dem Größe zählt, auch ohne die LSE geht – obwohl er monatelang das Gegenteil behauptet hatte. Immer wieder betonte der langjährige Investmentbanker, der Finanzplatz Frankfurt sei „in einem harten globalen Wettbewerb“zurückgefallen und „angewiesen auf Bündnisse“. Kengeter warnte: „Das größte Risiko für Frankfurt ist nichts zu tun.“Sein Schreckensszenario: „Wenn wir diese Brücke nicht bauen, werden wir abgehängt.“Die starke US-Konkurrenz werde dann auch Europas Kapitalmarkt bestimmen.
Und nun? „Die Deutsche Börse ist auch allein sehr gut aufgestellt, um im globalen Wettbewerb mit anderen Börsenbetreibern bestehen zu können“, meint Kengeter. Die Börse wolle langfristig in allen Geschäftsbereichen, in denen sie aktiv sei, zu den führenden Anbietern zählen.
Anfang März, fast ein Jahr nach Bekanntgabe der Fusionspläne, hatte die LSE mit ihrer Weigerung, weitere Auflagen aus Brüssel zu erfüllen, das Projekt bereits de facto platzen lassen. „Stehenbleiben ist keine Option“, sagte Kengeter damals angespannt. „Wir müssen versuchen, die Deutsche Börse wieder in die internationale Spitzengruppe zurückzuführen. Denn da gehört die Deutsche Börse hin. Das ist unser Ziel.“
Die Schritte auf dem Weg dorthin jedoch sind wieder bescheidener geworden. Am 1. März eröffnete die Börse in Frankfurt ihr Segment „Scale“, das kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zum Aktienmarkt erleichtern soll. Zwei Tage später verkündete der Dax-Konzern den Erwerb der US-Terminbörse Nodal Exchange als Türöffner in den nordamerikanischen Energiemarkt.
Erster Vorstoß im Mai 2000
Der erste Frankfurter Vorstoß zur Fusion war im Mai 2000 an Eitelkeiten der Akteure in London gescheitert. Den zweiten Anlauf der Deutschen Börse torpedierten 2005 die eigenen Aktionäre: Angelsächsische Hedgefonds jagten den damaligen Vorstandschef Werner Seifert aus dem Amt und erzwangen eine milliardenschwere Sonderausschüttung.
Erst kürzlich hielt Kengeter einen Vortrag an der Frankfurter Universität. Thema: „Die große Kluft: Ökonomische Theorie und finanzielle Desaster. Wie können wir die Zukunft reparieren?“Besser könnte ein Titel nicht passen.