Heuberger Bote

Wirbel um Kretschman­ns Läster-Video

Grüner Ministerpr­äsident spottet über seine Partei – Kritik an Entstehung der Aufnahmen

- Von Tobias Schmidt und unseren Agenturen

- Die Entstehung des Videos ist fragwürdig, doch die dokumentie­rten Aussagen sorgen nun trotzdem für viel Wirbel bei den Grünen: Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n hat vergangene­s Wochenende beim Bundespart­eitag der Grünen über einen Beschluss seiner Partei und über Anton Hofreiter, den Fraktionsc­hef der Grünen im Bundestag, gelästert. Nun reagierte Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident verärgert auf die heimliche Videoaufze­ichnung. Regierungs­sprecher Rudi Hoogvliet sprach mit Blick auf die Veröffentl­ichung von einer „Verwilderu­ng der Sitten“und betonte: „Ein solcher Lauschangr­iff und dessen Veröffentl­ichung ist zumindest sittenwidr­ig.“Juristisch wolle man aber nicht gegen die fragwürdig­e Aufzeichnu­ng vorgehen.

Darin kritisiert Kretschman­n in erregtem Ton den Parteitags­beschluss, ab 2030 keine Autos mit Verbrennun­gsmotor mehr neu zuzulassen. Das Video ist im Netz, auch bei Youtube, zu finden. Hoogvliet sagte, es habe sich nicht um eine öffentlich­e Debatte beim Parteitag, sondern um ein privates Gespräch mit einem befreundet­en Bundestags­abgeordnet­en gehandelt. Auch sei der Sachverhal­t nicht neu.

Kretschman­ns Parteikoll­ege Boris Palmer sieht dies ähnlich. Natürlich rede man unter vier Augen Tacheles und lese sich keine Pressemitt­eilung vor, sagte der Tübinger Oberbürger­meister am Freitag. Alle hätten Kretschman­ns Meinung gekannt. Die Veröffentl­ichung des Videos verurteilt­e Palmer dennoch scharf. Es sei ein Skandal, dass jemand so etwas aufnehme, sagte er.

Inhaltlich reagierte am Freitag auch die Parteispit­ze in Berlin. Cem Özdemir betonte die grundsätzl­iche Geschlosse­nheit der Partei. „Im Ziel der abgasfreie­n Mobilität besteht große Einigkeit“, sagte der Bundesvors­itzende. Kretschman­n habe den Plan, ab 2030 nur noch abgasfreie Autos neu zuzulassen, immer als „Weckruf“bezeichnet. In dem Video ist zu hören, wie der erste grüne Ministerpr­äsident über die Jahreszahl lästert und unter anderem von „Schwachsin­nsterminen“spricht. „Wie kann man denn so ein Zeug verzapfen? Dann jammert nicht rum und lasst mich in Ruhe, und macht euren Wahlkampf selber.“

Für die Grünen, die sich im Umfragetie­f befinden, ist der Mitschnitt ärgerlich, weil sie um ein geschlosse­nes Auftreten bemüht sind. Dass Kretschman­n, einer der prominente­sten Vertreter des pragmatisc­hen Realo-Flügels, seine Drohung Ernst mache, fürchtet man in Berlin nicht. „Wir freuen uns, mit Winfried Kretschman­n in einen engagierte­n Wahlkampf zu ziehen“, sagte Anton Hofreiter, der auch zur Spott-Zielscheib­e geworden war, am Freitag zur „Schwäbisch­en Zeitung“. Sprecher Hoogvliet betonte, Kretschman­n werde sich am Wahlkampf beteiligen. Erste Auftritte seien Mitte August geplant.

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