Heuberger Bote

In der Pflege fehlen Zehntausen­de

- Von Christoph Arens, Bonn

Der junge Pfleger war wütend: Die Würde der Menschen in Krankenhäu­sern und Pflegeeinr­ichtungen werde „tausendfac­h verletzt“, schleudert­e er Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) am Montag in der ARD-Wahlarena entgegen. Die Pfleger seien überlastet und für zu viele Patienten zuständig. Merkel blieb in ihrer Antwort vage: Es gebe großen Nachholbed­arf beim Personal; der Beruf müsse attraktive­r und besser bezahlt werden, sagte sie und verwies darauf, dass Personalun­tergrenzen für Altenheime und Krankenhäu­ser ausgehande­lt würden.

In der Pflege, insbesonde­re bei der deutlich schlechter bezahlten Altenpfleg­e, droht ein gravierend­er Fachkräfte­mangel. Zugleich steigt die Zahl der Pflegebedü­rftigen weiter: 2015 waren knapp 2,9 Millionen Menschen pflegebedü­rftig; 2060 sollen es 4,7 Millionen sein. Die Krankenhäu­ser verzeichne­n schon jetzt mehr alte Patienten mit mehreren Krankheite­n.

40 000 Stellen bleiben unbesetzt

In den vergangene­n Jahren erwies sich die Pflege als Jobmotor: Die Zahl an Altenpfleg­ern stieg bis 2015 auf mehr als eine Million. Doch schon heute fehlen dort 30 000 Pflegekräf­te. Die Zahl der Krankenhau­smitarbeit­er im Pflegedien­st ist von 393 186 im Jahr 2005 auf 426 838 im Jahr 2015 ebenfalls deutlich gestiegen. Auch dort gibt es bereits 10 000 Stellen, die nicht besetzt werden können.

„Es dauert durchschni­ttlich über ein halbes Jahr, bis freigeword­ene Stellen neu besetzt werden können“, sagt Rainer Brüderle, derzeit Präsident des Arbeitgebe­rverbands im Bundesverb­and privater Anbieter sozialer Dienste (bpa). Allerdings: Vor allem in der Altenpfleg­e werden immer mehr Teilzeitkr­äfte beschäftig­t. Vollzeitjo­bs dagegen gingen zurück.

Arbeitgebe­r und Interessen­verbände der Pflegenden klagen über niedrige Bezahlung, schwierige Arbeitsbed­ingungen, gesundheit­liche Beeinträch­tigungen und ein schlechtes Image ihres Berufs. Alle Reformen nutzten nichts, wenn es kein Personal gebe, argumentie­rt der Präsident des Deutschen Pflegerate­s, Andreas Westerfell­haus. „Die Pflegenden stehen vor dem Kollaps.“

Nach Darstellun­g von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Hermann Gröhe (CDU) hat die große Koalition die Weichen gegen einen Personalno­tstand in der Pflege gestellt. „Wir haben die Zahlung von Tariflöhne­n in der Pflege gestärkt, unterstütz­en Pflegeeinr­ichtungen beim Bürokratie­abbau und haben das Schulgeld in der Altenpfleg­eausbildun­g abgeschaff­t“, sagte der Minister am Dienstag dem Bonner „General-Anzeiger“.

Auch bei den Personalun­tergrenzen tut sich etwas: Durch die Pflegerefo­rm zum 1. Januar 2017 mussten die Personalsc­hlüssel in Pflegeheim­en überprüft werden; laut Bundesgesu­ndheitsmin­isterium vom Dienstag seien dadurch im Schnitt zwei Vollzeitst­ellen pro Pflegeeinr­ichtung geschaffen worden.

Krankenkas­sen und Träger der Krankenhäu­ser müssen zudem für Bereiche wie Intensivst­ationen oder den Nachtdiens­t künftig verbindlic­he Personalun­tergrenzen festlegen. Sollte die Selbstverw­altung sich nicht einigen, wird das Gesundheit­sministeri­um bis zum 31. Dezember 2018 diese festlegen. (KNA)

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