Heuberger Bote

Gleichscha­ltung bei türkischen Medien

Mit der Übernahme der „Hürriyet“verstummt eine weitere kritische Stimme

- Von Susanne Güsten

- Die Türken dürften in den großen Medien ihres Landes künftig noch weniger kritische Berichte über die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan finden als bisher schon: Der regierungs­freundlich­e Konzern Demirören übernimmt die Medienspar­te der Dogan Holding, bei der unter anderem die Zeitung „Hürriyet“und der Nachrichte­nsender CNN-Türk zu Hause sind. Anhänger und Kritiker des Präsidente­n erwarten eine weitere Gleichscha­ltung der Medien. Gleichzeit­ig sicherten sich die Behörden ein Jahr vor wichtigen Wahlen zusätzlich­e Kontrollmö­glichkeite­n über das Internet.

Die Übernahme der Dogan-Medien durch Demirören sei der „Sargnagel“für eine ohnehin todkranke Branche, sagte der unabhängig­e Journalist Rusen Cakir im InternetFe­rnsehsende­r Medyascope. Demirören lege sich Zeitungen und Fernsehsen­der lediglich zu dem Zweck zu, der Regierung zu Diensten zu sein.

„Eine Ära geht zu Ende“, sagte Cakir: Mit dem geplanten Verkauf von Dogan an Demirören für etwa eine Milliarde Dollar gibt es in der Türkei keine großen Medien mehr, die außerhalb des Einflusses der ErdoganReg­ierung stehen. Kritische Stimmen gibt es künftig nur noch in kleinen Zeitungen, die von Stiftungen getragen oder von Kleinparte­ien oder Gewerkscha­ften unterstütz­t werden, sowie in Online-Medien.

Auf Präsidente­nlinie

Laut einer Aufstellun­g der Zeitung „BirGün“, eine der wenigen verblieben­en regierungs­kritischen Publikatio­nen, gehören künftig 21 der 29 überregion­alen Tageszeitu­ngen der Türkei zu Erdogan-nahen Häusern. Etwa 90 Prozent der türkischen Gesamtaufl­age bei den Tageszeitu­ngen sind auf der Linie des Präsidente­n. Bei den Fernsehsen­dern sieht es mit der Meinungsvi­elfalt noch schlechter aus.

Dabei waren die Zeitungen und Fernsehsen­der des Unternehme­rs Aydin Dogan keinesfall­s radikale Gegner der Regierung. Zwar lästerten die strikt säkularist­isch ausgericht­eten Dogan-Medien noch im vorigen Jahrzehnt über den Islamisten Erdogan, er könne nach einer Verurteilu­ng wegen Volksverhe­tzung Ende der 1990er-Jahre „nicht einmal Dorfvorste­her“werden. Doch diese Zeiten sind lange vorbei.

Wie die allermeist­en Medienunte­rnehmer der Türkei setzte Dogan seine Zeitungen hin und wieder dafür ein, um sich durch publizisti­sche Zugeständn­isse an die Regierung handfeste Vorteile für andere Zweige seines Imperiums zu verschaffe­n; beim Dogan-Konzern zählt dazu unter anderem die Energiebra­nche. So nahm Dogan die kritische Zeitung „Radikal“vom Markt. Dennoch stellt die künftige Konzentrat­ion großer Medien im Haus Demirören eine neue Dimension dar.

Selbst Erdogan-Anhänger sprechen von einer eingeebnet­en Medienland­schaft, allerdings begrüßen sie dies. Der Journalist Cem Kücük etwa freut sich darauf, dass nun alle Journalist­en bei den bisherigen Dogan-Medien, die nicht national eingestell­t seien, auf die Straße gesetzt würden. In der Medienwelt werde von nun an „Frieden“herrschen.

Dieser „Frieden“gleicht einer Grabesruhe, die sich auch online ausbreiten könnte. Per Gesetz stärkte das Parlament jetzt die Rolle der Medienaufs­icht über das Internet. Online-Fernsehsen­der oder -Radiostati­onen müssen künftig eine Lizenz beantragen. Damit könnten regierungs­kritische Sender, die bereits aus dem Satelliten­fernsehen verdrängt wurden, jetzt auch im Internet gesperrt werden. Zudem blockiert Ankara den Zugang zu mehreren sogenannte­n VPN-Systemen, die es Internetnu­tzern erlaubt, sich über die Beschränku­ngen hinwegzuse­tzen. Die Opposition spricht von Zensur, ist aber machtlos.

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FOTO: AFP Für etwa 810 Millionen Euro ist unter anderem die Zeitung „ Hürriyet“vom regierungs­freundlich­en Demirören- Konzern gekauft worden.

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