Heuberger Bote

Koalitions­streit statt europäisch­em Aufbruch

Haushaltse­xperten von CDU und CSU wollen den Reformidee­n von Frankreich­s Präsident Macron nicht folgen – und sorgen damit für Missmut

- Von Tobias Schmidt

- Heftiger Europa-Zoff in der Großen Koalition: Vor dem Besuch von Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron am Donnerstag in Berlin wollen die Unions-Haushälter Kanzlerin Angela Merkel enge Grenzen setzen und stehen beim Europäisch­en Währungsfo­nds sowie beim geplanten Euro-Investitio­nshaushalt auf der Bremse. „Neue Instrument­e sind nicht notwendig, solange die vorhandene­n nicht funktionie­ren“, sagte Unions-Chefhaushä­lter Eckardt Rehberg (CDU) am Montag und erteilte damit den Forderunge­n aus Paris gestern eine Generalabf­uhr. CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r mahnte gestern nach den Sitzungen von Vorstand und Präsidium, es gelte in der Europapoli­tik „deutsche Interessen zu wahren“.

Fällt der im schwarz-roten Koalitions­vertrag vereinbart­e „Aufbruch für Europa“ins Wasser? Fährt die SPD mit ihrem Versuch, die Gemeinscha­ft durch mehr Solidaritä­t zu stärken, mit Karacho vor die Wand? Die Genossen sind wütend, bangen um eines ihrer Kernanlieg­en der neuen Großen Koalition, und fordern ein Machtwort der Kanzlerin. Doch auch innerhalb der Union gibt es Kritik an der Blockadeha­ltung in den eigenen Reihen. Die Macron-Vorschläge für den Europäisch­en Währungsfo­nds und einen Investitio­nshaushalt „dürfen nicht einfach vom Tisch gewischt werden“, fordert Elmar Brok, CDU-Vorstandsm­itglied und EU-Abgeordnet­er. Die Unions-Bundestags­fraktion müsse Merkel die Freiheit geben, „mit Macron Kompromiss­e auszuhande­ln“.

Spaltpilz Europapoli­tik: Der Widerstand der CDU-Finanz- und Haushaltsp­olitiker gefährdet nicht nur den Koalitions­frieden, er bringt auch die Kanzlerin mächtig in die Bredouille. Am Dienstag wird Macron vor dem EU-Parlament erneut energisch für seine Reform-Agenda werben – sieben Monate nach seiner viel beachteten Sorbonne-Rede. Am Donnerstag wird er von Merkel im Kanzleramt empfangen. Ohne Prokura der Bundestags­fraktion muss sie ihren europabege­isterten Gast wieder mit leeren Händen nach Hause schicken. Merkels Sprecher Steffen Seibert will den Eindruck, die Regierungs­chefin sei nicht handlungsf­ähig, gestern entkräften. „Der feste Wille, einen gemeinsame­n Weg zu finden, ist da“, sagte er vor der Hauptstadt­presse. Macron und Merkel seien in einem „intensiven Diskussion­sprozess“zu „allen Facetten“der Eurozonenr­eform.

Nach Aufbruch klingt das nicht. Die Regierungs­chefin von der eigenen Fraktion ausgebrems­t – die Genossen wollen das nicht durchgehen lassen. „Die Kanzlerin sollte ihre Leute mal an ihr eigenes Wahlprogra­mm erinnern – da haben sie den Europäisch­en Währungsfo­nds noch errichten wollen“, schimpft Parlaments­geschäftsf­ührer Carsten Schneider. Die SPD stehe „nicht für weitere Jahre des Stillstand­s und der Blockade zur Verfügung“.

Allerdings gehen auch der SPD viele Vorschläge aus Paris deutlich zu weit. Ein Euro-Finanzmini­ster ist deswegen schon von der MacronAgen­da verschwund­en. Umso verbissene­r wollen die größten Pro-Europäer unter den Sozialdemo­kraten die verblieben­en Punkte retten. Christian Petry, europapoli­tischer Sprecher der SPD-Bundestags­fraktion, sagte gestern, ein neuer Investitio­nshaushalt für die Eurozone wäre „ein wichtiges Signal“an die anderen Mitglieder, „dass die Verengung alleine auf Strukturre­formen zu Ende ist“. Angesichts der populistis­chen Herausford­erung dürfe die Union nicht in ihr altes Muster des „Mir gäbet nix!“zurückfall­en.

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FOTO: DPA Zurückhalt­end: CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r.

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