Heuberger Bote

Ein Poetry Slammer holt sich die Krähe

Neben Artem Zolotarow gibt es noch weitere Gewinner – Festival steigt zum 18. Mal

- Von Kornelia Hörburger

- Mit mächtigen Texten voller Poesie hat Poetry Slammer Artem Zolotarov den 18. Wettbewerb um die „Tuttlinger Krähe“am Sonntagabe­nd gewonnen. Zweiter wurde der Musikkabar­ettist Martin Herrmann. ProfiOberb­ayer Josef Brustmann erhielt die Publikumsk­rähe, und der Sonderprei­s der Jury ging an das Comedy-Duo Blömer und Tillack.

Geschaffen und gestiftet wurden die vier Bronze-Krähen vom Tuttlinger Bildhauer Roland Martin. Bevor die begehrten Vögel aber bei ihren künftigen Besitzern landen durften, erlebten die Besucher des Preisträge­rabends noch einmal jeweils 20 Minuten aus den vier gekürten Programmen.

Wie Musik klingen Artem Zolotarovs Fünf-Minuten-Gedichte. Rhythmisch streng durchkompo­niert, drängt seine Wortkunst in Reimen und Alliterati­onen vorwärts, im Wechsel mit entschleun­igenden Ritardando-Phrasen, in denen sich der Poetry Slammer wohlgesetz­te Sprachspie­lereien und Metaphern genüsslich auf der Zunge zergehen lässt.

Dabei beherrscht er einen freundlich­en, scheinbar unverbindl­ichen Plauderton genauso wie dämonischb­edrohliche Klangfarbe­n. „In sich ruhend präsentier­t, vielmehr offenbart und zelebriert dieser Künstler seine kleinen Kunstwerke“, hatte die Jury in ihrer Laudatio formuliert. „Keine Lacher, keine Schenkelkl­opfer“sondern „Poesie, Lyrik und Rap in Gedichten, die unter die Haut gehen“, setzten die Juroren in diesem Jahr auf Platz eins. Und gewährten mit „Poetry Slam“einem neuen Genre den Einzug in die Siegerlist­en des Kleinkunst-Wettbewerb­s.

Im Text „Heimat“erzählt Zolotarov poetisch seine Geschichte: 1998, als Neunjährig­er, kam er mit seiner jüdischstä­mmigen Familie aus der Ukraine nach Deutschlan­d, beherrscht nach absolviert­em Germanisti­k-Studium die neue Sprache in Perfektion, und bleibt doch Wandler zwischen den Welten.

Seit drei Jahren ist Artem Zolotarov bei einschlägi­gen Poetry-SlamVerans­taltungen unterwegs, wollte in Möhringen nur einmal schauen, wie es bei einem Kleinkunst-Wettbewerb so zugeht – und fährt mit der Tuttlinger Krähe nach Hause. Die dürfte seinen Titel als rheinlandp­fälzischer Poetry-Slam-Meister 2016 bei Weitem überflügel­n.

Einer, der schelmisch-subversiv grantelt

Als „Erbe der altlinken Revoluzzer­Schule, der nicht nur singen, sondern auch die feine Klinge des politische­n Kabaretts zu schwingen vermag“und „schelmisch-subversiv grantelt“zeichnete die Jury Martin Herrmann mit dem zweiten Platz aus. Sarkasmus sei sein Mittel zum Trotz und gleichzeit­ig Beweis dafür, wie schön das Leben sein könne, wenn man „dem Elend ins Antlitz lacht“. Dabei sagt Herrmann, er mache kein politische­s Kabarett, weil Politiker ohnehin die besseren Kabarettis­ten seien.

Singend erklärt er nochmals den sonntäglic­hen Schönwette­r-Stau auf den Straßen: „Keiner bleibt daheim, ‘s könnt ja woanders schöner sein“, und plädiert für die Heirat Gleichgesc­hlechtlich­er, auch in der katholisch­en Kirche: „Schwule müssen heiraten dürfen, warum sollen die nur ihren Spaß haben.“Auch mit den Saitenklän­gen seiner tibetanisc­hen Taschenhar­fe, die zuvor als Eierschnei­der ihr Leben fristete, bringt er erneut Frauenherz­en zum Schmelzen.

„Grantler mit dem Herz auf der Zunge und mit der ungeschlif­fenen Direktheit des Bayern“, so charakteri­sierte die Jury Josef Brustmann. Dem Publikum haben‘s die Ausflüge ins bayrische Dorfleben und in die bayrische Politik offenbar genauso angetan wie die launigen Gstanzln des Barden mit Zitherbegl­eitung: Brustmann landete in dessen Gunst ganz vorne.

Als „Juwel der Kleinkunst“erhielt das Duo Blömer und Tillack die vierte Krähe für den Sonderprei­s der Jury für ihren Charme und ihre „unverwechs­elbare Mischung aus Slapstick, Kabarett, Pantomime und Körpercome­dy“. Ob nun Nicolas Sarkozys Traum, von Blömer gelesen und von Tillack in Ganzkörper-Gebärdensp­rache „übersetzt“oder die pantomimis­chen Annäherung­sversuche zweier Schnecken – die Zuschauer bekamen laut Jury „großes Kino mit einfachste­n Mitteln“geboten, „mit Originalit­ät und Esprit“und dazu angereiche­rt mit Sportsgeis­t und hintergünd­igem Schalk.

Klaus Kinskis Geist fährt in Angela Merkel

Vorjahress­ieger Thomas Schreckenb­erger stellte als Moderator noch einmal seine Preiswürdi­gkeit unter Beweis, besonders mit einer Neuauflage des Geistes Klaus Kinskis, der in Angela Merkel fährt und sie etwas rustikaler mit ihren Regierungs­mitglieder­n umspringen lässt.

Mit einem Preisgeld von 4000 Euro für den ersten Platz und einem Gesamtvolu­men von 20 000 Euro ist die „Tuttlinger Krähe“einer der höchstdoti­erten deutschen Kleinkunst­preise. Michael Baur, Rolf Brohammer, Karl-Heinz Helmschrot, Sabine Schürnbran­d, Rosa Wagner und David Zapp bildeten in diesem Jahr die Jury. In den Pausen unterhielt die Band Four Fun um Marco Schorer, die Zuschauer mit gepflegtem Jazz.

zum Kleinkunst-Wettbewerb Krähe finden Sie unter:

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