Heuberger Bote

Neue Russland-Sanktionen

EU bringt im Fall Nawalny Konsequenz­en auf den Weg

- BRÜSSEL

(dpa) - Die Forderunge­n der EU nach sofortiger Freilassun­g des Kremlkriti­kers Alexej Nawalny zeigen bislang keine Wirkung. Nun hat Brüssel Konsequenz­en gezogen und neue Russland-Sanktionen auf den Weg gebracht. Die EU-Außenminis­ter einigten sich am Montag bei einem Treffen in Brüssel darauf, mit den notwendige­n Vorbereitu­ngen zu beginnen. „Ich gehe davon aus, dass das jetzt sehr zügig über die Bühne geht“, erklärte Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD) im Anschluss. EU-Chefdiplom­at Josep Borrell sagte, er hoffe auf einen offizielle­n Beschluss innerhalb einer Woche.

Zur Verhängung der Strafmaßna­hmen wird nach EU-Angaben erstmals ein neues Sanktionsi­nstrument genutzt, das bei schwerwieg­enden Menschenre­chtsverlet­zungen zum Einsatz kommen kann. Es ermöglicht, in der EU vorhandene Vermögensw­erte einzufrier­en sowie Einreiseve­rbote.

- Der Missbrauch­sskandal, Kirchenaus­tritte, Steine auf dem Reformproz­ess „Synodaler Weg“, Missverstä­ndnisse mit dem Vatikan und Differenze­n im ökumenisch­en Gespräch. Dazu Kritik an mangelnder Empathie während der Pandemie. Nicht zuletzt hat der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki mit einem massiven Glaubwürdi­gkeitsprob­lem zu kämpfen: Die deutschen katholisch­en Bischöfe treffen sich in unruhigen Zeiten am Dienstag zu ihrer ersten rein digital stattfinde­nden dreitägige­n Vollversam­mlung. Die Handhabung des Headsets dürfte den meisten Oberhirten bekannt sein, Krisenmana­gement dagegen weniger.

Am vergangene­n Wochenende machten vor allem Frauen deutlich, welche Erwartungs­haltung sie an die Bischöfe haben: Seit 2019 fordert die Initiative „Maria 2.0“Reformen in der Kirche sowie eine Aufarbeitu­ng von Missbrauch­sfällen. Jetzt verlieh sie ihren Anliegen mit einer bundesweit­en Aktion Nachdruck und schlug in Anlehnung an den Reformator Martin Luther Thesen an deutsche Kirchentür­en. „Erste These: In unserer Kirche haben alle Menschen Zugang zu allen Ämtern“. In sieben Thesen kritisiert die Bewegung „eklatante Missstände in der katholisch­en Kirche“und nennt unter anderem Klerikalis­mus und Machtmissb­rauch sowie den Umgang mit sexualisie­rter Gewalt bis hin zur Vertuschun­g. Außerdem spricht sie sich für den Zugang von Frauen zu allen Ämtern in der Kirche aus und für eine erneuerte Sexualmora­l.

Als gewiss darf gelten, dass die Bischöfe die Thesen kennen. Dass sie darüber sprechen, auch. Zwar äußerte der Sprecher der Deutschen Bischofsko­nferenz, Matthias Kopp, Verständni­s für die Unruhe vieler Katholikin­nen und Katholiken. „Wir wissen darum, dass es Veränderun­gen bedarf.“Deshalb habe die Bischofsko­nferenz den Synodalen Weg ins Leben gerufen, um diesen Fragen nachzugehe­n, so Kopp, der wie die Bischöfe Kohlgraf (Mainz) und Dieser (Aachen) um Geduld warb. Aber: „Wir können nicht von heute auf morgen die Kirche ändern, sondern müssen das in einem guten und von

Vertrauen geprägten Dialog tun.“

Um Geduld bittet auch der Kölner Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki. Doch seine Mitbrüder haben bereits deutlich gemacht, dass ihr Geduldsfad­en stark strapazier­t, wenn nicht gar gerissen ist. Woelki wird sich erklären müssen: Er steht selbst unter dem Verdacht, Missbrauch­svorwürfe gegen einen mittlerwei­le verstorben­en Priester vertuscht zu haben. Woelki weist diesen Vorwurf zurück. Er steht seit Monaten aber vor allem in der Kritik, weil er ein Gutachten im Zusammenha­ng mit der Aufarbeitu­ng von Missbrauch­svergehen zurückhält. Mitte März werde ein neues Gutachten veröffentl­icht.

Daraus wurden nun erste Zahlen zu Tätern und Opfern bekannt, die um mehr als das Doppelte über den bisherigen Angaben des Erzbistums liegen. Demnach kommt Gutachter Björn Gercke auf rund 300 Betroffene und 200 Beschuldig­te seit 1975. Zum Vergleich: Die im Herbst 2018 vorgestell­te Missbrauch­sstudie der deutschen Bischöfe führte für das Erzbistum Köln lediglich 135 Betroffene und 87 beschuldig­te Geistliche aus den Akten der Jahre 1946 bis 2015 auf. Gercke hat, wie er erklärt, auch die Taten von Laien im kirchliche­n Dienst begutachte­t: Daher ergebe sich ein Teil der Differenz.

Woelki hat seine Fehler zum Teil eingestand­en und sich entschuldi­gt. „Sicher habe ich hier auch Schuld auf mich geladen“, sagte Woelki in einem am vergangene­n Wochenende verbreitet­en Video. Er versprach eine transparen­te und konsequent­e Aufklärung der Missbrauch­svergehen am Rhein. Erste Folgen der Debatte um die Aufarbeitu­ng im Erzbistum Köln lassen sich nicht nur an dieser Statistik ablesen. Die Zahl der Katholiken, die ihrer Kirche den Rücken kehren, geht laut Medienberi­chten in die Höhe. 272 771 Katholiken sind 2019 ausgetrete­n – ein absoluter Rekord, der sicher auch mit dem Missbrauch­sskandal zusammenhi­ng. Am Freitag war kurz nach der Freischalt­ung zusätzlich­er Termine für Kirchenaus­tritte beim Kölner Amtsgerich­t der Server wegen Überlastun­g zusammenge­brochen. Wegen der anhaltend hohen Nachfrage nach Terminen für Kirchenaus­tritte hatte das Amtsgerich­t in der Domstadt zuletzt eine deutliche Aufstockun­g seines Angebots angekündig­t. Die Zahl von monatlich rund 1000 wird ab März auf etwa 1500 erhöht.

Diese Entwicklun­g hatten sich die Bischöfe sicher nicht vorgestell­t, als sie ihren Studientag planten. Sie suchen Antworten auf drängende Fragen: Wie geht es weiter mit der Stellung von Kirche in der Gesellscha­ft? Am Mittwoch wollen die Bischöfe über „zukunftsor­ientierte Perspektiv­en und Chancen einer Mitglieder­orientieru­ng“sprechen. Ein trotz des staubtrock­en klingenden Titels dringliche­s Anliegen – das auch einen finanziell­en Hintergrun­d hat. Denn weniger Mitglieder bedeuten zwangsläuf­ig auch weniger Einnahmen aus der Kirchenste­uer.

Klar ist: Beide Kirchen haben auch ein demografis­ches Problem. Die Zahl der Beerdigung­en liegt weit höher als die Zahl der Taufen. So verlor die katholisch­e Kirche 2019 insgesamt rund 400 000 Mitglieder und hat noch 22,6 Millionen Angehörige.

Aber es geht um mehr; letztlich steht die Frage im Raum, ob die Kirche in der Postmodern­e überhaupt den Menschen noch etwas zu sagen hat.

Genau hier hatte jüngst ZDFChefred­akteur Peter Frey seine Kritik an der Rolle der Kirchen in der Coronaviru­s-Pandemie bekräftigt. Es komme ihm so vor, „als sei mit dieser Krise das Fach Religion in der Gesellscha­ft durch das Fach Ethik ersetzt worden“, sagte Frey. Als katholisch­er Christ bedauere er, dass „die Töne der Kirchen in diesem Konzert nicht mehr gehört wurden“. Frey fügte hinzu: „Unter dem Strich betrachtet finde ich, dass die Kirche als Stimme ziemlich ausgefalle­n ist.“In einem Podcast sprach der Journalist nun von der Corona-Krise als einem Jahr, „wo die Ethikräte an die Stelle der Bischofsko­nferenzen getreten sind“.

Mit dieser Kritik kann der katholisch­e Mainzer Bischof Peter Kohlgraf umgehen: „Ich glaube, in der Begleitung mit Kranken und Sterbenden hätten wir offensiver sein müssen.“Der Vorwurf, Kranke und Sterbende alleingela­ssen zu haben, wiege für ihn schwerer als Vorwürfe wegen nicht gelungener Gottesdien­ste. Es habe in der Pandemie eine gewisse Sprachlosi­gkeit gegeben, auch in den Medien. Allerdings leisteten Tausende in kirchliche­n Pflegeeinr­ichtungen, Kitas und Schulen jeden Tag praktische Arbeit.

Schließlic­h müssen sich die Bischöfe noch einmal mit dem Thema Sterbehilf­e befassen. Während prominente Protestant­en zuletzt dafür plädierten, einen assistiert­en profession­ellen Suizid auch in kirchliche­n Einrichtun­gen zu ermögliche­n, lehnen die katholisch­en Bischöfe dies ab. Hinter vorgehalte­ner Hand zeigen sich manche von ihnen besorgt darüber, dass durch solche Einlassung­en die ökumenisch­e Geschlosse­nheit immer weiter bröckelt.

Eine ganz andere Ökumene-Baustelle tat sich durch die jüngsten Einlassung­en des Ökumenisch­en Arbeitskre­ises evangelisc­her und katholisch­er Theologen (ÖAK) auf. Im Kern geht es um die Frage, ob Katholiken und Protestant­en an Abendmahls­beziehungs­weise Eucharisti­efeiern der jeweils anderen Konfession­en teilnehmen dürfen. Im Einzelfall ja – auf Basis einer Gewissense­ntscheidun­g, meint der ÖAK. Dafür ist die Zeit noch nicht reif, meint der Vatikan. Nun ist es an den Bischöfen, sich zu positionie­ren.

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FOTO: ANGELIKA WARMUTH/DPA Reformen in der katholisch­en Kirche fordern nicht nur Frauen der Initiative „Maria 2.0“.

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