Amazon: Umfassende Bürgerdialoge geplant
Gegner überreichen Unterschriften gegen Verteilzentrum - Bürgerbeteiligung startet im März
- Die BI Schura und Anwohner der Steppachhalde haben Bürgermeisterin Susanne Irion am Montagabend die Unterschriftenliste gegen die Amazon-Ansiedlung überreicht. Stadt und Gemeinderat wollen die Bürger mit einem umfassenden Dialog- und Beteiligungsverfahren in den weiteren Prozess einbeziehen. Irion stellte dies in der Gemeinderatssitzung vor.
Bevor die erste Sitzung des Trossinger Gemeinderats unter der neuen Bürgermeisterin offiziell startete, übergaben Andreas Solleder von der BI und Günther Kapphan ihr die 1105 Unterschriften, die sie gegen ein Amazon-Verteilzentrum und für mehr Transparenz bei Gemeinderatsbeschlüssen gesammelt hatten. Solleder erläuterte kurz nochmals den Grund für das Engagement der BI: Im Rahmen einer Veranstaltung während der Bürgermeisterwahl war es um soziale und ökologische Aspekte neuer Gewerbeansiedlungen gegangen. Kurz darauf wurden die Amazon-Pläne bekannt. „Es war uns klar, dass wir das nicht unkommentiert hinnehmen wollen“, so Solleder. „Uns war vor allem die mangelnde Transparenz der Entscheidung ein Dorn im Auge.“Es sei enttäuschend, dass die Ansiedlung in nicht-öffentlichen Sitzungen diskutiert und beschlossen wurde, und ebenso enttäuschend, dass der Gemeinderat danach nicht „das Gespräch nach außen“gesucht habe und sich „unisono ein Schweigegelübde auferlegt“habe. Während EMails unbeantwortet geblieben seien, hätte „ein Gemeinderat sich dann persönlich in den Sozialen Medien ausgelassen und mich persönlich und meine ehemaligen Schüler öffentlich diskreditiert“, sagte Solleder, der ehemals Rektor der Solwegschule war.
Indessen ging es Günther Kapphan und den Anwohnern der Steppachhalde vor allem um ihre Nachtruhe, wie er ausführte. „Bei einer kontinuierlichen LKW-Anlieferung von 22 bis 6 Uhr an sieben Tagen in der Woche wird diese massiv durch Lärm- und Luftverschmutzung gestört“, glaubt er. Kapphan bezweifelte auch, dass der Amazon-Verkehr zum Großteil nicht durch die Stadt fließen wird. „All das wurde in mehreren rechtswidrigen Nachtund Nebelaktionen zementiert“, stellte er fest und spielte damit auf das in der Gemeindeordnung verankerte Öffentlichkeitsgebot an.
Während das Thema im Gemeinderat am Montagabend nicht zur Diskussion stand, wies Susanne Irion dennoch darauf hin, dass es juristisch schwierig zu beurteilen sei, wo die Grenze zwischen Öffentlichkeit und berechtigten Interessen Einzelner liege. „Aber wir werden und wollen öffentlich und transparent mit dem Thema umgehen“, sagte sie mit Blick auf geplante Dialog- und Beteiligungsverfahren. Auf diese musste sie auch einen weiteren Trossinger verweisen, der entgegen des Bürgerfrageviertelstunde-Prinzips eine längere Stellungsnahme und Fragen an die BI mitgebracht hatte („Wie stellt sich die BI vor, dass Arbeitsplätze für Nicht-Akademiker geschaffen werden sollen?“).
Damit das Grundstück im Gewerbegebiet Greut, auf dem das Verteilzentrum entstehen soll, bebaut werden kann, sind nun ein vorhabenbezogener Bebauungsplan und eine Änderung des Flächennutzungsplans nötig. „Aufstellungsverfahren für Bebauungspläne sind im Kern immer Beteiligungsverfahren, an denen sich die Bürger durch Stellungnahmen beteiligen können“, so Irion. „Es war der Wunsch des Gemeinderats, dass die Beteiligung über das gesetzliche Minimum hinausgeht.“
Konkret bedeutet das, dass die Stadt am 2. und 3. März zwei Bürgerdialoge veranstalten wird. Jeweils 50 Gäste können teilnehmen, wenn nötig, sollen weitere Termine stattfinden, kündigte die Bürgermeisterin an. „Die Veranstaltungen werden auch aufgezeichnet, damit jeder von zuhause aus zuschauen kann.“Beim Bürgerdialog sollen der Werdegang des Projekts, das genaue Vorhaben und Argumente für den Grundstücksverkauf ebenso erläutert werden wie die Themen Verkehr, Lärm und Emmissionen. Mit Prof. Dr. Alfred Ruther-Mehlis aus Nürtingen soll auch ein Experte für Stadt- und Regionalentwicklung dabei sein.
Die Stadt plant zudem entsprechende Veranstaltungen für Gewerbetreibende Mitte März mit Fokus auf die Auswirkungen auf den Einzelhandel sowie für Landwirte Ende März, denen durch den Verkauf Flächen entzogen werden.
Irion betonte, dass Trossingen dabei nicht unter Zeitdruck stehen würde: Der Investor werde erst im April konkrete Pläne vorlegen, das Bebauungsplanverfahren kann erst danach starten. Hilmar Fleischer (FDP) hoffte, dass die Diskussionen zu Amazon mit den Dialogen nun nüchterner geführt werden. „Ich denke, das Vorhaben wird Brisanz aus dem Thema nehmen“, sagte er.
Clemens Henn (CDU) merkte am Ende der Sitzung an, dass er sich für seine Fraktion „strikt gegen den Begriff Schweigegelübde verwehre“. Diesen hatte die BI wiederholt mit Blick darauf verwendet, dass sich die Gemeinderäte lange nicht öffentlich zur Amazon-Ansiedlung geäußert hatten. Bis zur öffentlichen
Bekanntgabe des Grudnstücksverkaufs war ihnen dies auch rechtlich untersagt.