Illertisser Zeitung

Favorit in Nöten

Macron tut sich schwer im Wahlkampf gegen die Rechtspopu­listin Le Pen. Allerdings könnte ihm der Wirbel im Front National um Aussagen zu Naziverbre­chen zugutekomm­en

- VON BIRGIT HOLZER Libération (mit afp)

Sollte Emmanuel Macron gedacht haben, der Weg in den ÉlyséePala­st sei nur noch ein Spaziergan­g, dann hat er sich gründlich getäuscht. Nach seinem Erfolg in der ersten Runde der Präsidents­chaftswahl ist die Jubelstimm­ung schnell verflogen: Seine rechtspopu­listische Konkurrent­in Marine Le Pen setzt Macron hart zu, sein Wahlkampf ist nach der Wahlparty vom vergangene­n Sonntag nur schleppend wieder in Gang gekommen.

Bei vielen Franzosen wächst die Sorge, dass das Undenkbare Wirklichke­it werden könnte: eine Rechtspopu­listin an der Staatsspit­ze. Die linke Tageszeitu­ng

sah sich gar zu einem Weckruf genötigt: „Hey Manu, kommst du wieder runter?“titelte sie zu einem Foto von Macron in Siegerpose. Allzu triumphier­end hatte der 39-Jährige gewirkt, als er in der ersten Wahlrunde mit 24 Prozent vorne gelandet war. Dass er nach dem ersten Wahlgang in einem schicken Pariser Bistro mit Austern und Champagner feierte, war ein PR-GAU. Denn die entscheide­nde Stichwahl steht erst am 7. Mai an. Zwar sagen alle Umfragen einen klaren Sieg des soziallibe­ralen Reformpoli­tikers voraus, 60 Prozent oder mehr würde er demnach gegen Le Pen erzielen. Doch die Rechtspopu­listin ist eine gefürchtet­e Wahlkämpfe­rin.

Allerdings glückt auch ihr nicht alles. Es sollte ein taktischer Schachzug Marine Le Pens sein, um sich zu einer „staatsmänn­ischen“Statur zu verhelfen: Kurz nach der ersten Runde der französisc­hen Präsidents­chaftswahl legte sie bis auf Weiteres den Vorsitz ihrer Partei nieder. „Ab heute Abend bin ich die Kandidatin des Front National, die alle Franzosen um ein Projekt versammeln will“, verkündete die Rechtspopu­listin.

Ihr geht es darum, die Wählerbasi­s zu verbreiter­n, um gegen Macron möglichst viele Stimmen anderer Kandidaten einzusamme­ln, die die Stichwahl am 7. Mai nicht erreicht haben. Die Positionen des EU-Kritikers Nicolas Dupont-Aignan bei- spielsweis­e „liegen den unseren extrem nahe“, erklärte Le Pen in versöhnlic­hem Ton. Auch mit dem rechten Flügel der Republikan­er gebe es Kontakte.

Doch ausgerechn­et die Entscheidu­ng für Jean-François Jalkh als Interimspr­äsident der Partei zeigte die Grenzen dieser Strategie der Öffnung. Denn dieser fiel nicht nur dadurch auf, 1991 an der Seite von Marine Le Pens Vater Jean-Marie an der Gedenkfeie­r zum 40. Jahrestag von Marschall Pétain teilgenomm­en zu haben – jenes „Helden von Verdun“im Ersten Weltkrieg, der später als Chef des Vichy-Regimes mit den Nazis kollaborie­rte. Jalkh ist zudem in mehrere Affären der Partei verwickelt. Nun kam ein 2005 veröffentl­ichtes Interview zum Vorschein, in dem Jalkh die Verwendung des giftigen Gases ZyklonB in den Vernichtun­gslagern der Nazis anzweifelt­e. Es gebe zwei Sorten von Holocaust-Leugnern, theoretisi­erte er damals – die „Provokateu­re“und die „seriösen“wie ihn. Nach einem Gespräch mit einem Chemiespez­ialisten sei er zur Überzeugun­g gelangt, dass ein Massenmord mit Zyklon B „technisch unmöglich“sei.

Nun versichert­e der 59-Jährige, er habe „keinerlei Erinnerung“an das Interview. Trotzdem erklärte Louis Aliot, Vizepräsid­ent des Front National und Lebensgefä­hrte von Marine Le Pen, Jalkh wolle Klage einreichen und verzichte auf den Posten als Interimspr­äsident. Diesen übernimmt nun Steeve Briois, der in der Partei einflussre­iche Bürgermeis­ter der nordfranzö­sischen Stadt Hénin-Beaumont. Dort warf er Hilfs- und Menschenre­chtsorgani­sationen aus Gebäuden der Stadt und gründete eine Initiative „Meine Gemeinde ohne Migranten“.

Während das für wenig Aufruhr sorgt, schadet die Debatte um Jalkh dem Bild Le Pens im Wettlauf um Wählerstim­men mit Macron. Sollte sie im großen Stil Anhänger des Linkspopul­isten und EU-Kritikers Jean-Luc Mélenchon für sich gewinnen und viele Franzosen nicht zur Wahl gehen, gilt Le Pen aber nicht als chancenlos.

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Foto: Demarthon, afp Nach allen Umfragen wird der soziallibe­rale Reformpoli­tiker Emmanuel Macron am 7. Mai zum Präsidente­n gewählt. Doch es gibt auch Zweifel.

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