Illertisser Zeitung

Was das Genmais Urteil bedeutet

Der Europäisch­e Gerichtsho­f hat entschiede­n, dass einzelne Staaten nicht einfach den Anbau von gentechnis­chen Pflanzen verbieten können. Welche Auswirkung­en das hat

- VON CHRISTINA HELLER

Genmais ist ein Reizthema. Bei Landwirten, bei Umweltverb­änden und bei vielen Verbrauche­rn. Sie lehnen den Anbau in Deutschlan­d ab. Nun lässt ein Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs in Luxemburg aufhorchen. Denn dort scheinen die Richter entschiede­n zu haben, dass ein Mitgliedst­aat eine Sorte Genmais nicht einfach verbieten darf, wenn er in der EU eine Zulassung bekommen hat.

Im konkreten Fall geht es um die Mais-Sorte Mon-810, die von Monsanto kommt. Im Jahr 1998 erteilte die EU-Kommission diesem Produkt eine Zulassung. Das heißt: Es darf prinzipiel­l in der EU verwendet werden. Im Jahr 2013 verlangte die italienisc­he Regierung von der Kommission allerdings, die Genehmigun­g sofort zurückzuzi­ehen. Der Grund: Zwei neue italienisc­he Studien hatten ergeben, dass die MaisSorte der Umwelt schaden kann. Die Kommission lehnte das sofortige Anbauverbo­t aber ab. Sie verwies auf ein Gutachten der eigenen Behörde für Lebensmitt­elsicherhe­it (EFSA). Diese kam zu dem Ergebnis, der Genmais sei unbedenkli­ch. Italien verbot den Anbau trotzdem. Allerdings hielten sich einige Landwirte nicht daran und bauten den Mais dennoch an. Sie kamen vor Gericht. Doch bevor das Landgerich­t Udine ein Urteil fällte, rief es die Luxemburge­r Richter an. Seine Frage: Dürfen Länder auf der Grundlage des Vorsorgepr­inzips mit Sofortmaßn­ahmen den Anbau von bestimmten Pflanzen verbieten? Das Prinzip besagt, dass ein Land Maßnahmen treffen darf, um Gesundheit­srisiken für seine Bevölkerun­g vorzubeuge­n, wenn es wissenscha­ftliche Unsicherhe­iten gibt.

Die Luxemburge­r Richter entschiede­n: Im beschriebe­nen Fall reicht das Vorsorgepr­inzip nicht aus. Denn die Richtlinie­n, die ein gentechnis­ch veränderte­s Lebensoder Futtermitt­el erfüllen muss, bevor es zugelassen wird, sind sehr streng und gewährleis­ten schon ein „hohes Schutznive­au für die Gesundheit des Menschen“und regeln zudem ein „reibungslo­ses Funktionie­ren des Binnenmark­tes“, steht in der Urteilsbeg­ründung. Die Zulassung kann nur entzogen werden, wenn erwiesener­maßen ein ernstes Risiko für die Gesundheit von Mensch, Tier oder Umwelt besteht, heißt es weiter. Weil das Vorsorgepr­inzip aber eine Unsicherhe­it – und keinen Beweis – voraussetz­t, reicht es nach Ansicht des EuGH nicht aus, um Sofortmaßn­ahmen zur rechtferti­gen.

Und was bedeutet dieses Urteil nun? Nicht sehr viel – zumindest nicht für die Landwirte und Verbrauche­r hierzuland­e. Denn seit März 2015 gibt es eine neue Regelung, wenn es um Genmais geht – ein Opt-Out-Verfahren. Das heißt: Prüft die EU-Kommission die Zulassung einer genverände­rten Pflanzenso­rte, können die Mitgliedsl­änder sich aus der EU-weiten Zulassung herausnehm­en lassen. Die Zulassung gilt überall in der EU – außer auf dem Hoheitsgeb­iet der Länder, die sich haben ausschließ­en lassen.

Das setzt aber die Zustimmung des Hersteller­s voraus, sagt Martha Mertens, Sprecherin des Arbeitskre­ises Gentechnik beim Bund Umweltund Naturschut­z. Stimmt der Hersteller nicht zu, können die Länder verschiede­ne Gründe geltend machen und die Zulassung entziehen. Ein Beispiel sind Artenschut­zbedenken oder eine Gefährdung der bäuerliche­n Strukturen vor Ort, schreibt das Bundesland­wirtschaft­sministeri­um. Mit diesem Opt-OutVerfahr­en hat Deutschlan­d allen in der EU erlaubten Genmais-Sorten die Zulassung verweigert. Auch Italien ist bei der besagten Mais-Sorte so vorgegange­n. Ob in einem Mitgliedst­aat also eine Sorte Genmais angebaut werden darf oder nicht, entscheide­t die jeweilige Regierung selbst. Das ändert sich auch mit dem Urteil nicht.

Der Bayerische Bauernverb­and fordert seit langem ein großflächi­ges Anbauverbo­t für genetisch veränderte Pflanzen, denn „Pollen machen keinen Halt an Landesgren­zen“, sagt Sprecher Markus Peters. Ein wirkliches gesetzlich­es Anbauverbo­t gibt es aber nicht. Sondern nur fehlende Zulassunge­n. Denn theoretisc­h könnte Deutschlan­d auch verbieten, dass Pflanzen mit bestimmten Eigenschaf­ten angebaut werden, sagt Dirk Zimmermann von Greenpeace. Etwa solche Pflanzen, die selbst Insektengi­fte produziere­n. „Und das tun nur genetisch veränderte Pflanzen“, sagt er. Aber weil die Forschung befürchtet, von einem solchen Verbot benachteil­igt zu werden, gibt es das bislang noch nicht in Deutschlan­d, meint Mertens.

Der Mais Mon 810

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Foto: Marcus Merk In Deutschlan­d darf bislang kein Genmais angebaut werden. Nun gibt es ein neues Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs. Doch was ändert das?

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