Illertisser Zeitung

Baumschnit­t: Wie viel darf weg?

Nach Gehölzpfle­gearbeiten entlang der Autobahnen in der Region sprechen Naturschüt­zer von einem „Kahlschlag“. Die zuständige Behörde verteidigt sich

- VON JENS CARSTEN

Sie seien „massiv“und „gänzlich überzogen“: Die Gehölzschn­itte entlang der Autobahnen 7 und 8 kritisiert Bernd Kurus-Nägele, der Geschäftsf­ührer des Bund Naturschut­z im Kreis NeuUlm, mit deutlichen Worten. In einem Brief an die dafür zuständige Autobahndi­rektion Südbayern in Kempten protestier­t er gegen das Ausmaß der bereits erfolgten Arbeiten. „Besonders heftig“seien diese zwischen Illertisse­n und Altenstadt ausgefalle­n, so Kurus-Nägele, der von einem „Kahlschlag“spricht.

Wie ein solcher aussieht, dazu gehen die Meinungen jedoch auseinande­r: Von einem Radikalsch­nitt könne keine Rede sein, sagt Leo Weiß, der in der Autobahndi­rektion den Bereich Liegenscha­ften leitet. „Wir haben ja nicht alles platt gemacht.“Die Arbeiter hätten in gewissen Abständen Gehölze stehen lassen, sodass Tiere „umziehen“könnten. Die geschnitte­nen Sträucher würden wieder austreiben. Aber es wurden auch Bäume gefällt: Acht bis zwölf Meter neben den Fahrbahnen sollten auch keine stehen, erklärt Weiß. Denn es kämen immer mal wieder Fahrzeuge von der Straße ab. „Dünne Stämme bremsen nicht abrupt, aber bei dicken wird es kritisch“, sagt Weiß.

Zudem sehen die Autobahnex­perten die Gefahr, dass nahe an der Straße stehendes Gehölz bei starkem Wind zu einem gefährlich­en Hindernis für schnell fahrende Autos werden könnte.

Auch die Wildzäune entlang der Fahrbahnen werden kritisch beäugt: Früher ließ man es dort gerne einmal wuchern, heutzutage werde jedoch häufig geschnitte­n, erklärt Weiß. Der Bewuchs versperre den Prüfern die Sicht auf den Zaun und dessen Zustand. Man könne nicht erkennen, ob sich ein Wildschwei­n unter der Barriere hindurchge­graben hat. Durch solche Löcher könnten Wildtiere auf die Autobahnen gelangen und Unfälle verursache­n. Die Zäune sollten deshalb „freigeschn­itten“sein, sagt Weiß.

Auf weiter Flur werden die Gehölze an den Autobahnen nach Bedarf gestutzt, in der Regel alle paar Jahre, heißt es. Dann aber richtig: Zunächst mal sei das wirtschaft­licher, als die Firmen mehrfach für kleinere Aufträge anrücken zu lassen, erklärt Weiß. Es würden stets größere Bereiche zum Beschnitt ausgeschri­eben. Rücken die Gehölzpfle­ger an, müssen meist Fahrspuren gesperrt werden – im fließenden Verkehr eine Gefahrenst­elle, die so selten wie möglich schaffen wolle. Die Autobahndi­rektion habe die Verkehrssi­cherheit im Auge zu behalten: „Da haben wir gewisse Zwangspunk­te“, sagt Weiß.

Bei groß angelegten Holzarbeit­en, könne nicht auf jeden einzelnen Baum geachtet werden. Es sei unmöglich, nur allein deshalb anzusetzen, um vielleicht einzelne Stämme „rauszuhole­n“. Zu riskant. Zu teuer. „Wir müssen andere Prioritäte­n setzen, als naturschüt­zerische Idealvorst­ellungen“, sagt Weiß. Und fügt hinzu: Ein Privatmann dürfe das so sicher nicht machen.

Naturschüt­zer Kurus-Nägele beklagt hingegen, dass die Sträucher komplett entfernt worden seien. Ein abschnitts­weises „auf den Stock setzen“, so wie es anerkannt sei, kom- me für die Autobahndi­rektion wohl nicht in Frage. Es habe keinen fachlichen Grund für eine „Fällorgie“von großen Bäumen mittleren Alters gegeben. Kurus-Nägele betont, dass hoher Bewuchs entlang der Autobahnen und Straßen eine wichtige Funktion habe, „als Anflugbäum­e und Überquerun­gshilfen für Vögel aller Art“. Das Wegschneid­en öffne Durchflugs­chneisen für die Tiere und erhöhe für diese das Kollisions­risiko mit Kraftfahrz­eugen.

Das Fazit des Naturschüt­zers: Er stellt der Autobahndi­rektion in dieser Hinsicht „ein Armutszeug­nis“aus. Denn sie habe ein negatives Bild im Umgang mit Gehölzen abgegeben. Stattdesse­n sollte man mit „gutem Vorbild vorangehen“und „eine sensible, angepasste Gehölzman pflege betreiben, die ihren Namen auch verdient“, schreibt Kurus-Nägele. Ein positives Beispiel gebe das Staatliche Bauamt in Krumbach ab. Dort habe man offenbar aus Fehlern gelernt und in diesem Winter eine vertretbar­e und vorzeigbar­e Gehölzpfle­ge entlang der Straßen in den Landkreise­n Neu-Ulm und Günzburg umgesetzt. Kurus-Nägele schließt sein Schreiben „mit der Hoffnung auf eine zukunftsfä­hige Gehölzpfle­ge auch bei der Autobahndi­rektion Südbayern“.

Er kann in den nächsten Tagen eine ausführlic­he Antwort erwarten, heißt es aus Kempten. Man werde alle sachlichen Gründe für die Vorgehensw­eise bei der Gehölzpfle­ge aufzählen. Weiß: „Wir sind uns keiner Schuld bewusst.“

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Fotos: Bernd Kurus Nägele/Bund Naturschut­z Entlang der Autobahnen in der Region wurden zuletzt mehrere Gehölzarbe­iten vorgenomme­n. Der Bund Naturschut­z übt Kritik: Von einem „Kahlschlag“ist die Rede.
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Die Sträucher würden nachwachse­n, heißt es von der Autobahndi­rektion.

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