Baumschnitt: Wie viel darf weg?
Nach Gehölzpflegearbeiten entlang der Autobahnen in der Region sprechen Naturschützer von einem „Kahlschlag“. Die zuständige Behörde verteidigt sich
Sie seien „massiv“und „gänzlich überzogen“: Die Gehölzschnitte entlang der Autobahnen 7 und 8 kritisiert Bernd Kurus-Nägele, der Geschäftsführer des Bund Naturschutz im Kreis NeuUlm, mit deutlichen Worten. In einem Brief an die dafür zuständige Autobahndirektion Südbayern in Kempten protestiert er gegen das Ausmaß der bereits erfolgten Arbeiten. „Besonders heftig“seien diese zwischen Illertissen und Altenstadt ausgefallen, so Kurus-Nägele, der von einem „Kahlschlag“spricht.
Wie ein solcher aussieht, dazu gehen die Meinungen jedoch auseinander: Von einem Radikalschnitt könne keine Rede sein, sagt Leo Weiß, der in der Autobahndirektion den Bereich Liegenschaften leitet. „Wir haben ja nicht alles platt gemacht.“Die Arbeiter hätten in gewissen Abständen Gehölze stehen lassen, sodass Tiere „umziehen“könnten. Die geschnittenen Sträucher würden wieder austreiben. Aber es wurden auch Bäume gefällt: Acht bis zwölf Meter neben den Fahrbahnen sollten auch keine stehen, erklärt Weiß. Denn es kämen immer mal wieder Fahrzeuge von der Straße ab. „Dünne Stämme bremsen nicht abrupt, aber bei dicken wird es kritisch“, sagt Weiß.
Zudem sehen die Autobahnexperten die Gefahr, dass nahe an der Straße stehendes Gehölz bei starkem Wind zu einem gefährlichen Hindernis für schnell fahrende Autos werden könnte.
Auch die Wildzäune entlang der Fahrbahnen werden kritisch beäugt: Früher ließ man es dort gerne einmal wuchern, heutzutage werde jedoch häufig geschnitten, erklärt Weiß. Der Bewuchs versperre den Prüfern die Sicht auf den Zaun und dessen Zustand. Man könne nicht erkennen, ob sich ein Wildschwein unter der Barriere hindurchgegraben hat. Durch solche Löcher könnten Wildtiere auf die Autobahnen gelangen und Unfälle verursachen. Die Zäune sollten deshalb „freigeschnitten“sein, sagt Weiß.
Auf weiter Flur werden die Gehölze an den Autobahnen nach Bedarf gestutzt, in der Regel alle paar Jahre, heißt es. Dann aber richtig: Zunächst mal sei das wirtschaftlicher, als die Firmen mehrfach für kleinere Aufträge anrücken zu lassen, erklärt Weiß. Es würden stets größere Bereiche zum Beschnitt ausgeschrieben. Rücken die Gehölzpfleger an, müssen meist Fahrspuren gesperrt werden – im fließenden Verkehr eine Gefahrenstelle, die so selten wie möglich schaffen wolle. Die Autobahndirektion habe die Verkehrssicherheit im Auge zu behalten: „Da haben wir gewisse Zwangspunkte“, sagt Weiß.
Bei groß angelegten Holzarbeiten, könne nicht auf jeden einzelnen Baum geachtet werden. Es sei unmöglich, nur allein deshalb anzusetzen, um vielleicht einzelne Stämme „rauszuholen“. Zu riskant. Zu teuer. „Wir müssen andere Prioritäten setzen, als naturschützerische Idealvorstellungen“, sagt Weiß. Und fügt hinzu: Ein Privatmann dürfe das so sicher nicht machen.
Naturschützer Kurus-Nägele beklagt hingegen, dass die Sträucher komplett entfernt worden seien. Ein abschnittsweises „auf den Stock setzen“, so wie es anerkannt sei, kom- me für die Autobahndirektion wohl nicht in Frage. Es habe keinen fachlichen Grund für eine „Fällorgie“von großen Bäumen mittleren Alters gegeben. Kurus-Nägele betont, dass hoher Bewuchs entlang der Autobahnen und Straßen eine wichtige Funktion habe, „als Anflugbäume und Überquerungshilfen für Vögel aller Art“. Das Wegschneiden öffne Durchflugschneisen für die Tiere und erhöhe für diese das Kollisionsrisiko mit Kraftfahrzeugen.
Das Fazit des Naturschützers: Er stellt der Autobahndirektion in dieser Hinsicht „ein Armutszeugnis“aus. Denn sie habe ein negatives Bild im Umgang mit Gehölzen abgegeben. Stattdessen sollte man mit „gutem Vorbild vorangehen“und „eine sensible, angepasste Gehölzman pflege betreiben, die ihren Namen auch verdient“, schreibt Kurus-Nägele. Ein positives Beispiel gebe das Staatliche Bauamt in Krumbach ab. Dort habe man offenbar aus Fehlern gelernt und in diesem Winter eine vertretbare und vorzeigbare Gehölzpflege entlang der Straßen in den Landkreisen Neu-Ulm und Günzburg umgesetzt. Kurus-Nägele schließt sein Schreiben „mit der Hoffnung auf eine zukunftsfähige Gehölzpflege auch bei der Autobahndirektion Südbayern“.
Er kann in den nächsten Tagen eine ausführliche Antwort erwarten, heißt es aus Kempten. Man werde alle sachlichen Gründe für die Vorgehensweise bei der Gehölzpflege aufzählen. Weiß: „Wir sind uns keiner Schuld bewusst.“