Tristan und Isolde
es wie bei den Erwachsenen ernsthaftere und Unterhaltungsliteratur. Aber was da passiert, ist unglaublich. Die enorme Bandbreite wollen wir auch auf unserem Jugendliteraturfestival zeigen.
Wie genau?
So kommt zum Beispiel Kirsten Fuchs, Preisträgerin des Jugendliteraturpreises aus dem letzten Jahr. Oder Julya Rabinowich: Das ist eine anerkannte Literatin, die jetzt Jugendliteratur schreibt. Auf Jochen Schmidt freue ich mich wahnsinnig. Er hat mit „Schneckenmühle“ein tolles Coming-of-Age-Buch geschrieben, bei dem ich froh bin, dass er damit zu uns kommt. Schon seit längerem schreiben anerkannte Autoren gute Jugendbücher, das macht es so interessant. Aber eben keine mit dem erhobenen Zeigefinger.
Ist denn für eine Jugend-Bibliothekarin Joanne K. Rowling eine Säulenheilige? Hat sie Türen für eine neue Literatur geöffnet?
Sicher. Für die etwas Jüngeren. Und vor allem für die Jungs sind die Harry-PotterRomane so wichtig. Die kriegt man tatsächlich ein wenig schwerer zum Lesen. Für Buben ist Rowling wichtig, aber auch die „Warrior Cats“-Reihe.
Mit den unzähligen Bänden.
Genau. Davon gibt’s Bücher rauf und runter. Aber auch die Jungs lesen sie. Danach geht’s mit den Autoren für Leser ab 14 Jahren weiter – genau das Publikum für mein Jugendliteraturfestival. Wir beginnen ab 14 – das ist das Besondere.
Man unterstellt ja, dass die Jüngeren nur an ihren Handys oder an ihren Games kleben. Denen muss eine Bibliothek nicht unbedingt entgegen kommen?
Warum nicht? Das ist eine Form der Unterhaltung oder Kommunikation miteinander. Wir haben aber unser eigenes Programm, auf das wir stolz sein können: Es ist der Print-Bestand, der tatsächlich sehr gut nachgefragt wird. Ist es eine muffelige Gruppe? Was Lesungen angeht, ist es oft schwer, sie zu mobilisieren. Dann kam ich auf die Idee mit dem Event – etwas Größeres, bei dem die jungen Leute sich freuen, weil es nur für sie gedacht ist. „Ab 14“heißt ja auch, dass man dort nicht unbedingt die Älteren – und nicht die Kleineren – trifft. Es ist ein Festival für junge Leute „unter uns“– mit einer Party am Anfang und am Ende. Wir hatten auch schon Workshops, einen Poetry Slam und Kino mit im Programm. Ich hab bislang mit den verschiedensten Elementen experimentiert.
Sind nicht junge Leser in diesem Alter manchmal ein bisschen zu ehrfürchtig, wenn sie es mit einem „echten“Autor zu tun bekommen?
Wenn sie auf ihn bei uns auf Augenhöhe treffen und ganz zwanglos mit ihm sprechen können, dann sind sie meistens total begeistert. Zumal viele Vortragende eine Show bieten – und die Zuhörer mit einbeziehen. Da sind unsere jungen Leute ganz nah dabei – und fragen und fragen. Die Veranstaltungen kommen super an. Benedikt Wells 2015 war ein wunderbarer Autor – weil er so toll auf die Jungen zugehen kann. Man muss nur das große Glück haben, die Richtigen zu finden.
Viele Schüler in der Altersklasse sind ja stärker durchgetaktet als Manager. Sind Fußball-Vereine die natürlichen Feinde der Bücher-Vermittler?
Kann man nicht so sagen. (lacht) Es gibt ja auch Fußball-Bücher. Viele Jüngere wissen einfach noch gar nicht, wie viel Freude ihnen Lesungen machen können.
Was macht denn eine Lesung aus Ihrer Sicht so besonders?
Aus der Sicht der Bibliothek machen wir Lesungen schon allein wegen der Bestandspräsentation: Die jungen Leute sehen einfach, was wir haben – und was sie bei uns kriegen können. Für uns sind die Lesungen zudem wichtig, um ums in der Öffentlichkeit bekannt zu machen und sichtbar zu sein. Doch was bringen die Lesungen den Kids? Sie können sich hier mit Gleichgesinnten treffen – und zwar in der Freizeit. Plötzlich befindet man sich unter lauter gleichgesinnten Literaturfreaks – und die gibt es ja in allen Altersklassen.
Man hat über Lieblingsbücher ein gemeinsames Thema.
Natürlich. Und man kann sich in der freien Zeit treffen und darüber diskutieren. Ansonsten gibt es ja nur noch in manchen Buchhandlungen so etwas wie Leseclubs für Jugendliche. Doch das Allerwichtigste bei unseren Lesungen ist: Die jungen Leute können live begreifen, dass Literatur mehrere Dimensionen hat – einfach, weil der Autor vor Ort ist. Jugendliche nehmen Literatur sonst sehr stark lediglich auf der Handlungsebene wahr.
Was passiert, ist das Entscheidende.
Eben. Bei unseren Lesungen erleben sie aber noch viel mehr: Der Autor gibt eine Auswahl zum Besten und präsentiert seinen Text auf eine bestimmte Art. Damit will er neugierig auf sein Buch machen.
Verständlich.
Gleichzeitig interpretiert er das Vorgelesene. Und zwar durch die Stimme, die Intonation, dadurch, dass er eine Tendenz in den Text legt – von lustig bis traurig oder was immer man sich vorstellen mag. Außerdem gibt er den Figuren Leben. Oft liest man Bücher danach ganz anders. Und außerdem kommentiert der Autor meistens auch noch seinen Text. Wenn ein Moderator dabei ist, antwortet er sogar auf Fragen, die ziemlich „tricky“sind. So kommt wirklich etwas Neues zustande – über den reinen Text hinaus. Es geht mir darum, wie spannend Literatur sein kann. Ich denke, das kommt manchmal in den Schulen fast zu kurz.
Sehr verdienstvoll. Trotzdem halsen Sie sich ja neben der normalen Bibliotheksarbeit nun schon im vierten Jahr außergewöhnlich viel Planungsarbeit auf. Wie viel Vorbereitungszeit – und Schwitzen – braucht denn eigentlich so ein einwöchiges Jugendliteraturfestival?
Ich mache ja zum Glück nicht zum ersten Mal Literaturveranstaltungen. Schon in München habe ich bei der Studentenbibliothek viele Lesungen mitorganisiert – etwa die Reihe „Authors crossing“, die „junge Wilde“präsentierte . Außerdem hatte ich mit den „Kellergeistern“auch unter anderem noch eine eigene Lesereihe – in Kooperation mit dem Institut für Germanistik. Wie viel Kraft mich das Festival hier in Pullach kostet, ist nicht ganz leicht zu sagen, weil ich tatsächlich „neben“meiner zeitraubenden Leitungs-Verwaltungsarbeit mit dem Bestandsaufbau für Sachbuch, Belletristik und Jugendbuch ja auch die Erwachsenenveranstaltungen, PR und vieles mehr mache. Aber für das diesjährige Festival habe ich schon im Herbst September/ Oktober angefangen. Diesmal ging’s schon ein bisschen leichter, aber die Endphase wird nochmal qualvoll stressig, befürchte ich ...
Und dann aber doch erfüllend. Hoffentlich.
Selbstverständlich! Sobald ein Festival durch ist, freue ich mich schon wieder auf das nächste. Und das wird wie immer noch vielseitiger.