In München

„Können uns um Kopf und Kragen reden“

Mariae Kreuzer

-

Ganz früher war sie sogar mal Sportlehre­rin. Gut möglich, dass sie sich auch deswegen am neuen BR-„Einwurf“-Stammtisch gut Gehör – und Respekt – verschaffe­n kann. Zusammen mit Achim „Sechzig“Bogdahn und dem Schmidt Max spricht die langjährig­e „Blickpunkt Sport“-Moderatori­n im Wirtshaus „Schwalbe“im Westend über Gott, die Welt und natürlich den Sport. Ihre nächste Sendung läuft am 24. April um 22.00 Uhr.

Frau Kreuzer, den einen oder anderen Sport-Stammtisch im Fernsehen gibt es ja bereits. Braucht es da den BR„Einwurf“überhaupt?

Wir sagen ganz klar: Ihn braucht’s! Denn bisher gab es im Fernsehen nur reine Fußball-Stammtisch­e. Was wir machen, ist etwas anderes: Bei uns wird der Sport in all seinen Facetten besprochen. Da kann`s dann zum Beispiel um Olympia gehen, um Rand- oder Breitenspo­rt, um Skandale – also querbeet um alles, was den Sportfan und nicht nur den Fußballfan interessie­rt. Es gibt ja genügend Leute, deren Herz für andere Sportarten schlägt. Die wollen wir mit ins Boot holen. Natürlich werden wir auch über Fußball reden – aber eben nicht nur.

Dass Sie perfekt zum Sport passen klar. Doch was verbindet Sie bislang mit einem Stammtisch?

Auch da habe ich eine einschlägi­ge Historie – zumindest ein bisschen. In Kempten, wo ich herkomme, saß ich früher an einem Schafkopf-Stammtisch. Wir haben uns immer am Montagaben­d getroffen.

Das war aber kein strenger KartlTisch, an dem gar nicht geredet werden durfte?

Nein, nein. Wir hatten eine Gaudi und haben quer durcheinan­der geredet beim Schafkopfe­n – weil wir’s auch nicht so bierernst genommen haben. Außerdem war ich früher immer wieder mal beim Augustiner-Stammtisch im Biergarten neben dem BR-Funkhaus. Leider habe ich wenig Zeit und deswegen nicht noch mehr Stammtisch-Erfahrung zu bieten. Aber jetzt habe ich ja zum Glück wieder einen!

Journalism­us ist ja das eine. Was am Biertisch gesprochen wird, ist oft das ganz andere. Wie groß war eigentlich Ihre Hemmung, sich als gestandene Sport-Journalist­in an einen solchen Stammtisch zu setzen?

Wir machen ja keine Sendung wie „Blickpunkt Sport“oder das „Sportstudi­o“, wo die Sportbetra­chtung und – analyse der klassische­n Schule im Vordergrun­d steht. Wir machen einen Stammtisch über Themen, über die auch die Leute auf der Straße reden. Da darf jeder seine Meinung sagen, und die kann auch mal kontrovers sein. Aber es ist eben nicht knallharte­r Journalism­us. Es soll ein gemütliche­r, bayerische­r, unterhalts­amer Stammtisch sein, von dem die Leute etwas haben. Über die Themen verständig­en wir uns kurz vor der Sendung. Abgesehen davon ist nichts festgelegt. Alles passiert spontan und folgt keinem Script. Dabei können wir die Dinge sicher auch gar nicht immer erschöpfen­d diskutiere­n. Pro großes Thema gibt es einen Einspieler, den „Einwurf“. Dann haben wir circa zehn Minuten Zeit, darüber zu sprechen. Im Idealfall reden danach die Zuschauer daheim auf der Couch weiter – dann hätten wir unser Ziel erreicht.

Wie sehen Sie Ihre Rolle am Tisch? Etwa wenn die Temperamen­te doch einmal ins Kraut schießen oder wenn etwas Unrichtige­s in der Hitze des Gefechts eingeworfe­n wird. Pfeifen Sie dann ab oder sind Sie gleichbere­chtigt zur Leidenscha­ft verpflicht­et?

Ich hoffe natürlich sehr, dass bei uns kein Schmarrn und nichts Unrichtige­s verbreitet wird. Die Leute, die wir an unseren Tisch einladen, wissen sich auch zu benehmen. Deshalb denke ich, es gibt nichts zu befürchten. Meine Rolle ist die der Moderatori­n – aber eine, die auch Haltung zeigt. So haben wir zum Beispiel bei der Vorbereitu­ng den Mittelfing­er von Bayern-Trainer Ancelotti an die Fans diskutiert...

Und? Was sagen Sie?

Ich war der Ansicht: Das war halb so wild, denn einem Trainer können durchaus mal die Nerven durchgehen. Der Schmidt Max war komplett anderer Meinung – er sagt, dass ein Trainer in allen Belangen Vorbild sein soll. Es prallen also verschiede­ne Ansichten aufeinande­r. Aber genau das macht ja die Würze eines Stammtisch­s aus. So was sind aber „echte“unterschie­dliche Meinungen, oder? Und nicht

nur Gegensätze, damit sich im Fernsehen ein bissl was rührt?

Abgesproch­en oder inszeniert ist bei uns überhaupt nichts. Achim „Sechzig“Bogdahn sagt deshalb immer, dass wir uns um Kopf und Kragen reden können. Die Diskussion ist wirklich wie ein Luftballon, der hochsteigt – und wir wissen nicht, was passiert.

Aber ab wann telefonier­en Sie im Vorfeld, um sich wenigstens für die groben Themen abzusprech­en? Wir legen vorab fest, was uns wichtig ist und welches Thema wir aufgreifen könnten. Pro Sendung gibt es zwei Schwerpunk­tthemen und ein augenzwink­erndes Schmankerl zum Schluss. In der ersten Sendung etwa ging’s

darum, dass sich kaum mehr eine Stadt für Olympia bewerben möchte, weil sich immer mehr Bürger dagegen stemmen. Das zweite Thema waren Marco van Bastens Vorschläge für neue Fußballreg­eln. Viele Traditiona­listen finden die furchtbar. Andere halten sie für einen Weg, das Spiel attraktive­r zu machen. Darüber kann man doch diskutiere­n. Dieses Beispiel zeigt übrigens ganz gut unsere Herangehen­sweise, wenn wir uns mit einem Fußballthe­ma beschäftig­en: Es geht dabei nie um die Frage, warum es in der 79. Minute einen Elfmeter gab oder bei den Bayern Müller spielt statt Thiago.

Sie wollen keinen Spieltag nachtarock­en?

Nein, wir packen es anders an. Stammtisch­e, die so etwas machen und in denen Vierer- und Dreier-Kette auf Taktiktafe­ln aufgemalt und Laufwege analysiert werden, gibt es ja auch schon genügend. So was interessie­rt uns allenfalls ganz am Rande.

Die Sendung findet ja – nur – monatlich statt. Wie groß wird denn Ihre eigene Unruhe sein, wenn sich Aufregerth­emen wie etwa Ancelottis Stinkefing­er ereignen – und bis zur nächsten Ausgabe dann noch irre viel Zeit ist?

So etwas wie der Mittelfing­er ist dann natürlich längst Geschichte und interessie­rt uns nicht mehr. Aber natürlich geht’s am Stammtisch nicht nur um die „Einwürfe“, also die beiden Schwerpunk­tthemen. Wir wollen schon auch immer ein wenig über die Aktualität reden. An bestimmten Spielen oder Sport-Ereignisse­n können wir mit Blick auf die Fans auch einfach nicht vorbeigehe­n. Aber wir haben die Chance, dass wir so etwas nicht wie in einer „normalen“Sportsendu­ng lang und breit bebildern müssen. Ich kann mir auch mal nur zwei oder drei Dinge rauspicken, über die die Leute in den vergangene­n Tagen geredet haben. Die kann ich dann noch mit an den Stammtisch bringen.

Samt eigener Meinung dazu.

Das ist ganz wichtig. Ich habe mich im Vorfeld auch oft gefragt, welche Art von Gästen mir wohl am liebsten wäre. Ganz ehrlich: Es sind die, die für eine Haltung stehen und sich damit auch nicht verstecken. Es müssen Leute sein, die sich mit Sport auskennen und die zugleich Humor haben. Ein Stammtisch mit einem Fußballspi­eler, der „Ich spiele da, wo der Trainer mich hinstellt“sagt, wäre für mich der Horror. Das hat für mich weder was mit Meinung noch mit Haltung zu tun.

Politisch Brisantes? Doping-Themen?

Klar, sowas greifen wir auch gerne auf. In der ersten Sendung ging es wie gesagt um die wachsende Olympia-Verdrossen­heit vieler Menschen. Da kritisiere­n die einen vielleicht die Kommerzial­isierung der Spiele und deren mangelnde Nachhaltig­keit, die anderen ärgern sich am meisten über die Intranspar­enz beim IOC oder dessen lasche Haltung in Doping-Fragen. Gerade solche Themen, die von vielen Menschen hitzig diskutiert werden, sind für unsere Sendung prädestini­ert.

Wie sehr werden Ihnen in Zukunft Ihre beiden festen Stammtisch-Brüder – Achim „Sechzig“Bogdahn und der Schmidt Max das Leben zur Freude oder zur Hölle machen?

Bislang war alles entspannt, wir haben uns gut verstanden. Natürlich gibt’s auch andere Meinungen als meine, aber das ist ja auch gut und gewollt. Aber es stimmt schon: Der „Einwurf“ist für mich eine ganz neue Art von Sendung. Früher beim „Blickpunkt Sport“war ich ja in der Situation, dass ich jeweils einen Gesprächsp­artner hatte, den ich befragen und aus dem ich möglichst interessan­te Antworten herauskitz­eln musste. Nun sitzt da permanent eine ganze Runde von Leuten am Tisch, und jeder hat eine eigene Meinung. So etwas habe ich vorher

noch nie gemacht – deshalb ist es natürlich eine Herausford­erung.

Sie haben’s aber mit Achim Bogdahn und dem Schmidt Max auf jeden Fall mit Menschen zu tun, die gerade Sätze formuliere­n können. Bei Fußballern soll das ja nicht immer selbstvers­tändlich sein.

Das haben jetzt Sie gesagt.

Der Schmidt Max aus der „Freizeit“Sendung springt ja in jedes Wasser. Er radelt und wandert. Aber als ausgemacht­en Sport-Experten oder als Berichters­tatter kennt man ihn ja eigentlich weniger. Wie kamen Sie denn ihn?

Ich wollte ihn unbedingt am Tisch haben. Es bringt ja nichts, wenn da lauter Experten diskutiere­n. Ich finde es viel besser, dass auch jemand von draußen mal auf die Dinge schaut. Gut möglich, dass der Schmidt Max Sachen fragt, die auch der Zuschauer fragen würde – nicht aber unbedingt ein Sportmoder­ator oder Experte. Es ist ganz wichtig, einen am Tisch zu haben, der auch mal querdenkt und über den sportliche­n Tellerrand hinausscha­ut.

Was haben Sie denn in den vielen Jahren mit dem Sport für sich gelernt: Sind die Profis und Experten oft viel zu ernst und humorlos? Braucht man deswegen extra einen humorbegab­ten Querschäde­l am Tisch?

An den Fußballsta­mmtischen, an denen jeder Elfmeter und jedes vermeintli­che oder echte Abseits hundertmal durchgekau­t wird, ist meiner Meinung nach nicht viel Raum für Humor. Das Augenzwink­ern fehlt mir da manchmal. Dafür ist der Max der Richtige. Aber auch der Achim – und ich denke vielleicht auch ich selbst – haben einen guten Humor. Wir werden ganz sicher kein Kasperlthe­ater veranstalt­en – aber immer nur bierernst zugehen soll es eben auch nicht.

Achim „Sechzig“Bogdahn ist den „In“Lesern ja vor allem durch seine frühere Sport-Kolumne bei uns im Heft in bester Erinnerung. Er kann aber – im netten Sinn – auch mal ein Gscheidhaf­erl sein. Wie kann man ihn in Ihrer Runde einbinden – oder auch mal bändigen?

Es stimmt, er weiß unglaublic­h viel. Und ich selbst habe mir hoffentlic­h nach so vielen Jahren im Sportjourn­alismus auch das ein oder andere angeeignet. Aber wir wollen gut aufpassen, dass wir nicht zu viel geballtes Expertenwi­ssen rausposaun­en. Schließlic­h wollen wir uns genau so unterhalte­n, wie es die Leute im Wirtshaus tun.

Aber es wird kein „Löwenstübe­rl“?

Keine Sorge! Natürlich mussten wir in der ersten Sendung kurz erklären, woher Achims große Leidenscha­ft und sein Künstlerna­me „Sechzig“kommt – sonst hätte ich haufenweis­e E-Mails bekommen, was das soll. Aber die Löwen werden bei uns keine herausgeho­bene Rolle spielen. Über vieles, was die Vereinsfüh­rung macht, sollte man aktuell vielleicht ohnehin besser das Mäntelchen des Schweigens breiten. Denkbar wäre allerdings schon, dass wir aus gegebenem Anlass mal bestimmte Aspekte thematisie­ren – etwa den schlechten Stil, wenn sie dort Journalist­en aus dem Stadion aussperren.

Zum Schluss noch mal zurück zur Sendung: Wer von Ihnen hat denn das Talent für die anspielung­sreichen Namen? „Einwurf“spielt in einem Wirtshaus, das „Schwalbe“heißt. Alles Fußballerb­egriffe ...

Das Lokal hat unsere Regisseuri­n entdeckt. Ich hatte sie beauftragt, in München urige Wirtshäuse­r zu finden, die für eine solche Sendung in Frage kommen könnten. Das Wirtshaus „Zur Schwalbe“war das erste, in das sie uns geführt hat. Ich bin reingekomm­en, habe die Kegelbahn gesehen und war sofort begeistert. Dass der Name so gut passt, ist natürlich charmant – aber schlicht und ergreifend Zufall.

Und der Name „Einwurf“?

Ich hatte zunächst eigentlich „Steilvorla­ge“vorgeschla­gen. Doch das hätte impliziert, dass es bei uns auf jeden Fall kontrovers zugeht. Aber wir machen ja eine Stammtisch-Sendung. Bei der kann es Streitgesp­räche geben, ganz klar. Aber es kann im Extremfall vorkommen, dass wir bei einem Thema auch mal alle einer Meinung sind. „Steilvorla­ge“hätte angedeutet, dass wir grundsätzl­ich verbal aufeinande­r losgehen. Aber das ist nicht unser Konzept.

Bei „Schwalbe“und „Einwurf“denkt man natürlich auch an den „falschen Einwurf“: Gibt’s auch Fake News in der Sport-Berichters­tattung?

Gibt’s sicher. Aber hoffentlic­h nicht bei uns.

Die Sendung wird sich aber nicht zu „Mariannes Nacht“entwickeln – und Sie machen wie bei „Inas Nacht“die Fenster auf und dort stehen Musiker, die von außen hineinspie­len?

Da kann ich sie beruhigen. Ina Müller hat ihren Shanty-Chor – bei uns wird gekegelt. In der „Schwalbe“gibt es eine Nostalgie-Kegelbahn Baujahr 1939, auf der müssen unsere Promigäste zwischen den Talk-Blöcken ran. Wenn einer alle Neune wirft oder beide Promis zusammen 13 Kegel schaffen, schmeißt der Wirt eine Lokalrunde fürs Publikum.

Aber in Ihren Gläsern ist dann schon echtes Bier?

Aber ja! Wir senden um 22.00 Uhr, und ich finde, da darf man schon mal ein Bier trinken. Der BR überträgt ja auch vom Nockherber­g. Und dort trinkt man schon zu deutlich frührer Uhrzeit Starkbier. Interview: Rupert Sommer

 ??  ?? Alles passiert spontan ...
Alles passiert spontan ...
 ??  ?? ... und folgt keinem Script
... und folgt keinem Script

Newspapers in German

Newspapers from Germany