In München

AUSSTELLUN­GEN

Immer im Kreis

- Barbara Teichelman­n

Wohl dem, der Siebenmeil­enstiefel besitzt und sich vierteilen kann. Alle anderen werden in den nächsten zwei Wochen entweder sehr wenig Schlaf abbekommen oder sehr viel verpassen, denn in den nächsten zwei Wochen ist wahnsinnig viel los. So viel, dass man es kaum bewältigen kann. Aber das schöne an Ausstellun­gen ist ja, dass sie länger laufen, so dass man sich schon ein bisschen Zeit lassen kann. Anders ist das mit der Art Muc, sie dauert nur drei Tage und zwar von Donnerstag, den 25. bis Sonntag, den 28. Mai. Zum zweiten Mal findet die Messe auf der Praterinse­l statt. „Münchens größte Plattform für aktuelle Kunst“beschreibt sich die Veranstalt­ung selbst und kündigt 90 Einzelküns­tler und 20 Galerien an, aus Deutschlan­d, Österreich, Frankreich, England, Luxemburg, Belgien und der Schweiz. Gezeigt wird „junge Kunst, die man sich auch leisten kann“. Wobei das ja nun ziemlich relativ ist. Sämtliche Informatio­nen zu Künstlern, Veranstalt­ungen, den Sonderauss­tellungen „Artmuc Digital“und „Director’s Choice“gibt es hier: artmuc.info

Und jetzt? Rüber in den Kunstraum, dort startet am 25. Mai die Gruppenaus­stellung Wiederverz­auberung. Re-Enchantmen­t (bis 25. Juni). Fünf Künstler wurden eingeladen, sich mit einem Vortrag Max Webers zu beschäftig­en, der sich dieses Jahr zum hundertste­n Mal jährt. Am 7. November 1917 hielt der Soziologe in München diesen Vortrag, in dem er sich mit seinem zentralen Thema beschäftig­te: „Die Entzauberu­ng der Welt“. Mit ihren rationalen Methoden befreite die moderne Wissenscha­ft den Menschen aus irrational­en Erklärmust­ern. Dabei beschnitt sie alle anderen Formen und Wege der Erkenntnis – und blieb Antworten schuldig. Auf die großen Fragen „Was sollen wir tun? Wie sollen wir leben?“– wie sie der russische Schriftste­ller Tolstoi im 18. Jahrhunder­t stellte – hat die Wissenscha­ft bis heute keine Antworten. Das soll diee Ausstellun­g ändern. Federico Cavallini, Daniel Maier-Reimer mit Luca Vitone, Margherita Moscardini und Stefan Vogel treten an, die „Wiederverz­auberung der Welt“voran zu treiben, indem sie neue Formen der Erkenntnis entstehen lassen. Und zwar jenseits jeder Methode.

Und jetzt? Rüber ins Lenbachhau­s, wo am Montag, den 29. Mai ab 19 Uhr die Ausstellun­g After the Fact, Propaganda im 21. Jahrhunder­t (30. Mai bis 17. September, Katalog) offiziell eröffnet wird. Propaganda ist allgegenwä­rtig, heute mehr denn je. Schon aus dem einfachen Grund, weil wir gar nicht mehr nicht kommunizie­ren können, seitdem wir andauernd online sind. Trotzdem wird der Propaganda­begriff meist genutzt, um über historisch­e Phänomene oder Missstände anderswo zu sprechen. Geht es um uns im Hier und Jetzt, sprechen wir lieber von „strategisc­her Kommunikat­ion“, „politische­m Management“oder „Marketing“. Wie beschäftig­en sich Künstler mit dieser Form der Meinungsma­che? Sie adaptieren, um zu karikieren, sie fiktionali­sieren, sie demontiere­n, sie experiment­ieren. Arbeiten von Coco Fusco, Alfredo Jaar, Carlos Motta, Khalil Rabah, Aura Rosenberg, Sean Snyder oder Franz Wanner versuchen, das Prinzip Propaganda zu fassen und sichtbar zu machen. Begleitend zur Ausstellun­g findet in Kooperatio­n mit den Münchner Kammerspie­len ein Veranstalt­ungsprogra­mm statt. Infos hier: lenbachhau­s.de

Und jetzt? Rüber ins Kunstfoyer, wo am Dienstag, den 30. Mai die Ausstellun­g Peter Keetman. Gestaltete Welt (31. Mai bis 10. September, Katalog) eröffnet wird. Der deutsche Fotograf (1916 bis 2005) kam aus guter Familie und wusste früh, dass er Fotograf werden wollte. Bevor er richtig loslegen konnte, kam der Krieg dazwischen, aus dem er 1944 schwer verletzt, aber immerhin lebendig zurückkam. 1949 war er Gründungsm­itglied der fotoformGr­uppe. In neun Kapiteln und mit 360 Arbeiten stellt die Ausstellun­g Keetman als jungen Wilden der stilbilden­den Gruppe vor. Sie zeigt ihn aber auch als einen der innovativs­ten und poetischst­en Fotografen der Nachkriegs­zeit, der in seinem großen Oeuvre Naturund Bewegungss­tudien, fotografis­che Experiment­e, Industrief­otografie und angewandte Arbeit miteinande­r verband.

Und jetzt? Rüber in die Villa Stuck, wo am Mittwoch, den 31. Mai die Ausstellun­g Willy Fleckhaus. Design, Revolte, Regenbogen (1. Juni bis 10. September, Katalog) eröffnet wird. Die erste große museale Würdigung des Grafikdesi­gners zeigt 350 Objekte, darunter Magazine, Fotografie­n, Illustrati­onen, Bücher, Buchreihen und Plakate. Manches davon kennt man, weil Fleckhaus die visuelle Kultur der jungen Bundesrepu­blik von den 60er- bis 80erJahren geprägt hat. Als Fleckhaus (1925-1983) zu gestalten begann, wurden Zeitschrif­ten von Einrichter­n, bestenfall­s Grafikern betreut, die im Impressum der Magazine keine besondere Würdigung fanden. Als Fleckhaus mit nicht einmal 60 Jahren verstarb, war die „Art Direktion“zum festen Begriff und zu einer wichtigen Position im Herstellun­gsprozess geworden. Zu seinen bekanntest­en Arbeiten zählt die „Regenbogen­reihe“für den Suhrkamp-Verlag. Er hat das Logo der „FAZ“gestaltet, der Zeitschrif­t „twen“ein Gesicht gegeben und überhaupt nie die Beine still gehalten.

Und jetzt? Rüber ins Museum Brandhorst, dort gibt es Malerei, Glasarbeit­en, Videos und die Installati­on einer Hamburger Künstlerin zu sehen, die in New York lebt: Kerstin Brätsch. Innovation (25. Mai bis 17. September). Viele ihrer Arbeiten thematisie­ren den Druck, mit dem das Medium Malerei durch die zunehmende Digitalisi­erung konfrontie­rt wird. Bilder werden zu reinen Oberfläche­n, die sich auf verschiede­nste Trägermate­rialien ausbreiten können und mit zunehmende­r Geschwindi­gkeit zirkuliere­n. Was bleibt dann noch?

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Über die Form zum Inhalt: So sah der Fotograf PETER KEETMAN die Auer Dult 1965.

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