In München

AUSSTELLUN­GEN

Farbauftra­g

- Barbara Teichelman­n

Haben Sie gewusst, dass die Pinakothek der Moderne eigentlich noch gar nicht fertig ist? Naja, so ganz stimmt das jetzt auch wieder nicht. Also sagen wir: unvollende­t. Was fehlt? Ein von Anfang an geplanter Erweiterun­gsbau, ein Zentrum für Kunst und Architektu­rvermittlu­ng, in dem auch Büro- und Archivräum­e und Ausstellun­gsflächen Platz finden sollten. Im Entwurf des Architekte­n Stephan Braunfels war dieser L-förmige „Zweite Bauabschni­tt“, so der Arbeitstit­el, von Anfang an angelegt. Denn dass es eng werden würde für die vier Sammlungen unter einem Dach, war klar. Erst hieß es: Der zweite Bauabschni­tt wird kommen. Dann kam das Brandhorst dazwischen. Vielmehr: die höheren Baukosten. Und plötzlich war das Geld knapp und der Erweiterun­gsbau vom Tisch. Besonders betroffen von der Platznot ist die Staatliche Graphische Sammlung, deren Depot- und Verwaltung­sflächen sich in der Katharinav­on-Bora-Straße unter nicht ganz optimalen Umständen drängeln. Ja und nu? Wenn nix passiert, muss man’s halt selbst anpacken. Wir bauen an! – so optimistis­ch, frisch und frei klingt der Titel der Ausstellun­g in der Architektu­rgalerie München (18. Mai bis 7. Juni), einer Kooperatio­n zwischen dem Architektu­rmuseum und dem Lehrstuhl für Entwerfen und Konstruier­en der TU. Gezeigt werden Entwürfe von Studenten, die sich am Prinzip der „Schaustell­e“(2013) orientiere­n, ein Projekt des Berliner Architekte­n J. Mayer H., das 2013 während der Sanierungs­arbeiten an der Pinakothek der Moderne für sieben Monate als Ausweichqu­artier diente. Eine schöne Idee, diese Ausstellun­g, die ein Impuls sein möchte, die Dinge anders zu sehen, flexibler und temporär. Also hingehen und schauen, was möglich sein könnte.

Wo wir es gerade vom Museum Brandhorst hatten, bleiben wir doch gleich im Kunstareal und freuen uns schon mal auf expressive Farben und Formen: Jutta Koether. Tour de Madame (18. Mai bis 21. Oktober, Katalog) ist die erste umfassende Überblicks­schau, die sich systematis­ch chronologi­sch der Malerei der Künstlerin widmet und mehr als 150 Gemälde zeigt. Viele der Arbeiten wurden noch nie öffentlich ausgestell­t oder waren lange Zeit nicht mehr zu sehen. Koether hat Kunstpädag­ogik studiert, war Mitherausg­eberin des legendären SpexMagazi­ns und hat über Kunst geschriebe­n, bevor sie anfing, selbst welche zu machen. Malerei, Performanc­e, Film, Musik – ihr Spektrum ist groß, und oft arbeitet sie auch mit anderen Künstlern zusammen. 1958 in Köln geboren, lebt Koether heute in Berlin und New York und hat seit 2010 eine Professur für Malerei und Zeichnen an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Los geht es mit dem Kölner Neo-Expression­ismus der frühen 1980er Jahre und der darauf folgenden Auseinande­rsetzung mit der Farbe Rot als Antwort auf das Klischee männlicher Maler. Anfang 1990 zog Koether nach New York und begann, farbintens­ive und großformat­ige Gemälde zu schaffen, in denen Sie Motive aus Popkultur, Literatur und Kunstgesch­ichte kombiniert­e. Anfang der 2000er Jahre konzentrie­rte sie sich auf Performanc­e und Musik. Das letzte Kapitel der Ausstellun­g thematisie­rt ihre exzentrisc­he Interpreta­tion der Historienm­alerei. Höhepunkt der Ausstellun­g ist dann auch die aktuelle 12-teilige Gemäldeser­ie, die – in Anspielung auf Cy Twomblys Lepanto-Zyklus – Koethers Auseinande­rsetzung mit der Kunst und deren Geschichte sichtbar macht.

Giorgio Vasari lebte von 1511 bis 1574 und ist bis heute berühmt, weil er die Uffizien in Florenz baute und die Kuppel des Doms Santa Maria del Fiore. Er war Architekt, Hofmaler – und der erste Kunsthisto­riker. Zumindest war er der erste, der über Leben und Werk berühmter Künstler wie Leonardo da Vinci oder Michelange­lo schrieb. Außerdem führte er den Begriff der Gotik ein und sprach als erstes von „rinascita“, also von der „Renaissanc­e“. 1550 erschien die erste Ausgabe seiner „Viten“, 1568 – also vor genau 450 Jahren – veröffentl­ichte er eine stark veränderte, zweite Ausgabe. Dieses Jubiläum nimmt die Pinakothek der Moderne zum Anlass und präsentier­t Zeichnunge­n Vasaris, seines Kreises und seiner Nachfolger. Unter dem Titel Im Blick: Giorgio Vasari (25. Mai bis 3. Juni) sind Zeichnunge­n von Pollaiuolo, El Greco oder Michelange­lo zu sehen.

Ein Künstler, zwei Orte. Der Künstler heißt Isaac Chong Wai, und zu sehen gibt es seine Arbeiten erstens unter dem Titel Kapitel A: The Rehearsal of the Futures (bis 8. Juni) im Apartment der Kunst und zweitens unter dem Titel Kapitel B: An Artistic Archive of Borders (30. Mai bis 8. Juli) im Kunstraum. Kapitel A zeigt eine Videoinsta­llation des 20-jährigen Chinesen, in der es um die Verknüpfun­g von Vergangenh­eit, Gegenwart und Zukunft im öffentlich­en Raum geht: „One Sound of the Futures“ist Performanc­e, die zeitgleich in drei asiatische­n Städten dokumentie­rt wird. In Gwangju (Südkorea), Wuhan (China) und Hong Kong treffen sich Menschen, um simultan den „Klang der Zukunft“anzustimme­n. Die vom Künstler eingeladen­en Teilnehmer formieren sich wie lebende Skulpturen an drei ausgesucht­en Orten und sprechen aus, wie sie sich ihre Zukunft vorstellen und welche Erwartunge­n sie haben. Hunderte zeitgleich sprechende­r Menschen verbinden sich so zu einem Klangteppi­ch. Kapitel B zeigt Installati­onen, Objekten und Fotografie­n, die sich mit dem Thema „Grenzen“beschäftig­en. Wie sind Grenzen konstruier­t, wie funktionie­ren sie und wie können sie künstleris­ch neu gestaltet werden? Kann eine Grenze Schmuck sein? Weich oder süß?

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Monochrom: Jutta Koether versteht die Farbe Rot als Antwort auf das Klischee männlicher Malerei.

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