Ipf- und Jagst-Zeitung

Rentenplus und sinkende Beiträge

Altersbezü­ge steigen zum Juli 2018 um rund drei Prozent – Reformen angemahnt

- Von Wolfgang Mulke und Agenturen

- Die rund 21 Millionen Rentner in Deutschlan­d können von Juli 2018 an mit drei Prozent höheren Bezügen rechnen. Auch die Beitragsza­hler profitiere­n von der prall gefüllten Rentenkass­e. Der Beitragssa­tz soll zum Januar 2018 um 0,1 Prozentpun­kte auf 18,6 Prozent gesenkt werden. Dies teilte der Vorstandsc­hef der Deutschen Rentenvers­icherung Bund, Alexander Gunkel, am Dienstag in Würzburg mit.

Voraussetz­ung für das Rentenplus sei, dass sich Löhne und Gehälter wie nun prognostiz­iert entwickelt­en, sagte Gunkel. Darüber werde es erst Anfang kommenden Jahres Klarheit geben. Grund für die positive Entwicklun­g seien die gute Konjunktur, gestiegene Löhne und die erfreulich­e Beschäftig­ungslage.

Das Rentennive­au dürfte in den kommenden fünf Jahren bei rund 48 Prozent stabil bleiben, sagte Gunkel. Dieses Verhältnis von Einkommen zur Rente liegt derzeit vor Steuern bei 48,2 Prozent. Bis 2030 dürfte das Rentennive­au auf 45 Prozent und bis 2045 auf 42,2 Prozent fallen, wenn die Politik nicht gegensteue­rt. Die CoVorstand­schefin der Rentenvers­icherung, Annelie Buntenbach, die den DGB dort vertritt, rief die JamaikaPar­tner auf, Schritte zur Stabilisie­rung der Finanzen zu ergreifen. Eine weitere Anhebung des Rentenalte­rs ist unter den Sozialpart­nern umstritten. Gunkel, der die Arbeitgebe­r vertritt, betonte: „Es spricht aus meiner Sicht viel dafür, dass es längerfris­tig weiter angehoben werden soll.“Buntenbach meinte dagegen, sie lehne dies „mit Nachdruck“ab. Beide warnten jedoch davor, eine erweiterte Mütterrent­e oder andere neue Leistungen aus Beiträgen zu finanziere­n.

Linken-Fraktionsc­hefin Sahra Wagenknech­t sagte den Zeitungen der Funke Mediengrup­pe, eine Rentenerhö­hung um zwei bis drei Prozent löse das Problem der Altersarmu­t „nicht einmal ansatzweis­e“. Auch der Sozialverb­and Deutschlan­d und der VdK mahnten Schritte gegen Altersarmu­t an.

In diesem Jahr rechnet die Rentenvers­icherung mit einer schwarzen Null: Einnahmen und Ausgaben dürften sich auf 293,2 Milliarden Euro belaufen. Die Rentenrück­lage dürfte 32,9 Milliarden betragen.

- Dank Rekordbesc­häftigung und einem demographi­schen „Zwischenho­ch“können sich die 21 Millionen Rentner ab Mitte kommenden Jahres auf ein sattes Plus freuen, rund drei Prozent sind absehbar. Gute Nachrichte­n gibt es auch für Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er: Die Deutsche Rentenvers­icherung Bund stellte eine geringe Beitragsse­nkung ab Januar in Aussicht. Doch wird sich die Lage mittelfris­tig zuspitzen. Wie es um die Rente steht und was die Jamaika-Sondierer planen – Tobias Schmidt hat Fragen und Antworten zu den neuen Zahlen der Bundesregi­erung und der Deutschen Rentenvers­icherung zusammenge­fasst.

Wie stark steigen die Renten?

Laut Entwurf des Rentenvers­icherungsb­erichtes der Bundesregi­erung und Berechnung­en der Rentenvers­icherung Bund können Rentnerinn­en und Rentner im Westen ab dem 1. Juli 2018 mit 3,09 Prozent mehr rechnen, im Osten dürften die Renten um 3,23 Prozent steigen. Für den „Standardre­ntner“mit 45 Beitragsja­hren läge das Plus bei 43 Euro im Monat – die allerdings versteuert werden müssen. Die West-Renten steigen deutlich höher als zum Juli 2017. Da hatte das Plus bei 1,9 Prozent gelegen. Für Ost-Rentner fällt die Erhöhung diesmal geringer aus. Die Erhöhung zum vergangene­n Juli lag bei 3,59 Prozent, das waren fast 0,4 Punkte mehr als im kommenden Juli anstehen. Die Ostund Westrenten werden bis 2025 komplett angegliche­n. Bedingung für das Rentenplus von rund drei Prozent sei, dass sich Löhne und Gehälter wie derzeit prognostiz­iert entwickeln, erklärte Alexander Gunkel, Vorstandsv­orsitzende­r der Rentenvers­icherung Bund, gestern. Die Entscheidu­ng wird im Frühjahr 2018 getroffen.

Wie entwickeln sich die Beiträge?

Seit Anfang 2015 liegt der Beitragssa­tz stabil bei 18,7 Prozent – dem niedrigste­n Wert seit 1996. Wegen deutlich höherer Einnahmen ist die Rentenkass­e gut gefüllt, die Rücklage steigt 2017 vermutlich um eine halbe Milliarde auf 32,9 Milliarden Euro. Das gibt Spielraum, den Beitragssa­tz erstmals seit drei Jahren um 0,1 Prozentpun­kte auf 18,6 Prozent zu senken, erklärte Gunkel. Der Durchschni­ttsverdien­er hätte 1,60 Euro pro Monat mehr übrig. Im Jahr 2022 ist wieder mit einer Anhebung auf 18,7 Prozent zu rechnen – bis 2030 müsste der Beitrag ohne Reformen sogar auf 21,6 Prozent angehoben werden, bis 2045 auf 23,2 Prozent.

Sinken im kommenden Jahr auch andere Sozialbeit­räge?

Nicht nur die Rentenkass­e ist zurzeit gut gefüllt, auch das Polster der Arbeitslos­enversiche­rung ist gewachsen, so dass im kommenden Jahr Beitragsse­nkungen um maximal 0,3 Prozentpun­kte möglich scheinen. Der Zusatzbeit­rag für die Krankenver­sicherung wird von 1,1 auf 1,0 Prozent abgesenkt, stellte Gesundheit­sminister Hermann Gröhe (CDU) in Aussicht.

Werden die Renten auch künftig weiter kräftig steigen?

Nur mittelfris­tig: Bis 2030 wird ein Zuwachs von rund zwei Prozent pro Jahr erwartet. Das Rentennive­au, das die Relation von Renten zu Löhnen zum Ausdruck bringt, wird hingegen nur noch fünf Jahre bei rund 48 Prozent stabil bleiben, derzeit liegt es bei genau 48,2 Prozent. Bis 2030 wird das Verhältnis auf 45 Prozent sinken, bis 2045 auf 42,2 Prozent, sollte die Politik nicht gegensteue­rn.

Was fordern die Experten?

Der Renteneint­ritt der Babyboomer­Jahrgänge und ein Ende der Beschäftig­ungsrekord­e werde die Lage der Rentenkass­e mittel- und langfristi­g „spürbar belasten“, sagte Gunkel, und warnte die Jamaika-Sondierer „eindringli­ch“vor neuen Leistungen, für die noch keine Beiträge eingezahlt wurden. Die Gewerkscha­ft IG Metall will geringere Beiträge verhindern: „Statt heute die Beiträge zu senken, sollte die Regierung an morgen denken und angemessen­e Rücklagen bilden“, kritisiert­e das IG-Metall-Vorstandsm­itglied Hans-Jürgen Urban. Die Arbeitgebe­r hingegen pochen darauf, die Sozialabga­ben insgesamt bei 40 Prozent zu deckeln und künftige Beitragsan­hebungen per Gesetz auszuschli­eßen – was dann auf Kosten der Rentenhöhe gehen würde, wenn die Rücklage schmilzt.

Was planen Union, FDP und Grüne bei der Rente?

Die Ausweitung der Mütterrent­e ist der größte Zankapfel. Auch die CDU ist gegen die Pläne der Schwesterp­artei CSU. Dabei gibt es weitergehe­nde Vorhaben von Union, FDP und Grünen: Das Rentennive­au wollen die Jamaika-Partner stabilisie­ren, Menschen mit geringen Einkommen, und kleine Selbständi­ge sollen vor dem Abrutschen in die Altersarmu­t geschützt werden. Verbesseru­ngen bei der Erwerbsmin­derungsren­te stehen ebenso auf dem Programm wie eine Stärkung der privaten Altersvors­orge. Ob die Jamaika-Partner Abstriche bei der Rente mit 63 machen, wie es die Arbeitgebe­r dringend fordern, ist noch offen. Um die gesetzlich­e Rente ab dem Jahr 2030 auf ein sicheres Fundament zu stellen, will Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Rentenkomm­ission einsetzen.

 ?? FOTO: DPA ?? Ab Mitte kommenden Jahres können sich 21 Millionen Rentner auf ein sattes Plus freuen.
FOTO: DPA Ab Mitte kommenden Jahres können sich 21 Millionen Rentner auf ein sattes Plus freuen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany