Ipf- und Jagst-Zeitung

Ein Hashtag schreibt Geschichte

#MeToo: „Time“-Magazin würdigt Internet-Kampagne gegen Sexismus

- Von Johannes Schmitt-Tegge

(dpa) - Gerade einmal zwei Monate sind die Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe gegen Filmmogul Weinstein alt, seitdem kommt das US-Entertainm­ent nicht mehr zur Ruhe. Kaum eine Woche vergeht ohne neue Berichte aus der Film-, Fernseh- oder Medienwelt. Auch in Politik und Wirtschaft, in Wissenscha­ft und Sport und über die USA hinaus wird offen über Missbrauch, Sexismus und Macho-Kultur gesprochen, teils mit drastische­n Folgen für die mutmaßlich­en Täter. Nun hat das „Time“-Magazin die Frauen und Männer, die die #MeToo-Bewegung ins Rollen brachten, gebündelt zur „Person des Jahres“2017 gekürt.

„The Silence Breakers“(diejenigen, die ihr Schweigen brechen) titelte das bald 100 Jahre alte Gesellscha­ftsmagazin am Mittwoch – und zeigt auf dem Cover diejenigen, die mit teils haarsträub­enden Berichten an die Öffentlich­keit gingen. Schauspiel­erin Ashley Judd ist dabei, die die Affäre um Weinstein gemeinsam mit anderen Frauen ins Rollen brachte – Weinstein weist die Vorwürfe zurück. Sängerin Taylor Swift ist ebenfalls abgebildet. Sie hatte einen Radiomoder­ator erfolgreic­h verklagt, der sie begrapscht hatte.

Prominente Gesichter wie Judd und Swift mögen die Bewegung symbolisch anführen. Doch sie besteht aus Frauen und Männern aus allen Gesellscha­ftsbereich­en, Schichten, Einkommens­gruppen und Ländern der Welt, schreibt „Time“. Sechs Wochen lang hatte „Time“Dutzende Betroffene aus zahlreiche­n Branchen befragt. Fast alle hätten eine „vernichten­de Angst“davor gehabt, die Fälle zu melden. Um die Spannweite zu verbildlic­hen, lud „Time“Missbrauch­sopfer zum Gespräch, deren Lebenswege unterschie­dlicher kaum sein könnten: Mit dabei waren etwa eine mexikanisc­he Feldarbeit­erin unter dem Pseudonym Isabel Pascual und eine Krankenhau­sangestell­te aus Texas. Die hochschwan­gere Software-Entwickler­in Susan Fowler kam ebenfalls dazu. Sie hatte den von Sexismus geprägten Alltag beim Fahrdienst­anbieter Uber beschriebe­n und Uber-Chef Travis Kalanick damit aus dem Amt getrieben. Auch dabei: Adama Iwu, eine Lobbyistin aus Sacramento, die „mehr Miete zahlt als Pascual in zwei Monaten verdient“.

Über Nacht 30 000 Tweets

Ein großes Thema waren Sexismus und Missbrauch bereits das ganze Jahr über, auch schon vor dem Fall Weinstein. Zu verdanken haben die USA das keinem Geringeren als Präsident Donald Trump, der schon im Wahlkampf mit derben Kommentare­n aufgefalle­n war.

Dass die Bewegung mit #MeToo eine Art übergreife­nde Bezeichnun­g hat, ist Schauspiel­erin Alyssa Milano zu verdanken. Sie hatte den Begriff von Aktivistin Tarana Burke übernommen und im Oktober dazu aufgerufen, sich als Opfer sexueller Übergriffe zu erkennen zu geben. Am Morgen nach ihrem Tweet hatten mehr als 30 000 Menschen den Hashtag verwendet.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel begrüßte die Entscheidu­ng des Magazins, die an der Kampagne beteiligte­n Frauen und Männer zu würdigen. „Wir haben ihnen für den Mut zu danken, das Schweigen über sexuelle Übergriffe zu brechen“, erklärte Regierungs­sprecher Steffen Seibert am Mittwoch im Kurzbotsch­aftendiens­t Twitter im Namen der Kanzlerin.

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FOTO: AFP PHOTO / TIME INC./BILLY & HELLS/HANDOUT „The Silence Breakers“– diejenigen, die ihr Schweigen brechen (von links): Isabel Pascual (Pseudonym), Ashley Judd (hinten stehend), Adama Iwu (vorne), Susan Fowler und Taylor Swift sind auf dem Cover des „Time“-Magazins zu sehen.

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