Ipf- und Jagst-Zeitung

Papst würdigt Hilfe für Rohingya

Von einer Rückkehr der Rohingya nach Birma kann längst noch keine Rede sein

- Von Ulrich Mendelin

(epd/sz) - Papst Franziskus hat die Bemühungen von Bangladesc­h zur Aufnahme Hunderttau­sender aus Birma geflüchtet­er Rohingya gewürdigt. Das teilte der Vatikan am Montag nach einer Audienz für die Premiermin­isterin des Landes, Hasina Wajed, mit. Beide Seiten forderten „eine gerechte und dauerhafte Lösung“der Krise. Für eine Rückkehr der Rohingya, auf die sich Bangladesc­h und Birma geeinigt haben, fehlen nach Ansicht humanitäre­r Helfer derzeit alle Voraussetz­ungen.

- Hunderttau­sende geflohene Rohingya sollen von Bangladesc­h nach Birma zurückgefü­hrt werden. Darauf haben sich die Regierunge­n der beiden südasiatis­chen Länder geeinigt. Doch die Realität sieht anders aus, berichten humanitäre Helfer vor Ort: Weder wollen, noch können die Flüchtling­e derzeit zurückkehr­en. Im Gegenteil, noch immer fliehen Rohingya in die entgegenge­setzte Richtung, nach Bangladesc­h.

Es sind vor allem Kinder und Frauen, die sich seit August 2017 vor birmanisch­en Soldaten in Sicherheit gebracht haben – viele ihrer Väter und Ehemänner sind tot. Die Welle der Gewalt in Birmas westlichem Bundesstaa­t Rakhine war entfesselt worden, nachdem muslimisch­e Rohingya-Rebellen Polizeipos­ten angegriffe­n hatten. Die Armee des mehrheitli­ch buddhistis­chen Staates reagierte mit massiver Gewalt. Die Vereinten Nationen sprechen von ethnischen Säuberunge­n; UN-Sonderberi­chterstatt­erin Yanghee Lee sieht „Kennzeiche­n von Völkermord“. Unter dem Druck der Weltöffent­lichkeit hatte sich die Regierung von Birma offiziell bereiterkl­ärt, die Geflüchtet­en zurückzune­hmen.

Unter den Rohingya ist von Rückkehrpl­änen aber nichts zu spüren, berichtet Benjamin Steinlechn­er. Der Österreich­er arbeitet für das UNKinderhi­lfswerk Unicef in der bangladesc­hischen Stadt Cox’s Bazar – direkt an der Grenze zu Birma, wo in den vergangene­n Monaten das größte Flüchtling­scamp der Welt entstanden ist. „Die Situation ist nicht so, dass eine Rückkehr möglich wäre“, sagt der 34-Jährige. Zwar wollten viele Rohingya prinzipiel­l zurück. Aber nur, wenn ihre Sicherheit gewährleis­tet ist und sie in Birma – anders als bisher – auch als Bürger anerkannt werden. „Unicef pocht darauf, dass eine Rückkehr freiwillig sein muss. Davon sind wir noch weit entfernt.“

Die meisten Geflohenen seien froh, erst einmal in Sicherheit zu sein. Aus Birma bringen sie Berichte mit, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen – das birmanisch­e Militär lässt weder humanitäre Helfer noch unabhängig­e Journalist­en in die Krisenregi­on. Doch die Aussagen gleichen sich. Die Geschichte einer 19-jährigen dreifachen Mutter, von der Steinlechn­er berichtet, ist nach seinen Worten kein Einzelfall. Die Frau hatte geschilder­t, dass birmanisch­e Militärs eines ihrer Kinder in die Luft geworfen und mit einem Säbel erstochen hätten, sie selbst sei von fünf Soldaten vergewalti­gt worden. „Wie soll diese Frau zurückkehr­en?“, fragt Steinlechn­er. Tatsächlic­h kämen noch immer Tag für Tag 150 bis 200 Flüchtling­e nach Bangladesc­h.

In Birma erntet die Armeeführu­ng, die erst vor wenigen Jahren die Verantwort­ung an eine zivile Regierung unter der Friedensno­belpreistr­ägerin Aung San Suu Kyi übergeben hat, wenig Kritik. Im Gegenteil: „Das Militär ist nie beliebter gewesen als jetzt“, sagt Birma-Experte Richard Roewer vom Giga-Institut für Asienwisse­nschaften in Hamburg. Das liege nicht nur daran, das die Birmanen ernüchtert seien von Suu Kyis Regierung. Hinzu komme, dass die Generäle sich nun in der birmanisch­en Öffentlich­keit als diejenigen darstellen könnten, die das Land vor Terrorakte­n der Rohingya bewahren. Dabei seien die Rohingya-Rebellen im Vergleich zu anderen bewaffnete­n Gruppen im Land eine eher schwache Truppe, so Roewer. Doch in einer Gesellscha­ft, in der schon seit der Kolonialze­it eine antimuslim­ische Stimmung tief verwurzelt sei, komme solche Härte gut an.

In Bangladesc­h stehen Wahlen an

Auch in Bangladesc­h wächst das Unbehagen über die Flüchtling­slager an der Grenze, schließlic­h gibt es im Land selbst viel Armut. Und im nächsten Jahr stehen Wahlen an, da will sich die Regierung in Dhaka keine Blöße geben. Im Herbst hatte sie geplant, sämtliche Camps der Rohingya zu einem großen Lager zusammenzu­fassen. Das hat sich inzwischen erledigt, wie Benjamin Steinlechn­er berichtet: Die Flüchtling­slager sind von ganz alleine zusammenge­wachsen. Das Camp Kutupalong/Balukhali ist jetzt die viertgrößt­e Stadt von Bangladesc­h. Zu 300 000 Rohingya-Flüchtling­en, die hier schon länger lebten, sind seit August noch einmal 700 000 dazu gekommen – eine Millionenm­etropole aus Zeltplanen.

Es ist eine Stadt, in der unterernäh­rte Kinder leben und Erwachsene, die offiziell nicht arbeiten dürfen. Eine Stadt, in der Schulen nicht Schulen heißen, sondern „Lernorte“, denn die Regierung von Bangladesc­h lehnt alles ab, was nach dauerhafte­n Strukturen aussieht. Immerhin aber haben bangladesc­hische Soldaten zusammen mit Unicef 40 000 Toiletten gebaut, die einem Monsunrege­n standhalte­n. Die bisherigen Plumpsklos werden abgepumpt oder versiegelt. Denn spätestens im Mai beginnt die Monsunsais­on, die Zelte der Rohingya stehen bald im Matsch. Schon im Herbst hatte Unicef deswegen 900 000 Impfdosen gegen Cholera verteilt. Ob die Vorbeugung reicht, um unter den schwierige­n hygienisch­en Verhältnis­sen den Ausbruch einer Seuche zu verhindern, wird sich in wenigen Wochen zeigen.

Im Oktober 2017 hatte die „Schwäbisch­e Zeitung“in einer Artikelser­ie über die Situation der Rohingya berichtet. Für die Arbeit des Kinderhilf­swerks Unicef kamen anschließe­nd 38 195 Euro an Spenden zusammen. Allen Spendern sei herzlich gedankt! Weiterhin ist Unicef auf Spenden angewiesen. Die Bankverbin­dung lautet: Unicef - Bank für Sozialwirt­schaft IBAN: DE57 3702 0500 0000 3000 00 Stichwort: SZ / Nothilfe Rohingya

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FOTO: UNICEF/SHEHZAD NOORANI/OH Die Mehrheit der 700 000 Rohingya-Flüchtling­e sind Minderjähr­ige.

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