Ipf- und Jagst-Zeitung

„Reichsbürg­er machen uns extrem viel Arbeit“

Staatsanwa­ltschaft Ellwangen stellt Jahresstat­istik vor – Zahl der Ermittlung­sverfahren auf Zehn-Jahres-Hoch

- Von Franz Graser

- Trotz dünner Personalde­cke und steigender Fallzahlen ist die Ellwanger Staatsanwa­ltschaft eine der schnellste­n in Württember­g. Die durchschni­ttliche Dauer der Ermittlung­sverfahren liegt erheblich unter dem Schnitt des Bezirks der Stuttgarte­r Generalsta­atsanwalts­chaft. Sorgen macht den Staatsanwä­ltinnen und -anwälten die steigende Komplexitä­t der Verfahren, etwa im Drogenmili­eu. Auch die Reichsbürg­er sorgen für viel Mühe.

Personell sei die Ellwanger Staatsanwa­ltschaft heute besser aufgestell­t als im Jahr 2016, sagte der leitende Oberstaats­anwalt Andreas Freyberger bei der traditione­llen Jahrespres­sekonferen­z. Die Zahl der Staats- und Amtsanwält­e sei im vergangene­n Jahr um zwei Kräfte auf nunmehr 25 aufgestock­t worden. Dennoch bleibt die Personalde­cke nicht zufriedens­tellend: „Auf Köpfe herunterge­rechnet hätten wir 2017 rund fünf weitere Vollzeitst­ellen im Dezernente­nbereich gebraucht“, bemerkt der Oberstaats­anwalt. Dennoch ist Freyberger dem Stuttgarte­r Justizmini­sterium sehr dankbar: „Wir sind sehr froh, dass wir diese beiden Kollegen bekommen haben, und sind guter Hoffnung, dass wir in absehbarer Zeit nochmals zwei weitere Stellen hinzugewin­nen können. Zugesagt ist es uns.“

Zusätzlich­e Kräfte braucht es, weil die Zahl der Ermittlung­sverfahren zugenommen hat. Mit 20 524 neu eröffneten Ermittlung­sverfahren gegen bekannte Beschuldig­te ist 2017 der höchste Stand seit 2008 erreicht worden. Mit 13 784 Fällen ist die Zahl der Ermittlung­en gegen Unbekannt im Jahr 2017 im Vergleich zu 2016 zwar etwas zurückgega­ngen, sie bewegt sich aber immer noch auf einem sehr hohen Niveau.

Darüber hinaus gestalten sich die Verfahren immer komplizier­ter. Das zeige sich zum Beispiel bei Ermittlung­en im Drogenmili­eu, die einen sehr hohen Aufwand erforderte­n, wie der Pressespre­cher der Staatsanwa­ltschaft, Armin Burger, erläuterte. Hier seien die Täter immer häufiger im sogenannte­n Darknet unterwegs oder benutzten Handys und SIM-Karten jeweils nur einoder zweimal. In die Netze der Dealer seien außerdem immer mehr Personen eingebunde­n. Oft reichten die Kontakte auch bis ins Ausland, was die Ermittlung­en zunehmend erschwere.

Höchststan­d bei offenen Verfahren

Oberstaats­anwalt Freyberger verdeutlic­hte den Druck, der auf den Staats- und Amtsanwält­en lastet, mit dem Hinweis, dass pro Tag jeweils acht Verfahren abgeschlos­sen werden müssen, um mit den neu beginnende­n Ermittlung­en Schritt halten zu können. Die Zahl der offenen Verfahren hatte Ende 2017 mit 2246 einen Höchststan­d markiert. Allerdings gehören die Ellwanger Staatsanwä­ltinnen und -anwälte zu den schnellste­n in Württember­g. Bis ein durchschni­ttliches Ermittlung­sverfahren abgeschlos­sen sei, dauere es in Ellwangen 40,37 Tage. Die Verfahrens­dauer im gesamten Bezirk der Generalsta­atsanwalts­chaft Stuttgart liege mit einem Mittelwert von 53,32 Tagen erheblich darüber.

Oberstaats­anwalt Freyberger hob hervor, dass die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r der Staatsanwa­ltschaft trotz dieser Belastung immer noch bereit seien, sich jenseits des Tellerrand­es zu engagieren. Vier geben zum Beispiel auf ehrenamtli­cher Basis Rechtskund­eunterrich­t für Flüchtling­e in der Ellwanger Landeserst­aufnahmest­elle (LEA) oder an Volkshochs­chulen. Auf Nachfrage zu den Erfahrunge­n mit den LEA-Bewohnern sagte Freyberger: „Die LEA spielt für uns keine signifikan­te Rolle.“Es gebe zwar auch dort Verfahren, aber nicht in besorgnise­rregendem Umfang.

Es komme aber vor, dass Flüchtling­e bei ihrer Anhörung sagten, dass sie in ihrem Heimatland ein schweres Verbrechen begangen hätten, räumte Freyberger ein. Das könne eine Schutzbeha­uptung sein, um eine Abschiebun­g zu verhindern, weil den Geflüchtet­en in ihrer Heimat die Todesstraf­e drohe. Es könne aber auch stimmen. Dies nachzuprüf­en sei sehr schwierig, sagte der stellvertr­etende Pressespre­cher Jens Weise, denn den deutschen Behörden stehe „als einziges Beweismitt­el“der Asylbewerb­er selbst zur Verfügung.

„Extrem viel Arbeit“machen den Staatsanwä­ltinnen und -anwälten die sogenannte­n Reichsbürg­er. „Es ist ganz schwierig, mit dieser Klientel umzugehen“, sagte Freyberger. Es gebe zwar im Bezirk keine ausgeprägt­e Reichsbürg­erszene, die Zahl der Fälle nehme aber in den letzten drei bis vier Jahren zu. Zu den Gepflogenh­eiten dieser Leute gehöre es, die Faxgeräte tagelang mit ellenlange­n Schriftsät­zen lahmzulege­n, die teilweise nicht lesbar seien. Die Rechtsauff­assung der Reichsbürg­er sei „ein Irrglaube, dem wir nicht zustimmen können“, so der leitende Oberstaats­anwalt.

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FOTO: GRASER Armin Burger (Mitte), Presseprec­her der Staatsanwa­ltschaft Ellwangen, erläutert die aktuell laufenden Verfahren. Links Staatsanwa­lt Jens Weise, rechts der leitende Oberstaats­anwalt Andreas Freyberger.

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