„Reichsbürger machen uns extrem viel Arbeit“
Staatsanwaltschaft Ellwangen stellt Jahresstatistik vor – Zahl der Ermittlungsverfahren auf Zehn-Jahres-Hoch
- Trotz dünner Personaldecke und steigender Fallzahlen ist die Ellwanger Staatsanwaltschaft eine der schnellsten in Württemberg. Die durchschnittliche Dauer der Ermittlungsverfahren liegt erheblich unter dem Schnitt des Bezirks der Stuttgarter Generalstaatsanwaltschaft. Sorgen macht den Staatsanwältinnen und -anwälten die steigende Komplexität der Verfahren, etwa im Drogenmilieu. Auch die Reichsbürger sorgen für viel Mühe.
Personell sei die Ellwanger Staatsanwaltschaft heute besser aufgestellt als im Jahr 2016, sagte der leitende Oberstaatsanwalt Andreas Freyberger bei der traditionellen Jahrespressekonferenz. Die Zahl der Staats- und Amtsanwälte sei im vergangenen Jahr um zwei Kräfte auf nunmehr 25 aufgestockt worden. Dennoch bleibt die Personaldecke nicht zufriedenstellend: „Auf Köpfe heruntergerechnet hätten wir 2017 rund fünf weitere Vollzeitstellen im Dezernentenbereich gebraucht“, bemerkt der Oberstaatsanwalt. Dennoch ist Freyberger dem Stuttgarter Justizministerium sehr dankbar: „Wir sind sehr froh, dass wir diese beiden Kollegen bekommen haben, und sind guter Hoffnung, dass wir in absehbarer Zeit nochmals zwei weitere Stellen hinzugewinnen können. Zugesagt ist es uns.“
Zusätzliche Kräfte braucht es, weil die Zahl der Ermittlungsverfahren zugenommen hat. Mit 20 524 neu eröffneten Ermittlungsverfahren gegen bekannte Beschuldigte ist 2017 der höchste Stand seit 2008 erreicht worden. Mit 13 784 Fällen ist die Zahl der Ermittlungen gegen Unbekannt im Jahr 2017 im Vergleich zu 2016 zwar etwas zurückgegangen, sie bewegt sich aber immer noch auf einem sehr hohen Niveau.
Darüber hinaus gestalten sich die Verfahren immer komplizierter. Das zeige sich zum Beispiel bei Ermittlungen im Drogenmilieu, die einen sehr hohen Aufwand erforderten, wie der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft, Armin Burger, erläuterte. Hier seien die Täter immer häufiger im sogenannten Darknet unterwegs oder benutzten Handys und SIM-Karten jeweils nur einoder zweimal. In die Netze der Dealer seien außerdem immer mehr Personen eingebunden. Oft reichten die Kontakte auch bis ins Ausland, was die Ermittlungen zunehmend erschwere.
Höchststand bei offenen Verfahren
Oberstaatsanwalt Freyberger verdeutlichte den Druck, der auf den Staats- und Amtsanwälten lastet, mit dem Hinweis, dass pro Tag jeweils acht Verfahren abgeschlossen werden müssen, um mit den neu beginnenden Ermittlungen Schritt halten zu können. Die Zahl der offenen Verfahren hatte Ende 2017 mit 2246 einen Höchststand markiert. Allerdings gehören die Ellwanger Staatsanwältinnen und -anwälte zu den schnellsten in Württemberg. Bis ein durchschnittliches Ermittlungsverfahren abgeschlossen sei, dauere es in Ellwangen 40,37 Tage. Die Verfahrensdauer im gesamten Bezirk der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart liege mit einem Mittelwert von 53,32 Tagen erheblich darüber.
Oberstaatsanwalt Freyberger hob hervor, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft trotz dieser Belastung immer noch bereit seien, sich jenseits des Tellerrandes zu engagieren. Vier geben zum Beispiel auf ehrenamtlicher Basis Rechtskundeunterricht für Flüchtlinge in der Ellwanger Landeserstaufnahmestelle (LEA) oder an Volkshochschulen. Auf Nachfrage zu den Erfahrungen mit den LEA-Bewohnern sagte Freyberger: „Die LEA spielt für uns keine signifikante Rolle.“Es gebe zwar auch dort Verfahren, aber nicht in besorgniserregendem Umfang.
Es komme aber vor, dass Flüchtlinge bei ihrer Anhörung sagten, dass sie in ihrem Heimatland ein schweres Verbrechen begangen hätten, räumte Freyberger ein. Das könne eine Schutzbehauptung sein, um eine Abschiebung zu verhindern, weil den Geflüchteten in ihrer Heimat die Todesstrafe drohe. Es könne aber auch stimmen. Dies nachzuprüfen sei sehr schwierig, sagte der stellvertretende Pressesprecher Jens Weise, denn den deutschen Behörden stehe „als einziges Beweismittel“der Asylbewerber selbst zur Verfügung.
„Extrem viel Arbeit“machen den Staatsanwältinnen und -anwälten die sogenannten Reichsbürger. „Es ist ganz schwierig, mit dieser Klientel umzugehen“, sagte Freyberger. Es gebe zwar im Bezirk keine ausgeprägte Reichsbürgerszene, die Zahl der Fälle nehme aber in den letzten drei bis vier Jahren zu. Zu den Gepflogenheiten dieser Leute gehöre es, die Faxgeräte tagelang mit ellenlangen Schriftsätzen lahmzulegen, die teilweise nicht lesbar seien. Die Rechtsauffassung der Reichsbürger sei „ein Irrglaube, dem wir nicht zustimmen können“, so der leitende Oberstaatsanwalt.