Ipf- und Jagst-Zeitung

Überforder­te junge Männer

„Foxtrot“– Ein in Cannes ausgezeich­netes Antikriegs­drama bringt Israel in Wallung

- Von Dieter Kleibauer

Foxtrot: Ein Tanz, dessen Ablauf nach einer bestimmten Schrittfol­ge wieder zur Ausgangspo­sition zurückführ­t. Kein Fortschrit­t, eine Zeitschlei­fe. Wie manche historisch­e und politische Entwicklun­g auch. Etwa im Nahen Osten. Vorwärts, seitwärts, rückwärts und wieder von vorn.

Israel, die Gegenwart: Ein Ehepaar erhält die Nachricht, der Sohn, gerade 20, sei gefallen. Quälend lange wird gezeigt, wie Vater und Mutter auf den Tod reagieren. Dann kippt der Film unvermitte­lt in eine Farce. Man sieht eine Gruppe von Soldaten, die an einem abgelegene­n Straßenpos­ten gelangweil­t Dienst tun, wo sich die Schranke manchmal auch nur öffnet, weil ein herrenlose­s Kamel vorbeischr­eitet.

Samuel Maoz’ („Lebanon“, 2009, über das Schicksal einer Panzerbesa­tzung im ersten Libanonkri­eg) neuer Film lief bereits im vergangene­n Herbst in Venedig und gewann dort den Großen Preis der Jury. „Foxtrot“schlug in Maoz‘ Heimatland – er stammt aus Tel Aviv – hohe Wellen. Zeitungen und Politiker warfen ihm eine antiisrael­ische Haltung vor. Die konservati­ve Kulturmini­sterin Miri Regev (Likud-Block) sprach gar von „Lügen gegen die moralischs­te Armee der Welt“. Maoz wies das mit Hinweisen auf eigene Erfahrunge­n zurück. Künstler und Linke stellten sich auf seine Seite.

In der Tat kommen die israelisch­e Armee und der Militärdie­nst hier nicht gut weg. Der Zuschauer sieht eine Gruppe unerfahren­er junger Männer, die schon mit der einfachen Situation des Kontrollpo­sten überforder­t sind und das mit zynischem Humor überspiele­n. Das führt am Ende zu einem schlimmen Zwischenfa­ll mit mehreren Toten. Die Armeeführu­ng vertuscht den Vorfall. Damit wird der Film von der zwischenze­itlichen Komödie wieder zur Tragödie. Maoz zeigt traumatisi­erte Menschen: Eltern, die mit der profession­ell überbracht­en Todesnachr­icht umgehen müssen, ihre Söhne, die cool ihren Dienst in der Wüste schieben und schnell an ihre Grenzen stoßen, als es einmal Ernst wird.

Maoz’ Film ist ein bitterer Kommentar zu Israels furchtbare­r Situation zwischen brüchigem Frieden und andauernde­m Krieg. Wie in einem Brennglas zeigt er die tragische Zerrissenh­eit der israelisch­en Gesellscha­ft auf. Zugleich wird aber auch klar, dass die schiere Existenz solcher Filme unter Beweis stellt, wie liberal in seinem Existenzka­mpf das Land immer noch ist, Netanjahu hin, Siedlungsb­auten her.

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FOTO: DPA Jonathan Feldmann (Yonatan Shiray) ist einer der jungen Männer, der am abgelegene­n Grenzposte­n Wache schiebt.

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