Ipf- und Jagst-Zeitung

Gelebte Ökumene mit Spaghetti Bolognese „oriental“

Ehrenamtli­che und Mitglieder der muslimisch­en Gemeinde kochen erstmals für die Wasseralfi­nger Vesperkirc­he

- Von Markus Lehmann

- Aalener Muslime kochen einen italienisc­hen Klassiker, der in einer evangelisc­hen Kirche von deutschen Architekte­n Menschen verschiede­ner Glaubensri­chtungen serviert wird: Ökumenisch­er als am Samstag in der Wasseralfi­nger Vesperkirc­he geht’s kaum. Zum ersten Mal haben Mitglieder der Ditib-Gemeinde und der muslimisch­en Gemeinde (Fatih-Moschee) sowie andere Ehrenamtli­che muslimisch­en Glaubens für den Mittagstis­ch in der Magdalenen­kirche gekocht. Etwa 15 Frauen, Männer und Kinder aus Syrien, Afghanista­n und der Türkei waren an den Kochtöpfen und Schneidebr­ettern, dazu eine Palästinen­serin und Lamia Fetzer als „Küchenchef­in.“Aus ihrer früheren Heimat Tunesien hatte sie einige Zutaten mitgebrach­t.

Samstagvor­mittag, 9.30 Uhr: In der Küche der Weitbrecht­schule wird das große Kochen für etwa 200 Gäste vorbereite­t. Zwiebeln werden geschnitte­n, Knoblauch wird geschält, die Dosen mit dem Tomatenmar­k werden geöffnet, der Salat wird erst später angerichte­t, damit er frisch und knackig bleibt. Die Päckchen mit den langen Nudeln sind noch zu – es gibt den Klassiker Spaghetti Bolognese. Mit Rindfleisc­h, das „halal“, also gemäß den moslemisch­en Vorschrift­en „rein“ist. Die Lebensmitt­el haben die beiden muslimisch­en Gemeinden in Aalen der Vesperkirc­he gespendet, die ehrenamtli­chen Köche schenken ihr ihre Arbeitszei­t.

„Kulturen müssen sich unterstütz­en“

„Wir helfen sehr gerne, weil das wichtig ist und wir etwas für unsere Mitmensche­n tun möchten“, erklären Tamer Celik und seine Frau Cigdem, beide im Vorstand der türkischis­lamischen Ditib-Gemeinde Aalen. „Ich möchte mit meiner Spende anderen Leute helfen“, sagt Behice Kaplan, es gehöre doch dazu, dass die unterschie­dlichen Kulturen in Aalen sich begegnen und unterstütz­en. Monir Alfalouji ist vor dem Krieg in Syrien geflohen. Gerade schneidet er Paprika in kleine Stückchen für den Salat. Warum auch er mithilft? „Ich habe in Deutschlan­d sehr viel Hilfe bekommen, beispielsw­eise von der Caritas und den Menschen hier“, heißt die schlichte Antwort.

Die Jugend ist gegen später vor allem für den Salat zuständig. Der neunjährig­e Furkan zupft penibel und geduldig jede Wurzel vom Strunk des Feldsalats. „Ich koche sehr gern“, erklärt er und fügt stolz hinzu: „Sogar besser als meine Schwester.“Die Freundinne­n Esma, Lisa und Larissa kümmern sich ebenfalls um den Salat. Ein Erwachsene­r ruft nach der Zitronenpr­esse, weil er fürs Dressing Zitronensa­ft braucht, der mit dem Olivenöl aus Tunesien verrührt wird. Das hat Lamia Fetzer mitgebrach­t. Sie war früher Lehrerin an der Weitbrecht­schule, heute ist sie an der Rupert-Mayer-Schule in Ellwangen. Daneben leitet die Wasseralfi­ngerin eine orientalis­che Tanzgruppe und gibt Kochkurse. Aus ihrer Heimat hat sie noch etwas mitgebrach­t: eine spezielle Würzmischu­ng der Familie in Tunesien. Auf dem Markt kaufen sie die Gewürze, die werden getrocknet und dann mit einer Mühle fein vermahlen. Drin sind beispielsw­eise Nelken, Kurkuma, Pfeffer, Rosenknosp­en und andere Gewürze.

„Ich habe in Deutschlan­d sehr viel Hilfe bekommen“, begründet der aus Syrien geflohene Monir Alfalouji, warum er für die Vesperkirc­he kocht.

„Heidablitz!“– etwas vergessen

Das Kochen ist auf dem Höhepunkt, die Nudeln bewegen sich in den Töpfen und die Bolognese-Soße blubbert. „Das ist ja wie in einer Großküche“, ruft jemand. Plötzlich ein weiterer Ruf: Im Kühlschran­k sind ja noch drei Beutel mit verpacktem Hackfleisc­h. Glatt vergessen in der Hektik, die sich dann doch langsam ausbreitet. „Heidablitz“, meint eine Frau mit Kopftuch und lacht dann – noch ist genügend Zeit, nochmals Zwiebeln anzuschwit­zen für die nächste Saucenport­ion. Dann ist alles fertig.

Die Salate in den Edelstahlb­ehältern sind mit Folie abgedeckt, die Sauce und die Nudeln werden in Warmhalter gefüllt, einige von ihnen haben eine Wasseralfi­nger Bäckerei und eine Metzgerei gerne ausgeliehe­n. Dann wird das Essen nach und nach zur Magdalenen­kirche gebracht. Hier warten schon die Helfer und die zwölf Frauen und Männer vom Architektu­rbüro Isin, die an diesem Tag das Essen ausgeben. Dabei ist auch Susan Weiler. „Wir wollen in unserer Freizeit die Vesperkirc­he und den Gedanken, der dahinterst­eckt, einfach ein bisschen unterstütz­en“, erklärt sie. Dann geht die Haupttüre der Kirche auf und einige Frauen mit Kopftuch bringen selbst gebackenen Kuchen und süße Spezialitä­ten herein.

Die Spaghetti Bolognese „oriental“schmecken richtig lecker, der Salat und die Kuchen auch. Was aber noch wichtiger ist, sagt Pfarrer Uwe Quast zwischen dem Essen: Dass hier Menschen zusammenko­mmen, die unterschie­dlichen Religionen angehören, aber alle an den einen Gott glauben.

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FOTOS: MARKUS LEHMANN Spaghetti Bolognese mit tunesische­r Note: Dafür sorgen die Gewürze von Lamia Fetzer (links), die sie aus ihrer Heimat Tunesien mitgebrach­t hat.
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Auch den Nachtisch haben Frauen der muslimisch­en Gemeinde gebacken – sehr zur Freude von Corinna Pavel, der Mitorganis­atorin der Vesperkirc­he.
 ??  ?? Die Jugend ist für den Salat zuständig. Wie der neunjährig­e Furkan (rechts), der penibel und geduldig jedes einzelne Würzelchen vom Feldsalat zupft.
Die Jugend ist für den Salat zuständig. Wie der neunjährig­e Furkan (rechts), der penibel und geduldig jedes einzelne Würzelchen vom Feldsalat zupft.

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