One more Back-up
Das iPhone-Event ist immer ein besonderer Tag im AppleKalender. Das diesjährige war dabei an manchen Stellen besonders kurios: Craig Federighi kann auch Huhn, Tim Cook ist der Führer und Deidre Hollars Caldbeck muss auf einem Stand-up-Paddle-Board ausharren.
Als Angestellter bei Apple muss man so einiges drauf haben. Man muss vor einem Millionenpublikum gackern können wie ein Huhn. Man muss bei Flaute auf dem Surfbrett stehen, bis der Chef anruft. Man muss den Spagat hinbekommen von Steve über Irma bis zum legendären „One more thing“. Und man sollte stets ein zweites iPhone X parat haben, falls das erste auf die schnöde Anmache nicht reagiert. Gut also, dass Tim Cook sich beim Klassentreffen im neuen „Steve Jobs Theater“auf seine Musterschüler verlassen konnte. Das alles war wie immer eine Veranstaltung der Superlative. Alle, die das Event live verpasst haben, können sich die Aufzeichnung der Keynote auf der Webseite von Apple anschauen.
Wie ein gläsernes Raumschiff liegt die neue Firmenzentrale im blühenden Apple Park. Mit dem ersten Bild ertönt die amerikanische Hymne: „O! say can you see by the dawn’s early light ...“Glückliche Menschen halten sich an den Händen und strömen in den Festsaal. Vereinzelt lassen sich Paare zu einem flüchtigen Kuss hinreißen. Innen angelangt drehen sie sich bedächtig im Kreis. Schnell noch ein Panorama als Erinnerung. Die Musik hat gewechselt. „All you need is Love“. Es gibt nichts was du tun kannst, das nicht getan werden kann. Es geht weiter. Ins Innere des Raumschiffs. Gleich werden sie einsteigen und abheben. Glückliche Kinder zeugen, glückliche Bäume pflanzen und glückliche Lieder singen. Es gibt nichts, was du singen kannst, das nicht gesungen werden kann. Ein abgedunkeltes Auditorium. Einzelne Klavierakkorde. Die sonore Stimme von Steve Jobs und ein übergroßes Porträt des Firmengründers auf der Leinwand. Die Musik setzt aus und die Projektion erlischt. Jetzt, da mindestens der Heiland in Menschengestalt erscheinen sollte, betritt Tim Cook die Bühne. Ein älterer Herr in blauer Strickjacke. Seine leicht nach außen gebogenen Beine stecken in ausgewaschenen Blue Jeans. Er läuft über die Bühne und ruft in altbekannter Manier nach Verstärkung. Manches, das vorgestellt wird, begeistert unerwartet: die neue Apple Watch. Anderes kommt wie erwartet und man fragt sich warum: ein iPhone 8. Manches wird erwartet, kommt aber nicht sofort: die Gesichtserkennung. Und manches kommt wie erwartet und begeistert trotzdem: das iPhone X. Trotz allem will sich beim Betrachten der Keynote die herbeigesehnte Hysterie nicht einstellen. Die fast schon rituelle Geilheit bleibt aus. Was vielleicht auch daran liegt, dass man dieser Überinszenierung inzwischen überdrüssig ist. Die ganze Präsentation wirkt wie der überdrehte Versuch, ein ausgelutschtes Format krampfhaft am Leben zu erhalten. Eine Veranstaltung, die sich in ihrem Größenwahn selbst karikiert. Irgendwann sollten die Beteiligten erkennen, dass ihre weihevolle Selbstinszenierung den Zenit überschritten hat und ins Lächerliche abdriftet. Und damit sind keine gackernden Software-Entwickler oder animierte Kackhaufen gemeint.