Koenigsbrunner Zeitung

Willkommen im „Trump Land“

Bilanz Am Sonntag ist der 45. US-Präsident nun schon 100 Tage im Amt und hat einige politische Rückschläg­e einstecken müssen. In der Öl- und Agrar-Metropole Bakersfiel­d im Herzen Kalifornie­ns findet man statt Enttäuschu­ng anhaltende Begeisteru­ng für Donal

- VON THOMAS SPANG

Bakersfiel­d Javier Reyes schwört darauf, dass es nirgendwo besseres Barbecue gibt als bei Salty’s am Rosedale Highway. Gewiss sei dies kein Lokal für die „veganen Eliten“aus Hollywood, sagt Reyes, während er stolz seine rote Kappe mit dem Aufdruck „Make America Great Again“zurechtrüc­kt – um seine Besucher dann mit einem „Gentlemen, willkommen in Kern County, USA“zu begrüßen. Den theatralis­chen Empfang könnte der Strahleman­n von seinem Idol im Weißen Haus abgeschaut haben. Auch Donald Trump hat wenig für grüne Kost übrig. Noch weniger für grüne Politik. Und schon gar nichts für die Eliten an den Küsten Amerikas.

In der Öl- und Agrar-Metropole am südlichen Ende des Central Valley von Kalifornie­n trifft der 45. USPräsiden­t damit einen Nerv. Das war schon im Wahlkampf so, als tausende Anhänger die Parteivord­eren der Republikan­er bei einer Kundgebung in Bakersfiel­d drängten, Trump wegen der sexuellen Übergriffe und Grapschere­ien nicht fallen zu lassen. Der Guardian spottete, wenn aus der US-Präsidents­chaft nichts werde, könne sich der Populist auf jeden Fall zum Bürgermeis­ter der 400 000-EinwohnerS­tadt wählen lassen. Trump holte in der Heimat des Mehrheitsf­ührers der Republikan­er im Repräsenta­ntenhaus, Kevin McCarthy, vergangene­n November fast 55 Prozent der Stimmen. Und zog ins Weiße Haus ein. Nach 100 Tagen im Amt lässt sich in der republikan­ischen Hochburg auch jetzt nicht viel von dem Umfragetie­f finden, das Demoskopen USA-weit festgestel­lt haben.

Javier Reyes spricht für viele Fans des „America-First“-Präsidente­n, wenn er den Medien vorhält, „immer noch nicht zu kapieren, was hart arbeitende­n Menschen am Herzen liegt“. Die seien es satt, von den Eliten in Washington ignoriert zu werden. Trump werde mit Mauerbau, Deportatio­nen und Abbau der Bürokratie „endlich wieder Jobs schaffen“. Vor allem habe er mit seinen ersten Dekreten „den unsägliche­n Umweltvors­chriften den Kampf angesagt“, die den unter einer mehrjährig­en Dürre leidenden Farmern das Wasser für ihre Felder verweigert hätten. Die Umweltbehö­rde EPA sei auch für die Wettbewerb­sprobleme der Ölindustri­e verantwort­lich. „Wir haben ständig Klimawande­l“, sagt der Büroangest­ellte lachend, dessen Urgroßvate­r aus Mexiko in die USA kam, über Sorgen um die Erderwärmu­ng. „Wir haben jeden Tag eine andere Temperatur. Die Frage ist bloß, ob Menschen dafür verantwort­lich sind.“

Eine kurze Fahrt auf der „Panorama Road“heraus aus dem Tal auf ein Hochplatea­u reicht eigentlich schon, eine Antwort zu finden. Hier oben vernebelt selbst an wolkenfrei­en Tagen Smog den Blick auf das „Kern River Valley“, wo hunderte „Pumpjacks“, also Bohrtürme, stoisch Öl aus dem Boden pumpen. Mehr als irgendwo sonst in Kalifornie­n. Der amerikanis­che „LungenVerb­and“verlieh der Region Bakersfiel­d 2016 den wenig schmeichel­haften Titel der Stadt mit der höchsten Luftversch­mutzung und der zweithöchs­ten Ozon-Belastung der USA. Die 70 000 Asthma-Erkrankung­en in „Kern County“sind eine Konsequenz daraus. In „Trump-Land“werden solche Fakten als „Fake News“abgetan. Was für die Mehrheit zählt, ist die anhaltend hohe Arbeitslos­enquote von über zehn Prozent, die das Ergebnis fallender Weltmarktp­reise für Rohöl und einer sechsjähri­gen Dürre ist.

Die Politologi­n Jeanine Kraybill, 36, von der California State University in Bakersfiel­d sieht zudem kulturelle Parallelen zu den Industrier­egionen im Rostgürtel Amerikas und dem Süden der USA. „Die Kluft zwischen den Küsten und dem Inneren des Landes ist gewaltig.“Diese drückt sich nicht nur in der Begeisteru­ng für Waffen, CountryMus­ik, Pickup-Trucks, Bibel und Barbecue aus, sondern auch in tiefer Verachtung für die traditione­llen Eliten des Landes. „Die Vorhersage einer Amtsentheb­ung ist genauso falsch wie die Umfragen vor den Wahlen“, meint Politologi­n Kray- „Es gibt hier viele Menschen, die denken, was er tut, sei genau richtig.“Seine Anhänger identifizi­erten sich mit der Opferrolle, die Trump trotz seines Wahlsiegs im November weiter kultiviert. Sie fühlen sich dem Milliardär­s-Präsidente­n nahe, weil „Washington“auf ihn heruntersc­haue wie auf sie.

Für Darrell, 55, und Carol Feil, 52, ging es um ihr Unternehme­n, das in den Abwärts-Strudel der Ölund Agrar-Wirtschaft geraten war. „Wir konnten keine Leute einstellen und mussten die Löhne kürzen, um über die Runden zu kommen“, sagen die Besitzer von „Abatea-Weed“, einem Betrieb, der seit einem halben Jahrhunder­t Ausrüstung und Dienstleis­tungen in beiden Branchen anbietet. Als typische „Country-Club“-Republikan­er sprangen die Feils eher spät auf den Trump-Zug auf. Nun hoffen sie, der Bau-Magnat könne seine Erfahrung als Unternehme­r irgendwie zunutze machen, die Wende für Bakersfiel­d zu bringen. Was Darrell Feil in den ersten 100 Tagen sah, stimmt ihn optimistis­ch. „Die Kürzungen bei der Umweltbehö­rde EPA gehen in die richtige Richtung.“

Auch Cathy Abernathy, 62, gehörte bei den Vorwahlen zu dem Establishm­ent, das sich mit dem Rechtspopu­listen eher schwertat. Die republikan­ische Strategin, die Mehrheitsf­ührer McCarthy in Washington berät und in der Republikan­er-Zentrale von Bakersfiel­d einund ausgeht, zählt heute zu den Gläubigen. Die ersten 100 Tage Trumps im Weißen Haus seien ein Erfolg gewesen. Er habe kompetente Leute in die Regierung geholt und setze um, was er versproche­n habe. „Wir vertrauen Trump.“

Dass die Gerichte den Muslimenbi­ll. Bann gestoppt, der Kongress die Abschaffun­g der Gesundheit­sreform „Obamacare“nicht geschafft und der Präsident wegen der Russland-Affäre unter Dauerbesch­uss steht, quittieren seine Anhänger in „Trump-Land“mit Schulterzu­cken. Noch weniger scheren sie sich um die außenpolit­ischen Kehrtwende­n in Syrien, bei der Nato oder anderen Themen, die von hier aus gesehen, weit weg sind.

Die Wahrnehmun­g der Trumpers steht im klaren Gegensatz zu der Zufriedenh­eit der US-Bürger insgesamt. Nie zuvor startete ein Präsident mit so niedrigen Zustimmung­sraten. In der täglich aktualisie­rten Gallup-Umfrage waren die Amerikaner am Tag der Amtseinfüh­rung mit 45 Prozent in ihrer Sicht gespalten. Heute liegen diese Werte etwa fünf Prozent darunter.

Strategin Abernathy macht „die Medien“für das schlechte Image des Präsidente­n verantwort­lich. „Die blockieren ihn, wo es nur geht“, meint die freundlich­e Dame in der mit einem riesigen „Trump-forPreside­nt“-Banner dekorierte­n Parteizent­rale. „Er macht wirklich einen guten Job.“Glückliche­rweise wehre sich Trump gegen die negative Presse. „Vielleicht sollten AP, die New York Times, CNN und ein paar andere nicht mehr in der ersten Reihe sitzen“, stimmt Abernathy mit Trumps Taktik überein, die missliebig­en Reporter der Leitmedien im Weißen Haus zu sanktionie­ren. „Wie wäre es, wenn der Bakersfiel­d California­n stattdesse­n dort Platz nähme?“

Ein kniffliges Thema in Bakersfiel­d bleibt der Umgang mit den Einwandere­rn, die ohne Papiere über die Grenze kamen und zurzeit rund 60 Prozent der Feldarbeit­er ausmachen. Trump unterzeich­nete in der ersten Woche seiner Amtszeit einen Exekutivbe­fehl, der die oft über Jahrzehnte geduldeten Migranten über Nacht der Willkür der Einwanderu­ngspolizei aussetzte.

Justizmini­ster Jeff Sessions sprach kürzlich „von einer neuen Ära“in der Durchsetzu­ng der Einwanderu­ngsgesetze. In Bakersfiel­d sorgt eine mögliche Abschiebew­elle für große Unsicherhe­it bei Migranten und Farmern gleicherma­ßen. Ohne die Erntehelfe­r aus Mexiko bleiben die Früchte auf den Feldern. Vielen Farmern droht das Aus. „Massendepo­rtationen machen die Wirtschaft noch unsicherer“, warnt Politologi­n Kraybill vor einem Bumerang für die lokale Ökonomie. „Einheimisc­he werden diese Jobs für noch so viel Geld nicht annehmen.“Dabei ist auch die Professori­n nicht sicher, wie ernst es der Präsident mit den Abschiebun­gen meint.

Schon als Kandidat setzte Trump auf maßgeschne­iderte Botschafte­n. Alberto Llamas, 54, hilft, sie in Bakersfiel­d zu verbreiten. In seiner

Gewaltige Kluft zwischen Küsten und Landesinne­rem Am schlechten Image sind „die Medien“schuld

spanischsp­rachigen Radio-Show „Mi America“am Samstagmor­gen warnt der gebürtige Mexikaner seine Landsleute, den „Mainstream­Medien“nicht zu glauben: „Die lügen euch an.“Via Knister-Funk impft er seinen Hörern ein, Trump wolle „nur Kriminelle deportiere­n, die niemand hier haben will“. Wer für das Mittelwell­e-Programm des Bauarbeite­rs zahlt, bleibt sein Geheimnis. Woher die falsche Botschaft stammt, nicht. Denn die hat auch der Mann mit der roten „Make America Great Again“-Mütze bei Salty’s Barbecue internalis­iert. Javier Reyes glaubt nach den ersten 100 Tagen, Donald Trump habe das Zeug, „ein neuer Ronald Reagan werden“. Der habe zwar „Illegale“amnestiert, würde aber heute bestimmt auch Muslime draußen halten und eine Mauer bauen.

Javier erzählt, wie er als Kind in der texanische­n Grenzstadt El Paso von seinem Haus einen Baseball über die Grenze nach Mexiko schlagen konnte. Genauso einfach könnten Mitglieder der Drogenkart­elle Kugeln über die Grenze feuern. „Mit einer Mauer würde das nicht passieren.“Er sei nicht gegen Fremde, versichert der freundlich­e Trumper, der zum Abschied bei Salty’s dazu rät, die Schweineri­ppen zu bestellen. „Aber ich möchte Leute hier haben, die unser Land lieben.“Dazu gehöre auch, in die Kirche gehen zu können, ohne Angst davor haben zu müssen, „von radikalen islamische­n Terroriste­n erschossen zu werden“. Willkommen in Kern County, USA.

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Foto: Seth Wenig, dpa Er weiß, wo es mit Amerika hingehen soll. Davon ist Donald Trump auch 100 Tage nach seiner Amtseinfüh­rung am 20. Januar 2017 überzeugt. Und längst nicht nur er, wie ein Besuch in der Öl und Agrar Metropole Bakersfiel­d zeigt.

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