Wird die schnelle Küche kalt?
McDonald’s im Kino, der Hotdog wird 150: Die Geschichte des Fast Food ist spannend – aber an einem Wendepunkt / Von Andreas Baumer
Puschkinplatz im Herzen Moskaus, 31. Januar 1990. Die wartende Menge friert. Ein, zwei Grad Celsius misst das Thermometer. Kein Wetter zum Rausgehen. Doch der Platz ist voll. Voll von Menschen, die wissen wollen, wie Freiheit schmeckt. Nach 70 Jahren Kommunismus, nach 70 Jahren Planwirtschaft haben sie Appetit bekommen. Appetit auf die Verheißungen des Westens, und seien es nur Big Mac, Cheeseburger und Cola. Sie müssen dafür nicht in den Westen. Der Westen kommt zu ihnen. McDonald’s eröffnet an diesem Tag sein erstes russisches Restaurant und bricht Rekorde. Bis zu fünf Stunden stehen die Bürger vor dem Laden Schlange. Bis zum Abend zählt das Restaurant 30000 Kunden – so viele waren es noch nie bei einer Filialeröffnung des amerikanischen Burgerriesen irgendwo auf der Welt. Vielleicht ist das die goldene Stunde von McDonald’s, ja von Fast Food schlechthin. Vielleicht konnte es danach nur bergab gehen. Denn bergab ging es. McDonald’s steckt nun in der Krise.
Der atemberaubende Aufstieg des amerikanischen Fast Food, auf Deutsch „schnelles Essen“, ist nun wieder Thema. Hollywood sei Dank. Der Kinofilm „The Founder“, der nun in deutschen Kinos anläuft, erzählt, wie ein gerissener Geschäftsmann aus einem angesehenen kalifornischen Schnellrestaurant einen Weltkonzern formte. McDonald’s. Das geschwungene M und den gelb gekleideten, rothaarigen Clown kennt fast jedes Kind. Mehr als 36000 McDonald’s-Restaurants gibt es weltweit. Sie reichen von Südafrika bis Norwegen, Südkorea bis Chile. Allein Deutschland hat fast 1500 Restaurants. McDonald’s ist ein Global Player, ein Weltakteur. Doch der Riese strauchelt. Erstmals seit 40 Jahren musste die Kette 2015 in den Vereinigten Staaten, ihrer Heimat, mehr Filialen schließen, als sie eröffnete. Schmeckt das, was früher für viele Menschen nach Freiheit roch, heute matt und schal? Haben sich Big Mac, Cheeseburger und Cola, hat sich fettiges, klebriges Fast-FoodEssen überlebt?
Eigentlich könnte die Fast-FoodBranche feiern. Eines ihrer berühmtesten Produkte hat dieses Jahr runden Geburtstag. Der Hotdog wird 150 Jahre alt. Das zumindest sagen die Einwohner von Coney Island in New York. Demnach soll Charles Feltman, ein deutscher Einwanderer, dort im Sommer 1867 seinen Kuchenwagen in einen HotdogKarren mit eingebauter Herdplatte umgebaut haben. Seine Erfindung war simpel. Er schob ein heißes Wiener Würstchen zwischen zwei Brötchenhälften und verkaufte sie an der Uferpromenade. Bald war der Hotdog weit über New York hinaus bekannt. Später eröffnete Feltman eines der damals größten Restaurants der Welt. Das musste 1954 schließen. Seitdem, beklagen die Nachfahren Feltmans, sei der Hotdog zu einem Essen „schlechter Qualität“geworden. Michael Quinn, ein Lokalhistoriker in Coney Island, hat es sich zur Aufgabe gemacht, das zu ändern. Seit Mitte April verkauft er traditionelle Hotdogs ohne Geschmacksverstärker und anderem Krimskrams an demselben Platz wie einst Feltman.
Zurück zu den Wurzeln. Vielleicht ist das auch die Lösung für die Probleme von McDonald’s. Fast Food muss nicht gleich ungesund sein, ist das Mantra. Die Gründer machten es vor. Die Brüder Denn Richard und Maurice McDonald rühmten sich einst für ihre hochwertigen Burger. Filialen, in denen der Hamburger nicht so gut schmeckt wie in ihrem Laden, kamen für sie nicht infrage. Dann stieg der Milkshake-Maschinen-Verkäufer Ray Kroc in das Geschäft ein. Er drängte die beiden Brüder aus der Firma. Schnelligkeit und Profit standen jetzt vor Produktgüte. Erfolg hatte er damit allemal.
In den 1960er Jahren eroberte McDonald’s Amerika, in den Siebzigern dann Europa und Mittelamerika, Australien und Japan. Und in den Neunzigern griff der Konzern nach Zentralasien und Osteuropa, in den Nahen Osten und nach Afrika aus. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion hatten die Vereinigten Staaten den Kalten Krieg gewonnen. Kaum ein Unternehmen symbolisierte den Siegeszug des Westens mehr als McDonald’s. Doch dann kam die Krise.
Der Kapitalismus machte McDonald’s groß. Er macht ihm jetzt zu schaffen. Die Gesetze des Kapitalismus sind einfach: Sind die Kunden mit dem Angebot zufrieden, steigt die Nachfrage. Wenn nicht, droht irgendwann das Aus. „Ich liebe es“, heißt ein McDonald’s-Werbespruch. „Ich liebe es nicht“, antworten immer häufiger Kunden. Vier Jahre hintereinander ging die Besucherzahl in McDonald’s-Restaurants zurück. Denn immer mehr Menschen legen Wert auf gesunde Produkte, selbst beim schnellen Essen. Immer öfter wird frisches statt billiges Fleisch bestellt, werden Mais und Tomaten Pommes und Ketchup vorgezogen. McDonald’s hat ein Problem. Es kann sich von seinem Image als fettiges, ungesundes Restaurant nur schwer lösen – trotz Veggieburger und Apfelsaft, die es inzwischen dort auch gibt.
Es ist nicht so, als würde die Welt auf einmal gesünder leben. Im Februar rüttelte die deutsche Gesellschaft für Ernährung mit der Schlagzeile auf: „So dick war Deutschland noch nie.“Bei den Berufstätigen sei das Dicksein mittlerweile so weit verbreitet, dass es keine Ausnahme mehr darstelle, sondern der Normalzustand sei, heißt es im Bericht. Fast sechs von zehn Männern und mehr als drei von zehn Frauen seien dick.
Fettiges und ungesundes Essen sind nicht alleine schuld daran. Und doch geraten fast zwangsläufig FastFood-Restaurants ins Visier von Ernährungsexperten. Die Vorwürfe sind altbekannt: Die Produkte enthielten zu viele Kohlenhydrate, zu viel Zucker, zu viel Salz und Fett.
Fast Food bleibt in Deutschland beliebt. Doch billig muss es nicht mehr zwangsweise sein. Gäste bezahlen für einen hochwertigen Burger nun auch mal zehn Euro. Subway und Wendy’s werben mit frischen Zutaten. McDonald’s dagegen tut sich schwer. Die Kette ist in Deutschland noch immer das beliebteste Schnellrestaurant. Doch Mitbewerber wie Burger King holen auf. Die McDonald’s-Führung weiß: Billig allein reicht heutzutage nicht mehr.
McDonald’s erfand nicht das Fast-Food-Essen. Billig und schnell aßen bereits die Römer. Am Fließband zusammengestelltes Essen gab es schon, bevor die McDonald-Brüder ihr Restaurant eröffneten, 1921 in Wichita, Kansas. Der Laden dort sah mit seinen weiß gestrichenen Zinnen und Türmchen aus wie eine Burg. Sein Name: „White Castle.“Kunden bekamen dort weiße Brötchen mit einem gegrillten Hackbällchen, Gurken und Zwiebeln serviert. Der moderne Hamburger war geboren. Doch erst Kroc und McDonald’s trugen ihn in die Welt.
Nun sollen es andere Produkte richten. Der Trend geht zum Grünen. Seit Ende März bietet McDonald’s in Deutschland zwei neue Wraps und Salate im Standard-Sortiment an. Ob die Wende klappt? McDonald’s wird es bald wissen. Der Markt antwortet schnell.
Trotz grünem Trend lebt die Welt heute nicht gesünder