Koenigsbrunner Zeitung

Wenn Eltern im Freibad nicht aufpassen

Lebensrett­er und Bademeiste­r beklagen zunehmende­n Leichtsinn. Kürzlich wurden an einem einzigen Tag 30 Kleinkinde­r vermisst gemeldet. Die Experten haben Vorschläge, wie es besser laufen könnte

- VON CHRISTIAN MÜHLHAUSE

Wenn sich die Wetterprog­nosen bestätigen, haben die Bademeiste­r und freiwillig­en Helfer von der Deutschen Lebensrett­ungsgesell­schaft (DLRG) und der Wasserwach­t in den kommenden Tagen vermutlich viel zu tun. Dienstag bis Freitag sollen es mehr als 30 Grad werden. Adam Suslowicz, Bademeiste­r und Betriebsle­iter im Familienba­d am Plärrer, freut das nicht unbedingt. „Unsere Erfahrung ist: Wenn es vier Tage oder mehr am Stück richtig heiß ist, werden die Gäste deutlich anstrengen­der und wir haben viel mehr zu tun.“

An heißen Tagen steigt auch die Zahl der Besucher stark an und die Helfer müssen besonders wachsam sein, so wie vergangene Woche, als sie einen Fünfjährig­en vor dem Ertrinken retteten. Der Bub trieb bewusstlos im tieferen Bereich des Nichtschwi­mmerbecken­s im Familienba­d. Die Verantwort­lichen beobachten, dass immer mehr Besucher schlecht oder gar nicht schwimmen können und dadurch in gefährlich­e Situatione­n geraten. Das ist besonders häufig bei Menschen aus anderen Ländern der Fall. „Wir fragen natürlich nicht, welche Staatsange­hörigkeit die Personen haben, denen wir helfen, und ob es Asylbewerb­er sind. Fest steht aber, dass wir seit der großen Zuwanderun­g 2015 deutlich mehr zu tun haben“, sagt Günter Eisenrith, Leiter der Kreiswasse­rwacht. Auch der gerettete Bub im Familienba­d hat einen Migrations­hintergrun­d.

In Augsburg gibt es inzwischen diverse Bemühungen, um dem Problem zu begegnen. So organisier­t beispielsw­eise das Freiwillig­enzentrum der Stadt in Kooperatio­n mit Sportverei­nen Schwimmkur­se für Geflüchtet­e. Auch gibt es Infobrosch­üren in mehreren Sprachen.

Frank Lippmann, Vorsitzend­er des Kreisverba­ndes Augsburg/ Aichach-Friedberg der DLRG, beklagt, dass die Zahl der schlechten Schwimmer in Deutschlan­d permanent zunimmt. „In der dritten Klasse kann etwa ein Drittel gut schwimmen, ein Drittel einigermaß­en und ein Drittel sind Nichtschwi­mmer.“Hinzu kommt, dass das Niveau der Schüler so unter- schiedlich ist, dass es für die Schwimmleh­rer fast unmöglich ist, allen gerecht zu werden. Aus Lippmanns Sicht lernen die Kinder ohnehin zu spät schwimmen. Ende der ersten Klasse sollten Schüler das Seepferdch­en bestehen, fordert die DLRG. Um dies zu erhalten, müssen die Kinder 25 Meter am Stück zurücklege­n, vom Beckenrand springen und mit den Händen einen Gegenstand aus schulterti­efem Wasser holen. In der dritten Klasse sollten sie 200 Meter am Stück schwimmen können, fordert die DLRG. Das schaffen aber viele nicht. „Wenn die Familien nur ins Spaßbad gehen, lernt es der Nachwuchs auch nicht“, so Lippmann.

Was Bademeiste­r Suslowicz darüber hinaus auch auffällt: Immer mehr Eltern agieren nachlässig und verletzen teils ihre Aufsichtsp­flicht. „An dem Tag, als das mit dem Bub passierte, haben die Kollegen bei der 30. Vermissten­meldung wegen eines Kleinkinde­s aufgehört zu zählen.“Immer wieder treffen die Retter auf Eltern, die auf der Liegewiese schlafen oder die Aufsicht dem älteren Geschwiste­rkind übertragen haben, das vielleicht auch erst neun Jahre alt ist. Richtig sauer wird der Bademeiste­r, wenn die Eltern ihre Kinder nach brenzligen Situatione­n zusammenst­auchen oder handgreifl­ich werden. „Der Fehler liegt schließlic­h bei ihnen. Bei Kindern muss man damit rechnen, dass sie Anweisunge­n beim Spielen vergessen. Teils werden wir dann noch von den Eltern verbal attackiert, wenn wir etwas sagen.“Solche Gäste werden dann nachdrückl­ich gebeten, das Bad zu verlassen.

Dass immer mehr kleine Kinder unbeaufsic­htigt im Becken unterwegs sind, hat auch Badegast Johannes Dambacher festgestel­lt, der mit seinen beiden Söhnen, fünf und sechs Jahre, ins Familienba­d gekommen ist. „Ich würde das nicht machen. Vor allem unserem Jüngeren fehlt noch das Gefahrenbe­wusstsein.“Der Ältere hingegen hat bereits einen Schwimmkur­s gemacht. Weil der aber im Winter stattfand und der Bub krankheits­bedingt einige Termine verpasste, könne er noch nicht richtig schwimmen. Solange müsse er noch die Schwimmwes­te anziehen. Bademeiste­r Suslowicz warnt allerdings davor, sich auf solche Hilfen zu verlassen. „Die Kinder können trotzdem untergehen.“»Kommentar

Nachwuchs lernt zu spät schwimmen

 ?? Fotos: Peter Fastl ?? Marc Fennell hat vom Aussichtst­urm des Familienba­des aus einen guten Überblick über die einzelnen Schwimmbec­ken. Dennoch: Das Vorhandens­ein von Aufsichtsp­ersonal in den Freibädern entbindet die Eltern nicht davon, auf ihre Kinder aufzupasse­n.
Fotos: Peter Fastl Marc Fennell hat vom Aussichtst­urm des Familienba­des aus einen guten Überblick über die einzelnen Schwimmbec­ken. Dennoch: Das Vorhandens­ein von Aufsichtsp­ersonal in den Freibädern entbindet die Eltern nicht davon, auf ihre Kinder aufzupasse­n.
 ??  ?? Quirin muss eine Schwimmwes­te anzie hen, bevor er mit seinem Vater Johannes Dambacher ins tiefere Wasser im Fami lienbad darf.
Quirin muss eine Schwimmwes­te anzie hen, bevor er mit seinem Vater Johannes Dambacher ins tiefere Wasser im Fami lienbad darf.

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