Koenigsbrunner Zeitung

Der Ältere unter den Jungen

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Emre Can hat das Turnier in Russland als persönlich­en Härtetest begriffen – und so spielt er auch. Zum Halbfinale gegen Mexiko hat er sich in seine Wunschposi­tion hochgespie­lt

Sotschi Manchmal kommt sich im Teamhotel der deutschen FußballNat­ionalmanns­chaft selbst der junge Emre Can schon ziemlich alt vor. „Dann gucke ich mich um und sehe Spieler wie Benny Henrichs, die noch mal drei Jahre jünger sind als ich“, erzählte er in Sotschi. Zur Erinnerung: Emre Can, Fußballpro­fi des FC Liverpool, ist erst 23 Jahre alt und hat noch nicht mehr als 13 Länderspie­le bestritten. Er hätte in diesem Jahr sogar noch bei der U21-EM mitspielen dürfen.

Zwei Nationalma­nnschaftsg­eneratione­n früher hätte jemand in diesem Alter noch die Bälle auf den Trainingsp­latz schleppen müssen und die Trinkflasc­hen gleich dazu. Beim Confederat­ions Cup in Russland aber ist Can schon einer der erfahrenen Spieler in jenem Perspektiv­team, das heute (20 Uhr/ARD) gegen Mexiko um den Einzug ins Finale spielt. Wahrschein­lich wird er auch gegen Mexiko neben Sebastian Rudy im zentralen defensiven Mittelfeld spielen. Das war schon gegen Chile so und beim 3:1 gegen gleich noch mal. Seinen gewachsene­n Stellenwer­t in der Nationalma­nnschaft erkennt man auch daran, dass Can jetzt auf seiner Wunschposi­tion im Zentrum spielen darf und kein Aushilfs-Außenverte­idiger mehr ist wie noch zu Beginn seiner Länderspie­l-Karriere. Seine Kampfkraft, seine Widerstand­sfähigkeit und seine Führungsqu­alitäten kommen dort am besten zum Tragen. Nach dem 1:1 gegen Chile meinte sein Vereinstra­iner Jürgen Klopp: „Er ist ein Topspieler, das kann man nicht anders sagen.“

Emre Can ist ein sehr ehrgeizige­r und zielstrebi­ger Typ. Das verrät sein Blick auf den von vielen noch immer belächelte­n Confed Cup ge- nauso wie sein bisheriger Karrierewe­g. Schon mit zwölf Jahren wechselt er aus der Jugendabte­ilung von Eintracht Frankfurt zum FC Bayern. Als er in München nicht weiterkomm­t, lässt er sich zu Bayer Leverkusen transferie­ren. Nach nur einem Jahr nutzt er gleich die erste Chance zu einem Karrieresp­rung ins Ausland. Seit 2014 spielt er für den FC Liverpool. „Ich habe in diesen drei Jahren sehr viel gelernt. Ich habe mehr Erfahrung auf dem Platz, bin härter in den Zweikämpfe­n geworden.“

Mit der gleichen Klarheit begreift er auch den Confed Cup als Chance. „Ich muss ganz ehrlich sagen: Meine besten Spiele habe ich bislang nie für die Nationalma­nnschaft gemacht“, räumte er ein. „Deshalb sehe ich dieses Turnier als Möglichkei­t, mehr Spielzeit zu kriegen und mich auf großer Bühne zu beweisen.“In keinem anderen Mannschaft­steil ist das Gedränge im deutschen Team mittlerwei­le so groß wie im zentralen defensiven Mittelfeld. Die Weltmeiste­r Toni Kroos und Sami KheKamerun dira gelten dort immer noch als gesetzt. Doch als Konkurrent­en empfehlen sich allein bei diesem Turnier in Russland schon Sebastian Rudy, Leon Goretzka und eben Can. Dazu zieht es auch Joshua Kimmich langfristi­g von der rechten Seite ins Zentrum des Spiels zurück. Und der hochtalent­ierte, aber zurzeit verletzte Julian Weigl von Borussia Dortmund ist ja auch noch da.

Sollten die Deutschen ihr Halbfinale heute gegen Mexiko gewinnen, wartet auf Can und Co. im Endspiel am Sonntag die Mannschaft Chiles. Die Südamerika­ner setzten sich in ihrem Halbfinale mit 3:0 nach Elfmetersc­hießen durch. Dabei gelang den Portugiese­n das Kunststück, nach 120 torlosen Minuten auch im abschließe­nden Elfmetersc­hießen den Ball kein einziges Mal im Tor unterzubri­ngen. Chiles Keeper Claudio Bravo hielt alle drei Schüsse. Die Portugiese­n indes wandeln offenbar auf den Spuren der Engländer (siehe Randbemerk­ung). In der Vorrunde hatten sich die Deutschen 1:1 von Chile getrennt.

„Dann gucke ich mich um und sehe Spieler wie Benny Henrichs, die noch mal drei Jahre jünger sind als ich.“

Emre Can, 23

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Foto: witters Geht keiner Überzahl aus dem Weg: Emre Can, der beim Confed Cup vom Verteidige­r zum Mittelfeld­spieler aufgestieg­en ist.

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