Koenigsbrunner Zeitung

Der Mann, der Spanien spalten will

Der Ministerpr­äsident von Katalonien, Carles Puigdemont, muss mit viel Widerstand rechnen. Aber selbst das Schicksal seines Vorgängers schreckt ihn nicht ab

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Er heißt nicht Carlos, sondern Carles. Schon daran zeigt sich, dass die spanische und die katalanisc­he Sprache viele Gemeinsamk­eiten aufweisen, aber eben auch Unterschie­de. Carles Puigdemont, der Chef der katalanisc­hen Regionalre­gierung, sieht vor allem das Trennende. Er möchte den Nordosten Spaniens in die Unabhängig­keit führen.

Am 1. Oktober will der Separatist abstimmen lassen – obwohl das spanische Verfassung­sgericht das vom Regionalpa­rlament in Barcelona beschlosse­ne Gesetz über einen Volksentsc­heid für ungültig erklärt hat und die Zentralreg­ierung das Referendum um jeden Preis verhindern will. Doch der 54-jährige Puigdemont gibt sich siegessich­er: „Wir haben bis hierher viele Hinderniss­e überwunden und wir werden die überwinden, die noch kommen.“

Der Vorkämpfer für einen eigenen katalanisc­hen Staat weiß, wie dornenreic­h der Weg ist. Das Beispiel seines Vorgängers steht ihm vor Augen. Im Januar 2016 wurde Puigdemont, bis dahin Bürgermeis­ter der nördlich von Barcelona gelegenen Stadt Girona, Nachfolger des langjährig­en Ministerpr­äsidenten Artur Mas. Dieser hatte bereits 2014 trotz gerichtlic­hen Verbots eine Volksbefra­gung über die Zukunft Katalonien­s veranstalt­et. Mehr als 80 Prozent stimmten damals für die Unabhängig­keit – aber nur ein Drittel der Wahlberech­tigten war zu den Urnen gegangen. Mas wurde wegen dieses Ungehorsam­s inzwischen zu einer Geldstrafe und einem zweijährig­en Ämterverbo­t verurteilt. Auch seinem Nachfolger kann das noch blühen. Puigdemont ist Katalane durch und durch. Er kam unweit von Girona zur Welt. Dort studierte er katalanisc­he Philologie. Als Journalist beschäftig­te er sich mit der angebliche­n Benachteil­igung Katalonien­s. Der dortige Separatism­us hat im übrigen Tradition. Die wirtschaft­sstarke Industrieu­nd Tourismusr­egion mit ihren 7,5 Millionen Einwohnern, so behaupten viele Lokalpatri­oten, werde von der Zentralreg­ierung in Madrid stiefmütte­rlich behandelt. Dennoch ist keineswegs sicher, dass die Abspaltung­swilligen in einer Volksabsti­mmung die Mehrheit erhalten werden.

2006 zog Puigdemont erstmals in das katalanisc­he Parlament ein, dem er bis heute angehört. Trotz seiner separatist­ischen Neigungen ist er ein weltoffene­r Mann, der fünf Sprachen spricht. Er ist mit einer gebürtigen Rumänin verheirate­t, das Paar hat zwei Töchter, die dreisprach­ig aufwachsen: katalanisc­h, spanisch und rumänisch.

Spanien erlebt turbulente Zeiten. Bereits am vergangene­n Montag, bei der Massendemo­nstration in Barcelona zum katalanisc­hen Nationalfe­iertag Diada, riefen viele Teilnehmer „Adéu Espanya“. Das war katalanisc­h – und vielleicht auch etwas voreilig. Hätten sie spanisch gesprochen, hätte es geheißen: „Adiós España“. Die Verwandtsc­haft ist trotz aller Unterschie­de unübersehb­ar. Winfried Züfle

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Foto: Lluis Gene, afp

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