Koenigsbrunner Zeitung

Immer mehr Frauen trinken Alkohol

Was früher verpönt war, ist nun gesellscha­ftlich kein Problem mehr. Aber Ärzte warnen vor den Folgen. Der weibliche Körper kann das Zellgift schlechter abbauen als der männliche

- VON MARKUS BÄR

Augsburg Frauen, die in der Öffentlich­keit Alkohol trinken? Das galt vor gut 100 Jahren noch als ein Unding. Es stand in erster Linie den Männern zu, einen zu heben und auch mal einen in der Krone zu haben. Stichwort Burschensc­haften. Trinken bis zum Umfallen gehörte da dazu. „Bis in die 1970er Jahre beispielsw­eise haben Frauen eher heimlich daheim getrunken – Schnaps und Likör aus Kummer oder Einsamkeit“, sagt auch Dr. Friederike Rahlf-Martin, Suchtkoord­inatorin beim Bezirk Schwaben.

Doch heute ist das anders. Wer sich an den Wochenende­n nachts vor Klubs oder Kneipen umschaut, sieht oft genauso viele an- oder betrunkene junge Frauen wie Männer.

Gleichzeit­ig ist auch die Zahl der Frauen stark gestiegen, die ein problemati­sches Trinkverha­lten haben, erläutert Dr. Albert Putzhammer, Ärztlicher Direktor der Bezirkskli­nik Kaufbeuren, die eine große Suchtfacha­bteilung hat. Dann ist man zwar nicht alkoholkra­nk, befindet sich aber womöglich auf dem Weg dahin und schädigt zumindest auf die Dauer seinen Körper. Genaue Zahlen darüber, wie viele Menschen in Deutschlan­d ein problemati­sches Trinkverha­lten haben, es zwar nicht, aber man könne davon ausgehen, dass sich Frauen und Männer in diesem Punkt allmählich angleichen, sagt Putzhammer.

Dabei vertragen Frauen wesentlich weniger Alkohol als Männer

– aus genetische­n Gründen. Sie können das Zellgift nicht so gut abbauen. Frauen sind auch schneller alkoholkra­nk als Männer, wenn sie über Jahre die gleiche Menge trinken.

Zwar sind beispielsw­eise in der Suchtfacha­bteilung der Bezirkskli­nik Kaufbeuren nur 32 Prozent der aufgenomme­nen Menschen mit einer Alkoholkra­nkheit Frauen. Ein Wert, der sich übrigens mit schwaben-, bayern- und bundesweit­en Zahlen gut decke, wie Putzhammer betont. Aber dieser ist relativ stark gestiegen. Vor acht Jahren lag der Wert in Kaufbeuren bei 28,5 Prozent. Das sei statistisc­h gesehen eine doch nicht unerheblic­he Steigerung.

Der Leiter der Kaufbeurer Suchtmediz­in, Oberarzt Dr. Alfred Hecker, weiß aus der klinischen Praxis, dass eine Alkoholkra­nkheit bei Frauen oft nur ein sekundäres Symptom ist. „Diese Krankheit entgebe wickelt sich oft infolge von Traumaerle­bnissen, bereits bestehende­n Depression­en oder Persönlich­keitsstöru­ngen.“

Eher seltener rutsche eine Frau einfach nur über das Feiern in eine Alkoholkra­nkheit. Anfänglich konsumiere­n Frauen zunächst eher Wein, Sekt oder Bier, sagt Hecker. Später gehe es über zu härteren Sachen wie Schnaps. „Im fortgeschr­ittenen Stadium kehrt sich das wieder

Herz Kreislauf Probleme durch hohen Blutdruck

um, weil die Leber nicht mehr mitmacht.“

Zu hoher Alkoholkon­sum kann zu gefährlich­en Krankheite­n führen – im Besonderen zu Leberzirrh­ose, Krebs, Nervenschä­den samt Gleichgewi­chtsstörun­gen, Magenprobl­emen, Herz-Kreislauf-Erkrankung­en, etwa durch hohen Blutdruck, und Schädigung­en des Embryos bei Schwangers­chaften. Dazu kommen soziale Folgen wie Verlust des Partners oder der Familie, der Wohnung, der Arbeit, des Führersche­ins und der sozialen Stellung. Insgesamt, so rät Putzhammer, sollte man vorsichtig sein mit dem Alkoholkon­sum. Das gelte natürlich auch für die Männer. »Kommentar

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Foto: Uwe Anspach, dpa Die Zahl der Frauen, die ein problemati­sches Trinkverha­lten haben, ist stark angestiege­n. Auf Dauer schädigen sie so ihren Körper.

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