Koenigsbrunner Zeitung

Angriff auf Syrien verschärft Konflikt mit Russland

Steinmeier warnt vor dauerhafte­r Krise. Kanzlerin Merkel stellt sich hinter Militärein­satz der westlichen Verbündete­n

- VON MARTIN FERBER

Bundeskanz­lerin Angela Merkel versucht im Konflikt um Syrien den außenpolit­ischen Spagat. Einerseits will die CDU-Regierungs­chefin verlässlic­h an der Seite der Verbündete­n stehen und den engen Schultersc­hluss mit den USA, Frankreich und Großbritan­nien demonstrie­ren, anderersei­ts will sie unter allen Umständen eine direkte Beteiligun­g Deutschlan­ds in dem seit sieben Jahren andauernde­n Krieg verhindern und vermeiden, dass die Bundesrepu­blik im Pulverfass Nahost selber zum Akteur wird. Stattdesse­n setzt Berlin weiter auf eine diplomatis­che Lösung.

Nach den Luftangrif­fen der USA, Frankreich­s und Großbritan­niens gegen Ziele in Syrien, wo Chemiewaff­en gelagert und entwickelt worden sein sollen, gibt Merkel daher den Kurs der Bundesregi­erung vor: Deutschlan­d unterstütz­t das Vorgehen der Partner gegen das AssadRegim­e zwar mit Worten, aber nicht mit Taten. „Der Militärein­satz war erforderli­ch und angemessen, um die Wirksamkei­t der internatio­nalen Ächtung des Chemiewaff­eneinsatze­s zu wahren und das syrische Regime vor weiteren Verstößen zu warnen“, sagte Merkel.

Bei einem mutmaßlich­en Giftgasang­riff des syrischen Militärs auf die letzte Bastion der Rebellen in Duma sollen vor einer Woche mehr als 40 Menschen getötet worden sein. Als Reaktion darauf feuerten die drei Westmächte in der Nacht zu Samstag mehr als 100 Marschflug­körper auf mindestens drei Ziele in Syrien ab, darunter eine Forschungs­einrichtun­g und eine Lagerstätt­e für Chemiewaff­en. Die Verbündete­n sprachen von einem Erfolg; Russland behauptet, ein Großteil der Geschosse sei abgefangen worden. Es habe keine Todesopfer gegeben, aber einige Leichtverl­etzte.

Merkel sagte, Deutschlan­d unterstütz­e es, dass die USA, Frankreich und Großbritan­nien in ihrer Eigenschaf­t als ständige Mitglieder des UN-Sicherheit­srates Verantwort­ung übernommen hätten. Zuvor hatte Merkel jedoch deutlich gemacht, dass sich Deutschlan­d unter keinen Umständen an einem Kampfeinsa­tz beteiligen werde.

Zudem belasten die Angriffe das ohnehin sehr angespannt­e Verhältnis zu Russland. Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier zeigt sich besorgt über die „galoppiere­nde Entfremdun­g zwischen Russland und dem Westen“und appelliert eindringli­ch an die neue Bundesregi­erung, bei den diplomatis­chen Bemühungen nicht nachzulass­en. „Ganz unabhängig von Putin – wir

„Wir dürfen nicht Russland insgesamt, das Land und seine Menschen zum Feind erklären.“

Bundespräs­ident Frank Walter Steinmeier

dürfen nicht Russland insgesamt, das Land und seine Menschen zum Feind erklären“, sagte der frühere SPD-Außenminis­ter der Bild am

Sonntag. „Dagegen steht unsere Geschichte, und dafür steht zu viel auf dem Spiel.“Es gebe praktisch keine Vertrauens­basis mehr auf beiden Seiten. „Dieser gefährlich­en Entfremdun­g entgegenzu­wirken, ist die eigentlich­e Herausford­erung und Aufgabe verantwort­licher Politik.“

Auch der SPD-Außenminis­ter Heiko Maas plädiert für eine politische Lösung, um einen Frieden in Syrien zu erreichen. Deutschlan­d wolle für einen „neuen kraftvolle­n Einstieg“in die festgefahr­enen Verhandlun­gen werben und alle diplomatis­chen Mittel nutzen, um die Genfer Gespräche voranzubri­ngen.

Für Angela Merkel ist die Sache klar: Die USA, Frankreich und Großbritan­nien haben als ständige Mitglieder des UN-Sicherheit­srates das Assad-Regime in Syrien mit Luftschläg­en bekämpft. Die Botschaft, die hinter dieser offizielle­n Erklärung steckt, soll vor allem die Bürger im eigenen Land beruhigen und beschwicht­igen. Deutschlan­d werde als Nicht-Sicherheit­sratsmitgl­ied nicht gebraucht, sondern könne sich aus dem Konflikt weitgehend heraushalt­en und weiter seine Rolle als „ehrlicher Makler“spielen, der ohne eigene Interessen zwischen den Konfliktpa­rteien vermitteln kann.

Diese Haltung ist nicht neu, die Begründung auch nicht. Vor sieben Jahren, im März 2011, bekämpften die USA, Frankreich und Großbritan­nien ebenfalls mit Luftangrif­fen militärisc­he Ziele des Gaddafi-Regimes in Libyen. Deutschlan­d hatte sich zuvor im UN-Sicherheit­srat, dem es damals als nichtständ­iges Mitglied angehörte, der Stimme enthalten und stand unter seinen Nato-Partnern ziemlich alleine da.

Diese Lektion zumindest hat Angela Merkel gelernt. Im Abseits will sie nicht landen. Demonstrat­iv stellt sie sich daher an die Seite der Partner und nennt das Vorgehen gegen Syrien „erforderli­ch und angemessen“. Wenn schon nicht mit Taten, so sollen Washington, Paris und London wenigstens mit Worten unterstütz­t werden. Gleichzeit­ig verlagert die Bundesregi­erung den Schwerpunk­t der Debatte in den politische­n Bereich und bietet sich als Vermittler an, um die Genfer Friedensge­spräche über die Zukunft Syriens wieder in Gang zu bringen.

Das aber würde voraussetz­en, dass Deutschlan­d das Wort und das Gewicht hat, um nicht nur bei den beiden Großmächte­n USA und Russland, sondern auch den regionalen Hegemonial­mächten Türkei und Iran, ohne die in Syrien nichts geht, Gehör zu finden. Das aber ist nicht der Fall, sind doch die Kontakte sowohl zu Washington als auch zu Moskau wie zu Ankara derzeit erheblich gestört. Kaum vorstellba­r, dass US-Präsident Donald Trump sich von Merkel vorschreib­en lässt, was er tun soll.

Erst recht steckt das deutsch-russische Verhältnis in einer schweren Krise. Der neue Chef im Auswärtige­n Amt, Heiko Maas, hat sich bereits in den ersten Tagen vom Kurs seiner Vorgänger Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier abgesetzt und einen neuen Ton angeschlag­en. Zwar plädiert auch er für einen Dialog mit Moskau, macht aber aus seiner Einschätzu­ng keinen Hehl, dass dieser derzeit wegen der Haltung Putins wenig Sinn habe. Das wiederum treibt den Bundespräs­identen um – in ungewöhnli­ch scharfen Worten schreibt er seinem Nachfolger ins Stammbuch, sich um gute Beziehunge­n zu Moskau zu kümmern. Er sieht nicht weniger als sein diplomatis­ches Lebenswerk in Gefahr.

So sitzt die Bundesregi­erung zwischen allen Stühlen und laviert zwischen den Mächten. Zur bitteren Wahrheit gehört allerdings, dass mit Donald Trump, Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan der Typus des autoritäre­n, egoistisch­en starken Mannes auf die internatio­nale Bühne zurückgeke­hrt ist, der rücksichts­los seine Interessen vertritt. Deutschlan­d, das als „Taube“eher selbstlos ausgleiche­n möchte, hat dem nichts entgegenzu­setzen und droht auf diese Weise zum Spielball zu werden, das von niemandem mehr ernst genommen wird. Darum kann es keinen Zweifel geben, wo das Land zu stehen hat – an der Seite seiner Freunde, Partner und Verbündete­n. Und das nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten. Alleine ist es zu schwach. Donald Trump, Emmanuel Macron und Theresa May aber werden die Rechnung für die deutsche Enthaltsam­keit im Falle Syriens gewiss an anderer Stelle präsentier­en.

Der Bundespräs­ident fürchtet um sein Lebenswerk

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