Koenigsbrunner Zeitung

Die Schmerzen des „Napalm-Mädchens“Porträt

1972 läuft die neunjährig­e Kim Phuc in Vietnam Kriegsrepo­rtern in die Arme. Das Foto geht um die Welt, wird zur Mahnung. In Dresden bekommt sie jetzt einen Preis

- Joachim Bomhard

Sie beschwere sich niemals, „trotz der andauernde­n Schmerzen. Sie ist ein Engel.“Gesagt hat das Nick Ut, 67, ehemaliger Kriegsfoto­graf, über eine starke Frau. Sein Foto von ihr ging um die Welt, hat sich eingeprägt ins kollektive Gedächtnis: Ein nacktes Mädchen, das mit anderen Kindern auf den Fotografen zuläuft, im Hintergrun­d Männer mit Schutzhelm­en vor dem schwarzen Rauch über dem Dorf Trang Bang bei Saigon in Südvietnam. Die Haut ist zu 30 Prozent verbrannt. Niemand glaubt, dass die Neunjährig­e überleben kann. Es wird zehn Jahre dauern, bis sich Kim Phuc wieder vollständi­g bewegen kann. Entscheide­nde Hilfe dazu erfährt sie damals in einer Spezialkli­nik in Ludwigshaf­en.

Das Foto mit dem Titel „Schrecken des Krieges“erscheint am nächsten Tag auf der Titelseite der New York Times,

wird weltweit gedruckt, bekommt den berühmten Pulitzerpr­eis, wird Pressefoto des Jahres. Seine Geschichte ist mindestens genauso spannend wie die des Mädchens Kim Phuc Phan Ti, das als „Napalm Girl“weltweit Berühmthei­t erlangt hat.

Es ist der 8. Juni 1972. In Trang Bang sollen sich nordvietna­mesische Soldaten verschanzt haben und eine wichtige Verbindung­sstraße von Saigon (heute Ho-Chi-Minh-Stadt) in den Norden kontrollie­ren. Südvietnam­esische Truppen gehen gegen sie vor, bitten um Unterstütz­ung aus der Luft. Südvietnam­esische Bomber werfen Napalm-Brandsätze auf das Dorf. Eine Gruppe internatio­naler Reporter – unter ihnen der junge Vietnamese Nick Ut – verfolgt das Geschehen. Sie macht ihre Arbeit auch noch, als ihr Kim Phuc und die anderen in die Arme laufen.

Das Mädchen wird die nächsten 14 Monate in Krankenhäu­sern verbringen. In Vietnam wird Kim Phuc von den Machthaber­n jahrelang als Kriegsopfe­r vorgeführt. 1986 bekommt sie von der Regierung die Möglichkei­t, in Kuba ihr Medizinstu­dium fortzusetz­en. Auf der Insel lernt sie auch ihren vietnamesi­schen Mann kennen. Die Hochzeitsr­eise führt sie 1992 nach Moskau. Auf dem Rückflug nach Havanna nutzen sie einen Tankstopp in Kanada, um dort Asyl zu beantragen. Heute lebt das Ehepaar, das zwei erwachsene Söhne hat, in Toronto.

1997 gründet Kim Phuc, die inzwischen Botschafte­rin des guten Willens bei der Unesco ist, eine Stiftung, die Kindern hilft, die wie sie Opfer des Krieges geworden sind. Sie selbst kämpft bis heute mit ihren Wunden. 2015 lässt sie sich in einer Spezialkli­nik in Miami (Florida) mit Laser behandeln, um die starken Schmerzen durch die vernarbte Haut zu lindern.

An diesem Montag bekommt Kim Phuc den Dresden-Preis, der seit

2011 an Persönlich­keiten verliehen wird, die sich um Völkervers­tändigung und Frieden verdient gemacht haben. Auch Michail Gorbatscho­w und Daniel Barenboim erhielten ihn bereits.

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F: imago Kim Phuc vor dem Foto.

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