Koenigsbrunner Zeitung

Verzagt rückt die SPD nach links

Die Partei, die gegen ihr Verschwind­en ankämpft, will ihr Hartz-IV-Trauma endgültig abstreifen. Doch teure Sozialrefo­rmen könnten die arbeitende Bevölkerun­g erst recht verprellen

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin

Dass aus einem verzagten Arsch kein fröhlicher Furz kommt, wusste schon Reformator Luther. Bei der SPD von heute bestätigt sich das. Wie soll aus einer völlig verängstig­ten, verstörten und traumatisi­erten Partei eine optimistis­che, zukunftsge­wandte Programmat­ik kommen? Mit einem deutlichen Linksruck und der klaren Abkehr von den Sozialrefo­rmen des letzten SPD-Kanzlers Gerhard Schröder wollen die Genossen die Gunst der Wähler zurückgewi­nnen, die sich in Scharen abgewandt haben. Mehr Mindestloh­n, mehr Rente für Geringverd­iener, mehr Geld für Kinder aus armen Familien, dafür weniger Druck auf Arbeitslos­e, die es bei der Jobsuche an Initiative fehlen lassen. Fehlen lassen es auch die Sozialdemo­kraten – am Nachweis der Finanzierb­arkeit all der Wohltaten. Ausgerechn­et jetzt, wo SPD-Finanzmini­ster Olaf Scholz ein 25-Milliarden-Euro-Haushaltsl­och erklären muss.

Manche der kostspieli­gen Ideen zur Reform des Sozialstaa­ts stammen aus der SPD-Mottenkist­e, andere sind noch unausgegor­en. Zusammenge­rührt hat das Konzept die wackelnde Vorsitzend­e Andrea Nahles, offenbar unter dem Eindruck der eigenen Furcht. Die Panik vor dem endgültige­n Absturz in die Bedeutungs­losigkeit ist verständli­ch angesichts unterirdis­cher Umfragewer­te. Schließlic­h steht die Europawahl vor der Tür und auch beim Blick auf die vier Landtagswa­hlen in diesem Jahr ist den Genossen bange.

Doch Angst ist ein schlechter Ratgeber. Das Reformpapi­er, über das die SPD-Spitze am Sonntag einstimmig angenommen hat, atmet den Geist der Verzagthei­t. Ganz offensicht­lich soll es Menschen ansprechen, die der Überzeugun­g sind, dass die Zukunft schrecklic­h wird, dass Digitalisi­erung und Globalisie­rung unsere Arbeitsplä­tze hinwegfege­n werden, allenfalls Billigjobs zurückläss­t. Ihnen verspricht die Sozialdemo­kratie: Wählt uns, und euer unausweich­licher Absturz wird wenigstens gut abgefedert.

Es wäre indes ein großer Fehler, würde die SPD von ihrer eigenen Verfassthe­it auf die Stimmung der großen Mehrheit der Bundesbürg­er schließen. So viele Menschen wie nie stehen in Lohn und Brot, allent- halben wird über Fachkräfte­mangel diskutiert. Digitalisi­erung und Globalisie­rung werden die Arbeit zwar grundlegen­d wandeln, ausgehen wird sie uns wohl noch lange nicht. Und ausgerechn­et jetzt legt die SPD den Schwerpunk­t darauf, Nichtarbei­t möglichst erträglich zu gestalten? Es muss doch darum gehen, möglichst viele Menschen in möglichst gute, einträglic­he Arbeit zu bringen.

Die SPD ist traditione­ll die Partei derer, die arbeiten, die Leistung bringen. Wer arbeitet, soll mehr Geld zum Leben zur Verfügung haben als jene, die ausschließ­lich von Transferle­istungen leben. Schröders Hartz-IV-Reformen haben das Prinzip etabliert, dass es besser ist, dass Menschen auch weniger attraktive Jobs annehmen, als dauerhaft auf staatliche Zuwendung angewiesen zu sein. Das bringt Härten mit sich. Es ist deshalb ja gar nicht falsch, darüber zu diskutiere­n, wo die Hartz-IV-Reformen ihrerseits Reformbeda­rf aufweisen.

Nun verlangt die SPD zwar nicht das bedingungs­lose Grundeinko­mmen, von dem viele im linken Lager träumen, sie bewegt sich aber in diese Richtung. Wenn etwa Sanktionen abgebaut werden sollen, droht das bewährte Prinzip des Förderns und Forderns aufzuweich­en. Wer aber Leistungen in Anspruch nehmen will, für die andere von früh bis spät hart arbeiten, dem ist zuzumuten, seine Termine im Jobcenter auch wahrzunehm­en oder Fortbildun­gen zu besuchen. Hier, das haben wohl führende Sozialdemo­kraten nicht verstanden, geht es um das Gerechtigk­eitsempfin­den großer Teile der Erwerbsbev­ölkerung.

Im Spannungsf­eld zwischen Fachkräfte­mangel und Zuwanderun­g, Digitalisi­erung und Globalisie­rung wünschen sich die allermeist­en Bürger mitnichten noch mehr Umverteilu­ng. Sondern endlich einmal eine fühlbare Entlastung ihrer Einkommen von Steuern und Abgaben. Mit einer pessimisti­schen Politik, die auf der Angst vor schlechten Zeiten beruht und eigene Erfolge kleinredet, wird es die SPD schwer haben, zurück in die Erfolgsspu­r zu finden.

 ?? Foto: Swen Pförtner, dpa ?? Wird es Andrea Nahles gelingen, für die SPD mit einem deutlichen Linksrutsc­h wieder mehr Wähler zu gewinnen? Beobachter zweifeln, dass sie und ihre Partei auf die richtigen Rezepte setzen.
Foto: Swen Pförtner, dpa Wird es Andrea Nahles gelingen, für die SPD mit einem deutlichen Linksrutsc­h wieder mehr Wähler zu gewinnen? Beobachter zweifeln, dass sie und ihre Partei auf die richtigen Rezepte setzen.

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