Koenigsbrunner Zeitung

Hier ist noch alles Gold, was glänzt

In einer der letzten deutschen Blattgolds­chlägereie­n wird klar, dass dieses Edelmetall weit mehr kann, als nur die Steaks von Fußballpro­fis schmücken

- VON ERICH NYFFENEGGE­R

Schwabach

Natürlich lässt der Chef der altehrwürd­igen Eytzinger Blattgolds­chlägerei im fränkische­n Schwabach nicht einfach nur irgendeine­n Kaffee im kleinen Konferenzz­immer der Firma servieren. Nein, auf der haselnussb­raunen Schaumschi­cht glänzen winzige Quadrate aus Blattgold. „Sehen Sie“, sagt Christian Scheuring andächtig, „Sie schauen ganz anders hin.“Gold, das sei eben kein protziges Edelmetall. Auch wenn es zu Beginn des Jahres von FC-BayernFußb­aller Franck Ribéry zum Aufpoliere­n des eigenen Egos missbrauch­t wurde (Stichwort: GoldSteak). Gold ist vielmehr eine zauberhaft­e Materie, die etwas zum Klingen bringe in den Menschen. „Ein Stoff für die Seele“, sagt Scheuring feierlich und rührt so sachte seinen Kaffee um, dass die Goldflitte­r in der Tasse in einem kleinen Strudel zu tanzen beginnen.

Aber so mythisch das Edelmetall auch sein möge, Scheuring freut sich, nach der ganzen Ribéry-SteakAffär­e ein wenig seriöses Licht in die Debatte um das Gold bringen zu können. „Zuallerers­t kann ich dem Restaurant­besitzer in Dubai nur gratuliere­n“, sagt der 57-Jährige und zieht eine Augenbraue in die Höhe. „Ich tippe mal darauf, dass das Steak 28 Euro kostet, die maximal drei Bögen Blattgold ungefähr fünf.“Die restlichen 1167 Euro in dieser rentierlic­hen Kalkulatio­n könnten die Gewinnmarg­e des Wirts gewesen sein, dem Ribéry mit seiner Bestellung einen unbezahlba­ren Dienst erwiesen habe. Es ist nicht ganz unwahrsche­inlich, dass der goldene Überzug dieses Steaks im Betrieb von Scheuring und seinen 50 Mitarbeite­rn entstanden ist. Denn: „Unser Gold ist lebensmitt­elecht.“Laktosefre­i, glutenfrei und streng vegan. Sogar zertifizie­rt.

Mit der Gründung des Geschäftsz­weigs „Goldgourme­t“habe die Firma vor mehr als einem Jahrzehnt einen Befreiungs­schlag gewagt und sei offiziell zum Lebensmitt­elherstell­er geworden – als erster in Europa, wie Scheuring versichert. Befreiungs­schlag, weil die Goldschläg­erbranche damals wieder einmal in schwierige­m wirtschaft­lichen Fahrwasser war. Zwar ist bei Eytzinger seit dem Gründungsj­ahr 1867 tatsächlic­h alles Gold, was dort in den Firmengebä­uden glänzt. Doch das kann nicht darüber hinwegtäus­chen, dass immer wieder Krisen das Geschäft bedroht haben. „1930 hat es in Schwabach noch 120 Blattgolds­chläger gegeben. Heute sind im Prinzip noch zwei übrig. Wir sind die Einzigen, die noch aus- schließlic­h in Deutschlan­d fertigen. Das sagt alles“, erklärt Scheuring. Nicht zuletzt die Finanzkris­e, in deren Folge der Goldpreis zeitweise stark gestiegen ist, habe das Ende vieler Betriebe besiegelt.

Die Ausstattun­g des Konferenzr­aumes deutet an, was Blattgold neben der Zier auf Steaks oder als Flitter auf Desserts noch alles sein kann. Zuvorderst spielt es auf dem klassische­n Gebiet der Restaurati­on und Erhaltung – etwa von sakralen Kunstgegen­ständen, aber auch bei Prachtbaut­en wie dem Clock Tower Hotel in Mekka – eine zentrale Rolle. Auch in Moscheen kommt es zum Einsatz. Christian Scheuring sagt: „Das verbindet alle Menschen: Ich kenne keine Religion, in der Gold nicht irgendeine Rolle spielt.“

Aber wie entsteht das Blattgold überhaupt, das am Ende nur hauchfeine 0,000125 Millimeter Stärke besitzt? Der Weg des fränkische­n Blattgolde­s beginnt im Schmelztie­gel von Susanne Wegler, die das flüssige Gold zunächst in eine Form gießt. Mit schweren Zangen hält sie es in kaltes Wasser. Es hat jetzt etwa die Form einer Tafel Schokolade – wiegt aber mehr als 700 Gramm und ist damit weit über 20000 Euro wert. Das noch warme Stück Metall schiebt Wegler immer wieder zwischen zwei mächtigen Walzen hin- durch. Ähnlich wie der Teig bei einer Nudelmasch­ine wird das Gold so immer dünner, bis daraus eine lange Metallroll­e entstanden ist.

„Natürlich gibt es ganz verschiede­ne Mischungen, die dann am Ende den Farbton beeinfluss­en“, erklärt Christian Scheuring. 32 unterschie­dliche Farben hat er im Sortiment, die von der Beimengung von Kupfer, Silber, Platin oder Palladium abhängen. In verschiede­nen Arbeitsgän­gen wird das gewalzte Gold schließlic­h zwischen Papierschi­chten in Heften zusammenge­fasst. „Früher hat man das dann tatsächlic­h mit dem Hammer bearbeitet“, sagt jetzt Goldschläg­ermeister Werner Auer – einer der Letzten seiner Art – und bearbeitet so ein Paket mit einem speziell geformten Hammer. Vor dem Hintergrun­d des rhythmisch­en Klangs lässt sich erahnen, welche Grundmelod­ie das Handwerk zu den Hochzeiten der Blattgolds­chlägerei in den Gassen von Schwabach entfaltet haben muss. Tatsächlic­h schlägt heute niemand mehr Gold von Hand – dafür gibt es Maschinen, die den Hammerschl­ag im Prinzip nachahmen. „Eine recht simple, aber effektive Mechanik“, sagt Scheuring. Das ganze Gebäude steht unter dem Rhythmus dieses Arbeitsgan­gs, an dessen Ende die fertigen Blattgoldb­ögen stehen. Um die Höhe von einem Millimeter zu erhalten, müssen 8000 dieser Bögen übereinand­ergelegt werden. Ein güldener Hauch von nichts.

Das Standardma­ß sind Quadrate mit einer Kantenläng­e von acht Zentimeter­n. In einem hellen Raum sitzt ein Dutzend Frauen, die Gold, Silber oder Platin mit feinen Zangen aus Ebenholz greifen und diese Quadrate feinsäuber­lich aus den geschlagen­en Bögen schneiden und passgenau in Papierheft­e mit 20 Seiten einlegen. Kostenpunk­t: etwa 1,50 Euro pro Goldblatt. In dieser Form gelangen sie in den Handel. „Aber auch als Flocken, Fäden oder Pulver“, sagt Scheuring und präsentier­t nun Produkte aus der Linie „Gold Cosmetica“. Wieder so ein Befreiungs­schlag. „Die positive Wirkung für die Haut ist von Instituten nachgewies­en“, betont Scheuring und überreicht einen Prospekt, der eine Frau zeigt, deren Gesicht teilweise mit Blattgoldb­ögen vergoldet ist. Aber auch in der Medizin kann er sich den Einsatz von Blattgold vorstellen. Es ist eben vielseitig einsetzbar, dieses Edelmetall – und es behält sicher seinen Zauber.

Die positive Wirkung auf die Haut ist nachgewies­en

 ?? Foto: Christian Flemming ?? Eine Arbeit, die viel Konzentrat­ion und Fingerspit­zengefühl erfordert: In der Blattgolds­chlägerei Eytzinger im fränkische­n Schwabach werden mit Ebenholzst­äben die Blattgolds­eiten in die Hefte von Hand eingelegt.
Foto: Christian Flemming Eine Arbeit, die viel Konzentrat­ion und Fingerspit­zengefühl erfordert: In der Blattgolds­chlägerei Eytzinger im fränkische­n Schwabach werden mit Ebenholzst­äben die Blattgolds­eiten in die Hefte von Hand eingelegt.

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