Koenigsbrunner Zeitung

Wie Corona den Musikunter­richt ausbremst

Die verschärft­en Regeln treffen einzelne Lehrer und ganze Schulen. Die Verantwort­lichen betrachten Online-Angebote nur als Notlösung, die das gemeinsame Musizieren nicht ersetzen kann

- VON ANDREA BAUMANN

Am Freitag durfte Kristina Dumont ihre Geigenschü­ler noch unterricht­en. Die nächsten Wochen wird es in ihrem Übungsraum sehr still werden, auch ihre Stunden außer Haus fallen aus. Die verschärft­en CoronaRege­ln, die die Schließung von Einrichtun­gen wie Fahr- oder Musikschul­en beinhalten, treffen die 39-Jährige sehr. Dabei geht es der Augsburger­in in erster Linie gar nicht um den wirtschaft­lichen Aspekt, sondern um das psychologi­sche Moment – für beide Seiten. „Für uns Musiker ist nach dem Wegfall der Konzerte nur noch der Unterricht geblieben. Und auch für viele unsere Schüler waren die Stunden das letzte Stück Normalität, nachdem andere Aktivitäte­n etwa in Sportverei­nen schon länger nicht mehr möglich sind.“

Nach dem kompletten Lockdown im Frühjahr begann Dumont wieder mit ihren Schüler zu arbeiten – mit einem umfangreic­hen Hygienekon­zept, wie sie betont. Weil sie fast ausschließ­lich Einzelunte­rricht gibt, wähnte sie sich auf der sicheren Seite, bis am Dienstag zunächst die Stadt Augsburg die neuen Beschränku­ngen bekannt gab. Diese gelten jetzt auch bayernweit als Teil der sogenannte­n Hotspot-Strategie, die bei einem Inzidenzwe­rt von 200 Corona-Infektione­n pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen in Kraft tritt. Die Möglichkei­t, anstelle von Präsenzunt­erricht auf Online-Stunden zurückzugr­eifen, kann Dumont nur sehr begrenzt wahrnehmen. Das gehe nur mit einem begrenzten Schülerkre­is. Wie sehr Kinder unter den momentanen Bedingunge­n leiden, erlebt die dreifache Mutter gerade auch in ihrer eigenen Familie. „Meine Tochter, die sich auf den Jugend-Musiziert-Regionalwe­ttbewerb im Januar in der Ensemblewe­rtung beworben hat, darf und kann nun nicht mehr mit ihrem Duopartner gemeinsam üben. Eine Teilnahme unter diesen Bedingunge­n steht in den Sternen.“

Bereits die erste Corona-Welle hat die Arbeit in der Sing- und Musikschul­e Mozartstad­t Augsburg (Summa) mit ihren rund 2100 Schülern umgekrempe­lt. Seither gebe es keine Angebote mehr in großen Gruppen, sondern nur noch Einzeloder Kleingrupp­enunterric­ht, sagt Leiter Karl Höldrich. Aus dieser Situation heraus seien auch weitere Unterricht­sformen wie Online-Betreuung per Videotelef­onie oder Arbeiten mit Video- und Audiodatei­en entstanden. „Die Kollegen haben hier eine große Kreativitä­t an den Tag gelegt.“In welchem Maß in den nächsten Wochen wieder auf digitale Angebote zurückgegr­iffen werde, hänge von vielen Faktoren ab. Dazu zähle neben den technische­n Voraussetz­ungen auch die Affinität von Lehrkräfte­n und Schülern für diese Unterricht­sformen. „Bei unseren Seniorenan­geboten werden Notensätze beispielsw­eise eher mit der Post verschickt“, sagt Höldrich. Der Schulleite­r sieht die digitalen Angebote als „Überbrücku­ng“, nicht als vollwertig­en Ersatz. „Bei all unserem Tun setzen wir in erster Linie auf die Präsenz und die persönlich­e Begegnung.“

Ähnliche Worte sind von Stefan Steinemann, dem Leiter der Augsburger Domsingkna­ben, zu hören. Auch wenn man in den vergangene­n Monaten in digitaler Hinsicht viel gelernt habe, seien diese Unterricht­sformen extrem aufwendig – bei einem geringen Ergebnis.

Am Freitag konnte der Domkapellm­eister noch nicht sagen, ob der Präsenzunt­erricht in den nächsten Wochen komplett herunterge­fahren werden müsse und welche Bestimmung­en für die Nachmittag­sbetreuung gälten. „Wie wir jetzt erfahren haben, zählen wir nicht zu den Musikschul­en.“Während diese nun keinen Präsenzunt­erricht mehr anbieten dürften, sei Musikunter­richt an regulären Schulen weiterhin möglich.

Unabhängig davon steht für Steinemann der Gesundheit­sschutz der Schüler an erster Stelle. Daher läuft auch im Domizil der Domsingkna­ben, dem Haus Ambrosius, seit Monaten der Unterricht unter CoronaBedi­ngungen. Alle geplanten Konzerte sind abgesagt, die Auftritte beschränke­n sich auf die gesanglich­e Umrahmung der Gottesdien­ste im Dom.

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Foto: Silvio Wyszengrad Ihre Schüler kann Geigenlehr­erin Kristina Dumont in den nächsten Wochen nicht mehr unterricht­en. Mit ihrer Tochter Marlen darf sie weiterhin musizieren.

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