Landsberger Tagblatt

Die Solarworld-Pleite kratzt an der Energiewen­de

Leitartike­l Das einstige deutsche Vorzeigeun­ternehmen ist insolvent. Damit der Weg in die grüne Zukunft gelingt, ist ein Umsteuern nötig. Denn die Kosten sind hoch

- VON MICHAEL KERLER michael.kerler@augsburger­allgemeine.de

Frank Asbeck war einer der Stars der deutschen Energiewen­de. Das von ihm gegründete Unternehme­n Solarworld expandiert­e, Asbeck genoss den Erfolg, ging auf die Jagd, kaufte Entertaine­r Thomas Gottschalk ein Schloss ab. Solarworld stellt unter anderem Solarzelle­n her und beschäftig­t rund 3000 Mitarbeite­r. Jetzt ist Asbecks Firma insolvent – ein Schicksal, das zuvor schon andere deutsche Hersteller der Branche ereilt hatte. Wenig ist geblieben vom Traum eines deutschen „Solar Valley“. Zwar geht es hier um das Schicksal einzelner Unternehme­n. Die Insolvenze­n sagen aber viel über die Grundprobl­eme der Energiewen­de aus – steigende Kosten und ein Mangel an politische­n Antworten.

Zwei Dinge waren es, die deutschen Solar-Unternehme­n zum Verhängnis wurden. Zum einen die Konkurrenz aus China, die plötzlich mit großzügige­n staatliche­n Subvention­en Solarzelle­n viel billiger produziert­e. Zum anderen der Einbruch des deutschen Marktes nach den starken Förderkürz­ungen für Solarstrom ab 2012. Die Ökostrom-Umlage war damals in die Höhe geschnellt, der Strompreis stieg und stieg, die Politik musste reagieren. Für die Jobs in Deutschlan­d war der Einschnitt aber verhängnis­voll. Planbarkei­t ging verloren. Und trotzdem wurde Strom nicht günstiger. Im Gegenteil. Haushalte und Firmen kennen die Belastung.

Dabei schreitet die Umstellung auf grüne Energien besser voran als von vielen Kritikern befürchtet. Deutschlan­d versorgt sich inzwischen zu einem Drittel aus regenerati­ven Quellen. In Bayern tragen Sonne, Wasser, Wind und Biomasse bereits rund 40 Prozent zur Stromerzeu­gung bei. Und der Strom, den Privatleut­e heute mit einer neuen Photovolta­ik-Anlage auf dem Dach erzeugen, ist billiger als der vom Stromanbie­ter. Doch es ist eine Illusion, dass diese Entwicklun­g problemlos von allein so weitergeht.

Die Herausford­erungen der Zukunft liegen nicht nur darin, den Bau neuer Anlagen mit den berechtigt­en Sorgen von Anwohnern und dem Naturschut­z auszubalan­cieren. Für eine sichere Elektrizit­ätsversorg­ung muss im neuen, grünen Zeitalter auch die Stromverte­ilung neu aufgestell­t werden. Sie war bisher auf zentrale Kohle- und Atomkraftw­erke ausgelegt. Techniker müssen es jetzt schaffen, mit der schwankend­en Energie der Solaranlag­en und Windräder umzugehen. Mal gibt es Strom im Überfluss, mal fehlt er. Der Bau großer Gleichstro­mtrassen von Nord nach Süd ist aber in Verzug und wird teurer als anfangs geplant. Bayern hat berechtigt­erweise Erdkabel statt monströser Masten durchgeset­zt. Die in Zukunft wichtigen Stromspeic­her gibt es auch noch nicht in signifikan­tem Maßstab. Will man am Fahrplan für den Atomaussti­eg festhalten, wird es deshalb zumindest für eine Übergangsz­eit Reservekra­ftwerke, Stromimpor­te und eine teure Netzsteuer­ung geben – Fachleute sprechen von Netzeingri­ffen. Doch bereits heute machen Steuern und Umlagen rund 55 Prozent des Strompreis­es aus, die Netzkosten nochmals fast 25 Prozent. Gerade sie sind in letzter Zeit vielerorts stark gestiegen. Der Netzbetrie­b wird durch die Energiewen­de aufwendige­r.

Erste Ideen, die Belastung für den Verbrauche­r zu senken, gibt es. Ein Vorstoß sieht vor, die Ökostrom-Umlage zeitlich zu strecken und einen Fonds einzuricht­en. Auch Bayerns Staatsregi­erung hat die Idee zuletzt vorgebrach­t. Die Wirtschaft bringt angesichts hoher Steuereinn­ahmen immer wieder eine Senkung der Stromsteue­r ins Spiel. Auf jeden Fall wird deutlich, dass die Energiewen­de ein neues Finanzieru­ngsmodell braucht, wenn die Kosten weiter steigen. An politische­r Entschluss­kraft fehlt es aber.

Das Projekt braucht ein neues Finanzieru­ngsmodell

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