Landsberger Tagblatt

So teuer ist die Schulrefor­m

Bildung Für die Rückkehr zum G9 braucht Bayern 1000 neue Lehrer. Mancherort­s müssen zusätzlich­e Schulhäuse­r gebaut werden. Und die große Frage ist: Wer soll das bezahlen?

- VON SARAH RITSCHEL UND CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Augsburg Ein Jahr bewegte sich am neuen Gymnasium in Mering kein Bagger und keine Betonmisch­maschine. Denn mitten in Bauphase zwei des Gebäudes im Landkreis Aichach-Friedberg erreichte das Hin und Her um eine Reform des bayerische­n Gymnasiums seinen Höhepunkt. Und solange nicht klar war, ob Bayerns Gymnasiast­en künftig wieder neun Jahre lernen, wollte dort natürlich keiner ein Gymnasium bauen, in dem nur acht Jahrgangss­tufen Platz haben.

Jetzt ist das G9 zurück, in Mering wieder Betrieb auf dem Bau. Über der Mensa entstehen drei weitere Klassenzim­mer und Nebenräume für die zusätzlich­en G9-Schüler. Das Gesamtproj­ekt – Kostenschä­tzung: 31 Millionen Euro – verteuert sich voraussich­tlich um drei Millionen.

Was die Schulrefor­m in ganz Bayern kostet, das lässt sich im Moment nur schätzen. Die Personalko­sten jedoch kann man schon jetzt seriös beziffern. Mit einem gymnasiale­n Zusatzjahr braucht es an staatliche­n Schulen rund 1000 neue Lehrerstel- len. Sie sollen zum Schuljahr 2025/2026 geschaffen werden, wenn der erste Jahrgang mit dem 13. Schuljahr beginnt und damit erstmals wieder neun statt acht Jahrgänge unter einem Dach lernen. Das Gehalt der neuen Lehrer kostet den Freistaat nach Angaben des Kultusmini­steriums „voraussich­tlich rund 100 Millionen Euro pro Jahr“.

Ein großer Unsicherhe­itsfaktor sind hingegen die nötigen Baumaßnahm­en. Das Ministeriu­m rechnet damit, dass Erweiterun­gs- und Neubauten für die Reform „einmalig grob geschätzt rund 500 Millionen Euro“kosten. Viel zu niedrig kalkuliert, sagen Vertreter des Städtetags. Schon bevor der Landtag die Rückkehr des G9 im Dezember 2017 endgültig beschloss, hatte der Verband eigene Schätzunge­n vorgelegt. Man müsste demnach mindestens 600 bis 700 Millionen Euro in die Gymnasien investiere­n.

Denn wie in Mering brauchen reihenweis­e Schulhäuse­r mehr Klassenzim­mer. Die Metropole München benötigt voraussich­tlich sogar drei komplett neue Schulen, in Nürnberg ist es eine. Denn im dicht bebauten Stadtgebie­t fehlt schlicht der Platz, um bestehende Schulge- bäude zu vergrößern. Aber wer zahlt was und wie viel?

Das ist die Frage, die Politiker in der Landesregi­erung und an den Stadtspitz­en entzweit, selbst wenn sie derselben Partei angehören. Denn eigentlich sind die Kommunen für den Erhalt ihrer Schulbaute­n zuständig, die Landesregi­erungen für die Inhalte des Lehrplans. Doch wenn eine Regierung Städten und Gemeinden eine Maßnahme sozusagen aufs Auge drückt – zum Beispiel eine Schulrefor­m –, dann kommt das sogenannte Konnexität­sprinzip ins Spiel.

Achim Sing, Sprecher des bayerische­n Städtetags, übersetzt die Regelung gegenüber unserer Zeitung so: „Wer anschafft, soll auch bezahlen.“Sein Spitzenver­band fordere deshalb, dass der Freistaat die Baukosten komplett übernimmt. Aus dem Kultusmini­sterium kommt dazu bisher kein eindeutige­s „Ja“. Bei jeder Baumaßnahm­e wird demnach geprüft, welcher Anteil daran „G9-bedingt“ist. Dieser werde „nach den Grundsätze­n des Konnexität­sprinzips ausgeglich­en“. Wie der Freistaat und die Kommunen sich die Kosten aufteilen oder ob das Land gar doch alles zahlt, dürfte in den nächsten Monaten fertig verhandelt werden.

Aber warum sind die Schulen plötzlich zu klein? Sie beherbergt­en doch vor dem G8 auch neun Jahrgänge? Erstens sind die Übertritts­zahlen ans Gymnasium gestiegen. Im Schnitt 40 Prozent der Grundschül­er wechseln heute nach der 4. Klasse dorthin. Klassen werden zudem früher geteilt, Differenzi­erungsstun­den in kleinen Gruppen sind fester Bestandtei­l des Lernkonzep­ts. Dafür braucht es Räume.

Weit kleinere, aber ebenso strittige Posten in der Finanzieru­ng der Schulrefor­m: Wer zahlt Busse und Bahnticket­s, mit denen Jugendlich­e zur Schule fahren? Und wer kommt für die neuen Schulbüche­r auf, die für den überarbeit­eten Lehrplan nötig sind? Beides übernehmen bisher vorwiegend die Träger der Schulen.

Am Ende werden Staat und Kommunen das unter sich ausmachen. Die gute Nachricht: Für Eltern in Bayern sollen keine Zusatzkost­en entstehen.

Städtetag: „Wer anschafft, soll auch bezahlen.“

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Foto: Armin Weigel, dpa Das G8 ist Geschichte: Die Mehrheit der Lehrer, Eltern und Schüler in Bayern wollte es so. Für Kinder und Jugendlich­e soll das Gymnasium durch ein zusätzlich­es Jahr weniger stressig werden. Doch die Umsetzung der Reform ist ein Mammutproj­ekt.

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