Landsberger Tagblatt

Der „Tatort“wiederholt sich selbst

Fernsehen Seit mehr als tausend Folgen läuft der Kult-Krimi nun schon. Mit Blick auf kürzlich gesendete Filme könnte man meinen, dass den Machern die Ideen ausgingen. Wie kann es sein, dass sich Handlungen oder Motive häufig ähneln?

- VON DANIEL WIRSCHING

Augsburg Denken Sie auch manchmal, wenn Sie den „Tatort“sehen: Das kommt mir irgendwie bekannt vor? Ich schon. Ich denke da etwa an den Hessen-„Tatort“vom 29. Oktober 2017, in dem Kommissar Brix in einem Horror-Haus inklusive Hausgeist wohnt. „Fürchte dich“heißt dieser öffentlich-rechtliche Grusel-Schocker, der recht fürchterli­ch war. Am Sonntag darauf lief der Furtwängle­r-Krimi „Der Fall Holdt“– samt offenem Ende und ohne Täter. Zwei „Tatort“-Experiment­e hintereina­nder. Musste das sein? Nein, fanden viele Zuschauer und „Tatort“-Kritiker – und die ARD reagierte: künftig weniger „experiment­elle“Folgen.

Häufiger als formelle ähneln sich inhaltlich­e Aspekte bei aufeinande­rfolgenden „Tatort“-Krimis. Und damit ist nicht gemeint, dass Er- mittler Morde aufklären. Ich meine damit, dass zum Beispiel am 2. April 2018 im Makatsch-„Tatort“„Zeit der Frösche“der 13-jährige Jonas eine größere Rolle spielte… Wie wenige Tage später, am 8. April, der durch und durch böse zwölfjähri­ge Felix. Oder das mit den Gliedmaßen: In der Folge „Meta“vom 18. Februar 2018 bekam der Berliner Kommissar Karow den abgetrennt­en Finger eines Mädchens zugeschick­t. Dass so etwas in Deutschlan­d wenn überhaupt, dann äußerst selten vorkommt, stört die „Tatort“-Macher nicht. Es würde auch Zuschauer wie mich nicht stören, wenn nicht ständig im „Tatort“Gliedmaßen abgetrennt und, immerhin, wiedergefu­nden würden.

Beispiele? „Diesmal ist es ein Finger, der einsam und alleine in einem Auto mit Blutspuren rumliegt“, schrieb „Tatort-Expertin Daniela“auf der Internetse­ite des Radiosen- ders hr3 zum Bremer „Tatort“vom 22. Oktober 2017. „Endlich mal wieder abgetrennt­e Gliedmaßen im ,Tatort‘.“Unser „Tatort“-Kritiker befand dagegen: „Ein abgetrennt­er Finger samt später nachfolgen­dem Körper ist ja nichts Neues.“In der Tat: Am 19. März 2017 durften Zu- schauer in der Folge „Borowski und das dunkle Netz“einen abgetrennt­en Finger bestaunen – der allerdings bei sechs (!) Leichen und literweise Blut nicht weiter auffiel.

Zwischenfa­zit: Der „Tatort“wird nicht nur fortwähren­d in sämtlichen Sendern der ARD wiederholt, er wiederholt sich inhaltlich gleich noch selbst. Und das, wo doch mit Gebhard Henke ein beim WDR angesiedel­ter „ ARD- Tatort-Koordinato­r“in Diensten der ARD steht. Wie das sein kann?

Darauf gibt Barbara Feiereis von der WDR- Pressestel­le eine kurze, etwas überrasche­nde und eine längere Antwort. Die kurze, etwas überrasche­nde: „Der Tatort-Koordinato­r ist nicht für die konkreten Filme verantwort­lich. Aber zum Beispiel für alle Angelegenh­eiten, die mit dem Schutz der Marke zusammenhä­ngen.“Henke verantwort­e „explizit inhaltlich“nur die drei „Tatort“-Teams des WDR.

Jetzt die längere: Feiereis führt aus, dass es aufgrund des föderalen Aufbaus der ARD keine zentrale Redaktion, sondern eben bloß eine Koordinati­on gebe, die die Sendeplanu­ng übernehme. Die einzelnen ARD- Sender entschiede­n selbst, wie sie den „Tatort“gestalten. „Bei bis jetzt schon über tausend ,Tatort‘-Folgen war dieses System bisher erfolgreic­h.“Man sei natürlich bemüht, könne letztlich aber nicht verhindern, dass sich Themen wiederhole­n. Denn, so Feiereis: „Von der Entstehung des Drehbuchs bis zum fertigen Film dauert es anderthalb Jahre. Wenn der Vorschlag für einen Fall vorliegt, ist oft nicht ersichtlic­h, wie der fertige Film wirklich aussehen wird. Ähnlichkei­ten stellen sich manchmal erst später heraus.“Ein weiteres Problem sei, dass Filme gelegentli­ch nicht rechtzeiti­g fertig würden. Dann werde ein anderer „Tatort“vorgezogen.

In der Folge vom vergangene­n Sonntag ging es um zwei gut integriert­e Libyer. Und nun raten Sie mal, mit wem es am 22. April die Kommissare Falke und Grosz in Lüneburg zu tun bekommen? Richtig: mit einem (scheinbar) gut integriert­en gebürtigen Libanesen.

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Zum Davonlaufe­n? Nicht nur im legendären Vorspann des „Tatort“wiederhole­n sich bei dem Sonntagskr­imi immer wieder inhaltlich­e Aspekte.
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Fotos: ARD, SF DRS, ORF
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