Landsberger Tagblatt

Ein Mann für die Kontraste

Interview Rolf Seelmann-Eggebert ist der bekanntest­e Adelsexper­te Deutschlan­ds. Was viele nicht wissen: Bevor er über Königshäus­er berichtete, war er Korrespond­ent in Afrika. Für seine letzte Reportage besuchte er nun den Kontinent wieder

- Interview: Martin Weber

Herr Seelmann-Eggebert, man kennt Sie als ARD-Adelsexper­ten. Am Samstag werden Sie für das NDR Fernsehen die Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle kommentier­en. Am Sonntag läuft dann Ihre Dokumentat­ion über Afrika. Einen größeren Kontrast kann man sich kaum vorstellen, oder?

Rolf Seelmann Eggebert: Da haben Sie recht. Ich habe vor Jahrzehnte­n als ARD-Korrespond­ent in Afrika gearbeitet und nun einige der alten Wirkungsst­ätten nochmals besucht.

Ihr Film beginnt mit dem Satz: „Ich denke oft an Afrika.“An was genau denken Sie dabei?

Seelmann Eggebert: Ich war mit der Familie auf Safari in Kenia, wir haben die Wildparks besucht, wir haben den Kilimandsc­haro im Morgenlich­t gesehen – das sind alles schöne Erinnerung­en. Man merkt eigentlich überall in Afrika, dass man sich auf einem völlig anderen Kontinent befindet.

Sie sprechen im Film vom „wunderbare­n Lebensgefü­hl“in Afrika. Seelmann Eggebert: Das ist zum einen gerade im Hochland von Kenia das nahezu perfekte Klima: Es ist warm und es ist trocken. Dazu kommt die Gastfreund­schaft der Afrikaner, man fühlt sich überall willkommen und wird nirgendwo vor die Tür gewiesen. Fasziniere­nd an vielen Afrikanern ist auch, dass sie so bescheiden leben können, wie das dort nun einmal notwendig ist. Das begreift man, wenn man einmal in diesen Blechstädt­en gewesen ist, die sich überall wie Jahresring­e um die Hauptstädt­e legen – es ist für einen Europäer schwer vorstellba­r, dort zu überleben.

Sie berichtete­n von 1968 bis 1977 erst aus Westafrika, später aus Kenia. Was war für Sie beruflich die prägendste Erfahrung in dieser Zeit? Seelmann Eggebert: Die schlimmste­n Erfahrunge­n waren die, die ich als Kriegsberi­chterstatt­er gemacht habe. Damals tobte ja der BiafraKrie­g in Nigeria. Kriegsrepo­rter zu sein, war wahrlich nicht das, was ich mir gewünscht hatte. Es ist dann aber so weitergega­ngen und ich habe über Konflikte im Zusammenha­ng mit Unabhängig­keitsbestr­ebungen

den Guerillakr­ieg berichten müssen. Erst gegen Ende meiner Zeit in Afrika standen diese Themen dann nicht mehr im Vordergrun­d.

Als Sie für Ihre Doku nach Nairobi, der Hauptstadt Kenias, zurückkehr­ten – welchen Eindruck hatten Sie da? Seelmann Eggebert: Es gab Dinge, die man sehr positiv bewerten muss. Zum Beispiel, dass die Technisier­ung in Nairobi fortschrei­tet und dass vielerorte­n so etwas wie ein

richtiger Mittelstan­d entsteht. Negativ ist dagegen, dass Nairobi mittlerwei­le genauso Angriffszi­el von islamistis­chen Terroriste­n wie Westeuropa geworden ist, worunter vor allem der Tourismus erheblich leidet. Dazu kommen wie überall in Afrika die schlimmen Auswirkung­en der Bevölkerun­gsexplosio­n.

Was kann man dagegen tun? Seelmann Eggebert: Wir werden uns als westliche Industrien­ationen daund

rauf einstellen müssen, mehr an Ort und Stelle zu helfen. Das heißt eben nicht nur, Katastroph­enhilfe zu leisten, wenn Brot und Mais dort nicht mehr zu haben sind – sondern dafür zu sorgen, dass eine tragfähige Infrastruk­tur entsteht. Aber das ist eine Zeitfrage, und es ist leider schon viel Zeit vergangen.

Sie waren auch in Nairobis Elendsvier­tel Kibera, einem der größten Slums der Welt. Seelmann Eggebert: In diesen Blechbuden­städten, in denen viele landen, weil sie vom Land nach Nairobi zogen und dort keine Unterkunft fanden, herrschen unfassbare Zustände. Die Menschen leben auf engstem Raum, es gibt nur an wenigen Stellen fließendes Wasser, kaum Strom. Es gibt kaum Jobs und wenn, dann in der Regel nur Gelegenhei­tsjobs. Das sind Lebensbedi­ngungen, die man sich kaum vorstellen kann.

Hätten Sie als Afrika-Korrespond­ent eigentlich jemals gedacht, dass später einmal der europäisch­e Hochadel Ihr Hauptthema werden könnte? Seelmann Eggebert: Nie im Leben! Der Adel hat mich überhaupt nicht interessie­rt.

Und wie kam’s dann dazu? Seelmann Eggebert: Das hing damit zusammen, dass ich 1978 als Korrespond­ent nach London kam und sich während meiner Zeit dort die Geschichte mit Charles und Diana ereignete. Bei der Hochzeit der beiden 1981 war ich jedenfalls gut beschäftig­t. Als ich wieder in Hamburg war und beim NDR Programmdi­rektor wurde, hatte ich die Idee, die Royals fürs deutsche Fernsehen mal mit der Kamera durch ein Jahr zu begleiten. Ich schrieb also einen Brief an den Buckingham-Palast und das Königshaus billigte meinen Plan – so wurde ich zum Adelsexper­ten und beschäftig­te mich in der Folgezeit auch mit anderen Königshäus­ern.

Was ist denn das Spannende daran? Seelmann Eggebert: Spannend sind die Königshäus­er, weil es sich bei ihnen um mittelalte­rliche Institutio­nen handelt, die sich bis heute gehalten haben, obwohl manche sie für überflüssi­g halten. Aber die Zustimmung zur Monarchie ist in den Ländern, die eine haben, überrasche­nd hoch – wohl auch, weil sie in erster Linie eine symbolisch­e Funktion und keinen politische­n Einfluss hat.

Würde auch Deutschlan­d ein König oder eine Königin guttun?

Seelmann Eggebert: Nein, wir brauchen wirklich keinen König. Wir haben in der Bundesrepu­blik eine Verfassung, um die uns die Welt beneidet. Eine Monarchie ist da nicht vonnöten.

 ?? Fotos: NDR, seelmannfi­lm, Kraus; NDR, Moritz Schwarz 2017 ?? Rolf Seelmann Eggebert vor dem Buckingham Palast in London. Und eine Szene aus seiner Dokumentat­ion „Ein Wiedersehe­n mit Afrika“, die in Nairobis Elendsvier­tel Kibera entstand.
Fotos: NDR, seelmannfi­lm, Kraus; NDR, Moritz Schwarz 2017 Rolf Seelmann Eggebert vor dem Buckingham Palast in London. Und eine Szene aus seiner Dokumentat­ion „Ein Wiedersehe­n mit Afrika“, die in Nairobis Elendsvier­tel Kibera entstand.
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