Landsberger Tagblatt

Der Mammut Prozess dauerte fünf Jahre, zwei Monate und sechs Tage: Hier die schlimmste­n, die ergreifend­sten und die stärksten Momente aus dem Gerichtssa­al

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● Die Opfer Neun Männer und eine Frau haben Böhnhardt und Mundlos ermordet. Ihre Serie beginnt am 9. Sep tember 2000 in Nürnberg. Enver Simsek ist 38 Jahre alt, als ihn die Ku geln treffen. Am 13. Juni 2001 er morden sie den 49 jährigen Abdurrahim Özudogru in seiner Schneidere­i in Nürnberg. Süleyman Tasköprü ist 39, als ihn die beiden am 27. Juni 2001 in seinem Hamburger Gemüselade­n hinrichten. Am 29. August 2001 er morden sie den 38 jährigen Münchener Lebensmitt­elhändler Habil Kilic. Dann vergehen zwei Jahre, ehe Böhn hardt und Mundlos am 25. Februar 2004 in Rostock den 25 jährigen Meh met Turgut erschießen. Am 9. Juni 2005 kehren sie nach Nürnberg zurück und ermorden Ismail Yasar, 50. Sechs Tage später stirbt Theodoros Boulgaride­s, 41, in seinem Münche ner Geschäft. Am 4. April 2006 ermor den Böhnhardt und Mundlos den 39 jährigen Mehmet Kubasik in Dort mund, zwei Tage später Halit Yosgat in Kassel. Er ist mit 21 Jahren das jüngs te Opfer. Ein Jahr später erschießen Böhnhardt und Mundlos die 22 jährige Polizistin Michèle Kiesewette­r.

● Die Angehörige­n Für sie war das Leben nach den Morden in vielerlei Hinsicht ein Martyrium. Nicht nur, dass sie den Verlust eines geliebten Men schen verarbeite­n mussten. Sie sahen sich wilden Verdächtig­ungen ausge setzt. Es ist üblich, dass nach einem Mord das familiäre Umfeld des Opfers unter die Lupe genommen wird. Doch die Fahnder gingen weiter, hörten die Angehörige­n ab, stellten ihnen Fallen, machten sie zu Hauptverdä­chtigen.

● Der Verfassung­sschutz Nicht erst seit dem Prozess ist klar, wie dubios die Rolle der Verfassung­sschutzämt­er gewesen ist. Sie haben dutzende Rechtsextr­emisten angeworben und den Aufbau rechtsextr­emer Organisati­o nen in Thüringen erst möglich gemacht. Dort haben sich Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe radikalisi­ert, unter den Augen des Verfassung­sschutzes.

● Der schlimmste Moment Es gibt so viele davon. Polizeibea­mte, die sich über die Wohnung eines Opfers lustig machen. Fahnder, die nicht nach rechtsextr­emen Motiven und Tätern ge sucht haben und das auch heute noch verteidige­n. Neonazis, die das Gericht verhöhnen und belügen. Nachbarn, die es nicht verwerflic­h finden, wenn sich jemand ein Hitler Bild auf den Fernseher stellt. Eltern, die sehen, wie ihre Söhne in die rechtsextr­eme Sze ne abdriften, dem Staat die Schuld ge ben und bis heute nicht wahrhaben wollen, dass ihre Söhne kaltblütig­e Ver brecher waren.

● Der ergreifend­ste Moment Viel leicht die Tränen der jungen Frau, die Zschäpe im Urlaub kennengele­rnt und sie über Jahre für ihre Freundin ge halten hatte, nicht ahnend, wer sich hinter Liese verbirgt. Vielleicht der Moment, als Ismail Yosgat sich auf den Boden des Gerichtssa­als wirft und weinend zeigt, wie er den Kopf seines sterbenden Sohnes gehalten hat.

● Der stärkste Moment Der Auftritt jener jungen Frau, deren Gesicht und Oberkörper die erste Bombenexpl­osion in der Kölner Probsteiga­sse zerfetzt hat. Die Bombe steckte in einer Dose, die Böhnhardt oder Mundlos im La den der iranischen Familie deponiert hatte. Sechs Wochen lag die Frau im künstliche­n Koma, seit Januar 2001 hat sie dutzende Operatione­n durchlitte­n. Als klar wurde, dass der NSU hinter dem Attentat steckt, habe sie überlegt, ob sie das Land verlassen solle, erzählt sie vor Gericht. „Dann habe ich gedacht: Nein, jetzt erst recht! So leicht lasse ich mich nicht aus Deutschlan­d rausja gen.“Heute ist sie Ärztin. (re)

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Foto: Getty Images Vor dem Gericht kam es zu Protesten, weil viele nicht glauben, dass alle Täter bestraft werden.

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