Landsberger Tagblatt

Das unverdross­en süße Biest

Die Schauspiel­erin Grit Boettcher steht bis heute für leichte Unterhaltu­ng. Dabei musste sie viele Schicksals­schläge hinnehmen. Heute wird sie 80 Jahre alt

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Die Bundesrepu­blik der siebziger Jahre hatte so ihren ganz eigenen Humor. Wer erinnert sich nicht an die wirklich doofen Sketche von Ilja Richter (genial zum Fremdschäm­en), die er in seiner legendären Sendung „Disco“zum Besten gab. Sternstund­e des Siebziger-Jahre-Humors war die ZDF-Serie „Ein verrücktes Paar“mit dem 2005 verstorben­en Harald Juhnke, die von 1977 bis 1980 lief. An seiner Seite: die allseits beliebte, exakt 1,67 Meter messende Grit Boettcher – die damals aber im Schnitt fünf Zentimeter größer war, weil dauertoupi­ert. „Süßes Biest“wurde sie genannt, auch „Ulknudel“, ein Begriff, den sie hasst. Heute wird Grit Boettcher 80 Jahre alt.

Die gebürtige Berlinerin steht nach wie vor für eher leichte Unterhaltu­ng. Dabei sind ihr im Leben viele Dinge passiert, die alles andere als lustig sind. Schon die Flucht zurück von Gablonz an der Neiße nach Berlin zu Kriegsende im Jahr 1945 war für die Siebenjähr­ige traumatisc­h. Ein Detail: Sie musste trotz des Hitzesomme­rs zehn Pullis übereinand­er tragen, um Gepäck zu vermeiden.

Für ihren Ballettunt­erricht jobbte sie beim Friseur, wusch tausenden von Damen die Köpfe. Grit Boettcher biss sich durch, machte die Schauspiel­ausbildung bei der UFA, wurde für die Bühne und ab Ende der fünfziger Jahre auch fürs Kino entdeckt. In den Lichtspiel­häusern war sie an der Seite von Heinz Rühmann (1962 in „Er kann’s nicht lassen“) oder Joachim Fuchsberge­r in Edgar-Wallace-Filmen zu sehen. Mitte der 70er Jahre ebbte das Interesse an ihr als Leinwandda­rstellerin ab. Doch die zunehmende­n Fernsehpro­duktionen glichen das wieder aus. Ab 1977 kam dann das berühmte Engagement als „Ein verrücktes Paar“– in dem es gern fröhlichfr­ivol zuging.

Ihr echtes Liebeslebe­n hingegen war nicht immer glücklich. Wie sie einmal in einem Interview bekannte, ist ihr erstes Erlebnis mit einem Mann eine Vergewalti­gung gewesen. Sie war zweimal verheirate­t, einmal von 1956 bis

1959 mit einem 30 Jahre älteren Mann, dann von

1962 bis 1969 mit der Liebe ihres Lebens: Dr. Wolfgang Belstler, Leiter der Abendschau beim Bayerische­n Rundfunk. Doch dieser starb mit nur 42 Jahren. Aus dieser Ehe stammt auch ihre Tochter Nicole, die heute selbst Schauspiel­erin ist. Wie traurig: Grit Boettcher, die noch einen Sohn zur Welt brachte, hatte acht Fehlgeburt­en.

Finanziell ging es der Komödianti­n auch nicht immer gut. Sie verspekuli­erte sich mit Ostimmobil­ien, verlor fast eine Million Euro, jobbte deshalb gar als Moderatori­n bei einem Shopping-Kanal. „Alt zu sein ist nicht schön“, bekannte sie vergangene­s Jahr. Doch Grit Boettcher, die in Ismaning bei München wohnt, ist auch mit 80 noch bei der Berliner Agentur Mosblech als Schauspiel­erin buchbar – und steht unverdross­en vor der Kamera. Zuletzt in der Krankenhau­sserie „Bettys Diagnose“. Markus Bär

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Foto: ARD/Kowalski

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