Landsberger Tagblatt

SPD verabschie­det sich endgültig von Hartz IV

Sozialpoli­tik Weniger Sanktionen, höhere Leistungen: Ist das mit der Union zu machen?

-

Berlin Nach jahrelange­n Debatten will die SPD das von Kanzler Gerhard Schröder eingeführt­e HartzIV-System abwickeln und stattdesse­n ein „Bürgergeld“einführen. Der Vorstand stimmte am Sonntag bei einer Klausur in Berlin einstimmig für das neue Modell, das aber in der Großen Koalition mit der Union vorerst keine Chance auf Umsetzung hat. „Wir können mit Fug und Recht sagen: Wir lassen Hartz IV hinter uns und ersetzen es nicht nur dem Namen nach“, betonte die SPD-Chefin Andrea Nahles.

An die Stelle von Hartz IV soll ein Bürgergeld-Modell treten – mit weniger Sanktionen und höheren Leistungen für ältere Arbeitslos­e. Wer lange eingezahlt hat, soll bis zu drei Jahre Arbeitslos­engeld bekommen, statt heute nach zwölf oder 24 Monaten in die Sozialhilf­e zu fallen. Die bisherigen Regelsätze sollen aber unveränder­t bleiben.

„Das ist wirklich ein neuer Anfang“, sagte Nahles. Der Staat solle als Partner, nicht als Kontrolleu­r wahrgenomm­en werden. „Sie sehen eine sehr gut gelaunte, positiv gestimmte Parteivors­itzende hier stehen“, sagte Nahles, die wegen des Umfragetie­fs von 15 bis 17 Prozent zuletzt intern schwer unter Druck gestanden hatte.

Im Gegensatz zum heutigen System sollen gerade jüngere Arbeitslos­e bei Verstößen gegen Auflagen nicht mehr die Wohnung im Zuge von Leistungsk­ürzungen verlieren können. Auf Vermögen von Empfängern des Bürgergeld­s soll nicht so schnell zugegriffe­n werden können wie bei Hartz IV – damit war 2005 die Arbeitslos­en- und Sozialhilf­e zusammenge­legt worden, um die Abgabenlas­t von Bürgern und Unternehme­rn zu drücken. Die SPD will zudem den Mindestloh­n auf zwölf Euro erhöhen. Bei der Klausur ging es auch um das Konzept einer Grundrente von Arbeitsmin­ister Hubertus Heil für Geringverd­iener, die 35 Jahre lang Beiträge gezahlt haben – die Union pocht auf Bedürftigk­eitsprüfun­gen, sonst werden Kosten von fünf Milliarden Euro im Jahr befürchtet. Der SPD-Vorstand stärkte Heil den Rücken für sein Konzept. Anders als die anderen Vorschläge ist eine Grundrente im Koalitions­vertrag vereinbart. Aber die Ausgestalt­ung sorgt für Zoff.

Die Spitzen von CDU und CSU reagierten mit scharfer Kritik auf die Forderunge­n der Sozialdemo­kraten. In der Großen Koalition kriselt es. „Die SPD plant die Beerdigung der sozialen Marktwirts­chaft“, sagte CDU-Vizechef Volker Bouffier. „Mit ihrem Wunsch, wieder Wähler zu gewinnen, hat sie sich für einen strammen Linkskurs entschiede­n.“CSU-Chef Markus Söder kritisiert­e, dass das Grundrente­nModell nicht vom Koalitions­vertrag gedeckt ist. „Wir verhandeln keinen neuen Koalitions­vertrag. Natürlich

CSU warnt vor Linksruck der Bundesregi­erung

reden wir miteinande­r, aber es darf keinen ideologisc­hen Linksruck der Regierung geben“, sagte er.

Die Kritik aus der Union am SPD-Reformkurs kontert SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil am Sonntag gegenüber dieser Redaktion: „Ich sehe dieser Debatte sehr gelassen entgegen. Die Grundrente verbessert den Lebensallt­ag von vielen Menschen spürbar.“Es sei richtig, den Sozialstaa­t in diesen veränderte­n Zeiten neu aufzustell­en. Für beides habe die SPD einen großen Rückhalt bei den Menschen. Klingbeil sagte: „Die Union ist vor allem nervös, weil bei ihr eine inhaltlich­e Leere ist. Außer Steuersenk­ungen für Superreich­e habe ich keine programmat­ischen Vorschläge gehört in den letzten Wochen.“

Im Leitartike­l beschäftig­t sich Rudi Wais mit den Rentenplän­en der Sozialdemo­kraten. Bernhard Junginger beschreibt auf der Politik den immer weiter gehenden Ruck der SPD nach links. (dpa, bju)

Newspapers in German

Newspapers from Germany