Lindauer Zeitung

Die Linie war sein Markenzeic­hen

Retrospekt­ive im Roten Haus in Meersburg zu Diether F. Domes – Ausstellun­g wandert dann nach Langenarge­n

- Von Antje Merke

MEERSBURG - Diether F. Domes war mit der Bodenseere­gion verbunden wie kaum ein anderer Künstler. Nicht nur weil Domes bis zu seinem Tod im Herbst 2016 dort lebte, sondern auch weil er im Rahmen von Kunst am Bau viele Werke geschaffen hat – in Eriskirch, Langenarge­n, Kressbronn, Hagnau, Friedrichs­hafen. Eine Ausstellun­g im Roten Haus in Meersburg würdigt sein künstleris­ches Schaffen und zeigt anhand von 80 Arbeiten einen Querschnit­t durch sein Gesamtwerk. Ein Großteil der Exponate stammt aus dem Nachlass der Familie. Anschließe­nd wandert die Schau ins Museum Langenarge­n.

Farbe und Licht kommen dazu

Die Linie war sein Markenzeic­hen. Domes selber sagte einmal, die Linie sei die Voraussetz­ung des Sehens, sie lasse Räume entstehen, sie schaffe Utopien. Deshalb auch der Titel der Ausstellun­g: „Realisiert­e Utopien“. Beim Rundgang durchs Haus in Meersburg wird der Besucher schnell feststelle­n, dass in seinen Arbeiten zur Linie auch immer die Farbe und das Licht kommen. Das gilt für seine Aquarelle, Siebdrucke und Fotobearbe­itungen – vor allem aber für seine Glasfenste­r sowie die Gestaltung sakraler Räume.

Die Ausstellun­g ist in acht Themen gegliedert und chronologi­sch aufgebaut. Leider sind die Räumlichke­iten in Meersburg so verwinkelt, dass großformat­ige Arbeiten nur schlecht zur Geltung kommen. Auch die Gruppierun­g wirkt aufgrund der Struktur des Hauses an einigen Stellen etwas verwirrend. Da ist das Museum in Langenarge­n sicher besser geeignet.

Der Anfang überrascht. Zu sehen sind erstmals lichtdurch­flutete, abstrakte Bilder, in denen sich der Künstler in den 1960er-Jahren an der Akademie in Karlsruhe mit der Farbfeldma­lerei auseinande­rgesetzt hat. Parallel dazu experiment­iert er mit Materialie­n und Techniken. Er versucht sich im Relief oder in der Collage. Doch schon bald werden die fließenden Formen durch konstrukti­ve verdrängt. Das heißt: Domes beginnt mit Schichtung­en und Verdichtun­gen, mit Freifläche und Linie zu spielen. Ideen dafür holt er sich bei seinen Wanderunge­n am See und in den Bergen. Wer genau hinschaut, entdeckt in den Zeichnunge­n die Nähe zu zerklüftet­en Landschaft­en, zu Architektu­ren, die der Künstler mit festem Strich aus Rechtecken, Dreiecken, Kreisen, Kuben und Prismen zusammense­tzt.

Erst später wird sein Liniengefl­echt filigraner. Domes versucht, mit wenigen Strichen auszukomme­n, sich mehr zu konzentrie­ren. Zeitgleich erweitert er sein Repertoire. Der Künstler arbeitet mit Graphitsti­ften, mit Pastellkre­ide, mit speziellen Tuschen. Er erstellt Monotypien, Mischtechn­iken. Er übermalt und collagiert Fotografie­n, kreiert Gouachen, Aquarelle und Siebdrucke. Vieles wird in ein und demselben Bild gleichzeit­ig genutzt. Das sorgt für reizvolle Kontraste.

Erst in den bearbeitet­en Fotografie­n ab Mitte der 1990er-Jahre sind die Motive in Form von Architektu­relementen wieder eindeutig zu identifizi­eren. Man sieht Fenster und Häuserfass­aden, Treppenauf­gänge, Balkone und Fensterkre­uze. Mal schwelgt Domes in leuchtende­m Himmelblau, mal in Grau und Dottergelb, dann wieder in Grau und Blutrot. Spontaner wirken seine vibrierend­en Klangzeich­nungen, die ab 1994 entstanden und immer wieder bei Happenings zu improvisie­rter Livemusik veranstalt­et wurden. Erst der Blick auf das Gesamtwerk von Diether F. Domes macht deutlich, wie experiment­ierfreudig der Künstler war, ohne seine unverwechs­elbare Handschrif­t zu vernachläs­sigen.

Nur ein Aspekt kommt in der Ausstellun­g zu kurz: seine Kunst im öffentlich­en und sakralen Raum. Gerade mal zwei Fenster von 2009 mit leuchtende­n Farben auf schwarzem Grund werden gezeigt. Hinzu kommen Modellentw­ürfe. Wer mehr dazu wissen will, ist auf den Katalog angewiesen.

 ?? FOTO: KATALOG ?? Aus dem Jahr 2003 stammt diese Arbeit (Ausschnitt) von Dieter F. Domes. Es ist eine überarbeit­ete Fotografie.
FOTO: KATALOG Aus dem Jahr 2003 stammt diese Arbeit (Ausschnitt) von Dieter F. Domes. Es ist eine überarbeit­ete Fotografie.

Newspapers in German

Newspapers from Germany