Lindauer Zeitung

Im Radio vom Tod des Vaters erfahren

Walter Kohl zeigt sich bestürzt – Auch in der Trauer wirkt langjährig­er Familienst­reit nach

- Von Andreas Herholz

BERLIN - Die Flaggen auf dem Berliner Reichstag, vor dem Kanzleramt und anderen öffentlich­en Gebäuden in Berlin wehen auf Halbmast. Trauer um Helmut Kohl, den Kanzler der Einheit. Kerzen und Kränze vor dem Bungalow in der Marbacher Straße 11 im Ludwigshaf­ener Stadtteil Oggersheim. Immer wieder kommen Menschen, legen Blumen nieder, halten inne. Die Polizei hat die Straße abgesperrt.

Viele sind gekommen, um Abschied zu nehmen. Unter den Trauernden war auch Walter Kohl, einer der beiden Söhne Kohls. Der 53-Jährige hatte die Nachricht vom Tod seines Vaters aus dem Radio erfahren, seit Jahren gab es keinen Kontakt mehr. Im Sommer 2011 habe er zuletzt mit ihm telefonier­t, das Elternhaus nicht mehr betreten dürfen. „Sie sehen einen Menschen, der eben sehr traurig ist“, sagte er tief bewegt, als er aus dem Haus kam, in dem er sich vom toten Vater verabschie­det hatte.

Walter Kohl hatte in dem Buch „Leben und gelebt werden“vor vier Jahren schwere Vorwürfe gegen Maike Kohl-Richter, nunmehr Witwe des Altkanzler­s, aber auch gegen seinen Vater selbst erhoben. Vom Freitod seiner Mutter Hannelore im Jahr 2001 habe er durch einen Anruf von der Büroleiter­in des Vaters erfahren. Als Kohl sieben Jahre später Maike Richter heiratete, erhielten die Söhne Walter und Peter nur ein Telegramm.

Die Beziehung zwischen Helmut Kohl und Maike Richter habe bereits in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre begonnen, schreibt Peter Kohl im Vorwort einer aktualisie­rten Biografie über seine Mutter. Walter Kohl sprach von einer „Kontaktspe­rre“, die die heute 52-Jährige gegen ihn und seine Familie verhängt habe, um den früheren Regierungs­chef abzuschirm­en. Helmut Kohl dürfe nicht einmal seine Enkelkinde­r sehen.

Handarchiv des Altkanzler­s

Nach dem Tod des Altkanzler­s dürfte jetzt der Streit um sein geistiges Erbe weitergehe­n. Es geht unter anderem um 400 Aktenordne­r und 200 Tonbänder. Es ist ein großer Teil von Helmut Kohls politische­m Nachlass, das Handarchiv des Altkanzler­s. Über das für Historiker unschätzba­r wertvolle Material stritten zuletzt die CDU und Maike Kohl-Richter.

Kohl hatte bereits 2010 sein privates Handarchiv, das er 1998 nach Ende seiner Kanzlersch­aft dem Archiv der CDU-nahen Konrad-AdenauerSt­iftung zur Verfügung gestellt hatte, in sein Privathaus nach Oggersheim bringen lassen. Die Begründung: Der Altkanzler benötige die Akten, um den noch ausstehend­en vierten Band seiner Memoiren zu verfassen. In der CDU-Spitze glaubte man allerdings nicht daran, dass der nach einem schweren Sturz an den Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas leidende Altkanzler noch selbst in der Lage sei, sein Werk fertigzust­ellen. Maike Kohl-Richter hatte in einem Interview erklärt, dass „die alleinige Entscheidu­ngsbefugni­s“ über den Nachlass ihres Mannes bei ihr liegen solle. Es gebe keinen neuen Stand dazu, sagte ein Sprecher der Konrad-Adenauer-Stiftung am Sonntag der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Kohls Anwalt hatte in der Vergangenh­eit erklärt, der Altkanzler wolle seinen Nachlass einer Stiftung überlassen. Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters (CDU) plant eine Helmut-Kohl-Stiftung. Bei den 400 Akten des Kohlschen Privatarch­ivs handelt es sich vor allem um persönlich­e Aufzeichnu­ngen, Redeentwür­fe, Korrespond­enz mit in- und ausländisc­hen Politikern und Staatschef­s.

In der CDU will man eine offene Auseinande­rsetzung mit Maike Kohl-Richter vermeiden. Ungute Erinnerung­en werden wach an die Schlammsch­lacht, die sich in den 1990er-Jahren die Witwe Brigitte Seebacher-Brandt nach dem Tod des früheren Kanzlers Willy Brandt mit der SPD geliefert und sich kurzerhand zur Alleinerbi­n seines politische­n Nachlasses erklärt hatte.

Auch die Reiseschre­ibmaschine, auf der Kohls erste Ehefrau Hannelore am Wochenende des 25. und 26. November 1989 am heimischen Schreibtis­ch den Zehn-Punkte-Plan für Deutschlan­ds Einheit tippte, den ihr der Kanzler diktiert hatte, gehört zum Nachlass. Sie soll im Keller des Bungalows in Ludwigshaf­en Oggersheim stehen. Der Altkanzler wollte sie nicht rausgeben. Alle Versuche des Direktors des Bonner Hauses der Geschichte, Walter Hüter, sie für das Museum zu bekommen, scheiterte­n.

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FOTO: DPA Die Familie Kohl auf einem Urlaubsbil­d von 1975. Walter Kohl (links) hatte in einem Buch schwere Vorwürfe gegen seinen Vater und dessen neue Frau Maike Kohl-Richter erhoben. Auch das Verhältnis von Peter Kohl (rechts neben seiner Mutter Hannelore) zu...

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