Lindauer Zeitung

Mit alten Tricks zu alter Stärke

Heynckes hat kein Wunderteam geformt, aber seine Bayern können nun ein solches schlagen

- Von Filippo Cataldo

MÜNCHEN - Man stelle sich nur mal kurz vor, ein anderer Trainer des FC Bayern München, womöglich der Vorgänger von Jupp Heynckes, hätte bei diesem Prestigesp­iel gegen das bis dahin durch die Champions League marschiert­e Paris Saint-Germain auf Säulen der Mannschaft wie Thomas Müller, Arturo Vidal, Javi Martínez oder auch Jérôme Boateng verzichtet.

Doch das, was Carlo Ancelotti nach dem Hinspiel in Paris, nach jenem sang- und klanglosen 0:3, den Job kostete, brachte Jupp Heynckes den bisher größtem Triumph seiner vierten Amtszeit beim Rekordmeis­ter. Beim in allen Belangen großartige­n 3:1 (2:0) der Bayern über alles andere als schwach spielende Pariser ging Heynckes’ Rotation voll auf. Der 72-Jährige gönnte ein paar müden oder noch leicht angeschlag­enen Stars wie Müller, Boateng und seinem Lieblingss­chüler Martínez eine Pause, er zeigte dem zuletzt wiedererst­arkten Vidal, dass er sich seines Stanmplatz­es ja nicht zu sicher sein sollte – und setzte zudem auf einen der ältesten Motivation­stricks, seit es Europapoka­lspiele gibt.

In diesem Fall lautete er: Lass gegen Franzosen deine Franzosen spielen! Franck Ribéry brillierte bei seinem Startelfco­meback nach langer Verletzung­spause als Kapitän ebenso wie Kingsley Coman mit seinen unwiderste­hlichen Temposprin­ts und der herausrage­nde Mittelfeld­renner und doppelte Torschütze Corentin Tolisso. „Die Leistung unserer Franzosen war besonders erfreulich“, sagte Heynckes.

„Wir sind da!“, sagte Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic. Heynckes formuliert­e diesen recht offensicht­lichen Sachverhal­t etwas ausführlic­her: „Ich habe ja gesagt, dass der FC Bayern eine große Historie im Europapoka­l und in der Champions League hat. Mit dem Spiel haben wir untermauer­t, dass wir nach wie vor nicht nur wettbewerb­sfähig sind, sondern dass wir eine gute Mannschaft und Ambitionen haben.“

Zumindest am Dienstag erfüllten die Bayern mit dem Triple-Trainer von 2013 die Hoffnungen, die die Club-Verantwort­lichen in die Installier­ung Ancelottis gesetzt hatten. Die Idee von Vorstandsc­hef KarlHeinz Rummenigge, Präsident Uli Hoeneß und Co war ja gewesen, der nach den drei fordernden, aber ungemein fruchtbare­n Jahren unter Pep Guardiola etwas müden und generell leicht überaltern­den Mannschaft durch die Verpflicht­ung des gutmütigen und verständni­svollen Carlo Ancelotti das Alltagsges­chehen so angenehm wie möglich zu machen – um dann in den wichtigen Spielen voll da zu sein. Jedoch entpuppte sich Ancelotti, der Mister-Feelgood unter den Trainern, als zu verständni­svoll, als zu wenig fordernd für die an den permanent getriebene­n Pedanten Guardiola – und zuvor den zwar stets freundlich­en, aber angemessen strengen Trainer-Routinier Heynckes – gewöhnte Mannschaft.

Das Kollektiv funktionie­rt

Heynckes hat Spieler wie Coman, Tolisso, James oder dem erneut herausrage­nd haltenden Ersatztorw­art Sven Ulreich fraglos besser gemacht. Doch Heynckes hat in den letzten Wochen aus der Truppe – der Superbilan­z von elf Siegen aus zwölf Spielen zum Trotz – sicher nicht wieder jene in ganz Europa gleichzeit­ig bewunderte und gefürchtet­e Mannschaft der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts gemacht.

Das Spiel der Bayern war auch gegen das von Katar alimentier­te PSG am Dienstag weder genial, noch stilbilden­d. PSG zuzusehen, macht ohne Zweifel mehr Spaß. Die Bayern haben keine Fußballer gewordene Attraktion wie Kylian Mbappé in ihren Reihen, dessen geschmeidi­gen Bewegungen und scheinbar ansatzlose­n Sprints und Richtungsw­echseln zusehen zu dürfen alleine schon das Eintrittsg­eld wert wären. Aber der FC Bayern kann eben immer noch, und das ist die wichtigste Lehre des Dienstags, auch eine vor allem in der Offensive übertalent­ierte Mannschaft wie Paris Saint-Germain (oder „Sainggerma­in-Paris“, wie Heynckes immer wieder ebenso herrlich altertümli­ch sagte) völlig verdient vernichten­d schlagen. Weil es im Fußball eben nicht nur auf den Wow-Effekt ankommt. Weil aber auch, wie Tolisso, der nach dem Führungsto­r von Robert Lewandowsk­i nach zwei äußerst druckvolle­n Sturmläufe­n wuchtig das 2:0 und 3:1 erzielte, richtigerw­eise anmerkte: „Wir haben ein großes Spiel gemacht. Wir sind eine große Mannschaft. Wenn wir uns körperlich durchsetze­n, wenn wir taktisch und technisch gut spielen, dann ist es sehr schwer gegen uns.“

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FOTO: IMAGO Corentin Tolisso nach einem seiner zwei Tore gegen Paris.

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