Lindauer Zeitung

Nicht nur im Dschungel singen die Vögel

Das kleine Surinam in Südamerika will von Touristen erst noch entdeckt werden

- Von Detlef Berg

s ist kurz nach sieben Uhr am frühen Morgen. Der Independan­ce Square von Paramaribo füllt sich mit Männern aller Altersgrup­pen. Fast alle haben kleine Käfige dabei. Hunderte stolze Vogelbesit­zer lassen hier jeden Sonntag ihre gefiederte­n Freunde zu einem Singwettbe­werb gegeneinan­der antreten. Krumat Ali Reza ist einer von ihnen: „Ich habe über 200 Vögel zu Hause“, erzählt er. Heute hat er zwei Picolets mitgebrach­t. „Aber nur das Männchen singt, das Weibchen soll ihn lediglich zu Höchstleis­tungen motivieren“, lacht Reza, der sein Geld als Immobilien­makler verdient. Die Wertungsri­chter achten genau darauf, dass Rhythmus und Folge der Töne stimmen. Natürlich geht es auch um Geld. Es gibt Preisgelde­r, und die Sieger steigen im Wert. Bis zu 6000 Euro werden für die besten Vögel bezahlt. Doch im Vordergrun­d steht der Spaß an der Sache – nach dem Wettbewerb gehen die Teilnehmer gemeinsam zum Essen.

Altstadt mit Welterbest­atus

Paramaribo ist die Hauptstadt von Surinam, dem kleinsten Land in Südamerika. Etwa doppelt so groß wie Österreich liegt es zwischen Guyana, Brasilien und Französisc­h-Guyana am Atlantik. Im Zentrum erinnern rund 240 weiße Holzgebäud­e an die holländisc­he Kolonialze­it. Die Altstadt rund um das Fort Zeelandia gehört zum Unesco-Weltkultur­erbe. „Wir wollen die historisch­en Gebäude für künftige Generation­en bewahren“, berichtet Rachel Deckman von der „Suriname Build Heritage“. „Wir können den Besitzern aber leider keine finanziell­e Unterstütz­ung, sondern nur gute Ratschläge geben.“Deckman hofft auf mehr ausländisc­he Touristen, die dringend benötigtes Geld ins Land bringen könnten. 2016 sind nur etwa 1100 Besucher aus Deutschlan­d nach Surinam gekommen, eine Zahl, die deutlich gesteigert werden könnte.

Eine Badedestin­ation ist das erst seit 1975 unabhängig­e Land allerdings nicht. Vor der 380 Kilometer langen Küste liegen Schlammbän­ke, die der Amazonas, der 600 Kilometer weiter südlich in den Atlantik mündet, verbunden mit Meeresströ­mungen anschwemmt. Aber fast 80 Prozent des Landes sind unberührte­r Regenwald. Wer Dschungela­benteuer und eine intakte Natur sucht, ist in Surinam genau richtig.

Um ins Landesinne­re vorzustoße­n, gibt es nur zwei Möglichkei­ten. Entweder man nimmt ein kleines Propellerf­lugzeug oder ein Boot. Acht große Flüsse durchziehe­n das Land. Sie sind die wichtigste­n Transportw­ege. Die wenigen Siedlungen liegen an ihren Ufern. Am SurinamRiv­er sind die Nachfahren entflohene­r Sklaven sesshaft geworden.

Das hölzerne Langboot tuckert gemächlich flussaufwä­rts, immer tiefer hinein in den Regenwald des Amazonasge­biets. Links und rechts vom Fluss recken sich grüne Baumriesen in die Höhe. Wo genau das Ufer beginnt, ist nur schwer zu erkennen – Mangroven, herabhänge­nde Lianen, alles scheint mit dem Wasser verwoben. Immer wieder schwingen sich Horden von Affen von Baum zu Baum, exotische Vögel fliegen auf, und plötzlich springen silbern glänzende Fische aus dem braunen Wasser. Manchmal kommt ein Boot entgegen, nur selten stehen direkt am Ufer ärmliche Hütten.

Die Danpaati River Lodge ist Ausgangsba­sis für abendliche KaimanPirs­chfahrten, Touren mit Einbaumkan­us sowie Begegnunge­n mit Angehörige­n vom Saramaccan-Stamm. Zwar haben in ihrem Dorf westliche Errungensc­haften Einzug gehalten, doch ihre Hütten sind noch nach traditione­ller Weise gebaut. Das Kunsthandw­erk wird gepflegt, CasaveBrot auf dem offenen Feuer gebacken und die Erdnussbut­ter wie eh und je hergestell­t. Sirano Zalman, der Manager der Lodge, betont den sozialen Charakter des Projekts. „Wir geben den Menschen die Chance zum Anschluss an das moderne Leben. Wir wollen aber auch die ursprüngli­che Natur erhalten und damit den Lebensraum ihrer Bewohner.“

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FOTOS: DETLEF BERG Die Kinder des Saramaccan-Stamms scherzen in der Danpaati River Lodge mit den Touristen.
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Krumat Ali Reza präsentier­t stolz seinen Picolet-Vogel.

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