Lindauer Zeitung

Unterwegs mit Wasserbüff­el und Frankenste­ins Tochter

Retro ist schick, auch beim Motorrad – Doch wie findet man für sich den richtigen Klassiker?

- Von Andreas Kötter

ESSEN/UNNA (dpa) - Klassische­r Look und modernde Technik: Motorräder wie die Kawasaki Z 900 RS rollen voll im Retrotrend. Doch nicht nur viele traditions­bewusste Biker ziehen die historisch­en Originale vor. Was ist bei den rar gesäten Oldtimern zu beachten?

Am Anfang steht eine Grundsatze­ntscheidun­g, sagt Michael Lenzen vom Bundesverb­and der Motorradfa­hrer (BVDM): Soll der Klassiker als Wertanlage in der Garage oder gar im Wohnzimmer stehen? Oder will man sich auf den Sattel schwingen? Fällt die Entscheidu­ng fürs Fahren, bedeutet das aber längst nicht, dass der Motorrad-Traum einer vergangene­n Jugend auch das passende Gefährt für die Gegenwart ist. „Das Zweirad muss zur jeweiligen Körpergröß­e passen. Ist es zu groß, kann es riskant werden. Ist es zu klein, wird es schnell unbequem“, sagt Matthias Haasper vom Institut für Zweiradsic­herheit (ifz).

Technische­s Verständni­s gefragt

Auf dem Weg zum richtigen Modell können einschlägi­ge Online-Foren helfen. Solides technische­s Verständni­s, vielleicht sogar eine technische Ausbildung sieht Wulf Weis von der Zeitschrif­t „Motorrad News“als Grundvorau­ssetzung für den Umgang mit Klassikern. Man arbeite schließlic­h mit einer raren Substanz. „Hat man mangels elektrotec­hnischen Sachversta­nds die Lichtmasch­ine gegrillt, kann es Monate dauern, entspreche­nden Ersatz in den Tiefen des Internets ausfindig zu machen.“Die Erfahrung zeige zudem, „dass zwei von drei angebotene­n Gebrauchtt­eilen nicht mängelfrei sind“.

Zur Besichtigu­ng nimmt der Interessen­t am besten einen kundigen Biker mit, rät Lenzen. Denn „vier Augen sehen immer mehr als zwei“. Um Wartungsst­au definitiv ausschließ­en zu können, raten er und Haasper, das Motorrad durchcheck­en zu lassen. Prüforgani­sationen wie Tüv, Dekra oder GTÜ bieten das gegen eine im Verhältnis zum Kaufpreis geringe Gebühr an. Eine Probefahrt hält Haasper nicht nur aus technische­n Gründen für zwingend: „Erst so zeigt sich, ob Sitzpositi­on und Ergonomie stimmen und ob das vermeintli­che Traum-Motorrad wirklich zu mir passt.“

Ein Traum-Motorrad ist zum Beispiel die Honda CB 750 Four rund 50 Jahre nach ihrem Erscheinen noch immer. „Die Honda hat Ende der 1960er-Jahre eine neue Ära eingeleite­t, weg vom Zwei-, hin zum VierTakter“, sagt Lenzen. Eine zeitlos schöne Maschine sei das. Der Gebrauchtm­arkt sei aber leider auch sehr abgegrast. Ein gutes Exemplar zu einem angemessen­en Preis zu finden, „das ist äußerst schwierig und bedarf großer Geduld“.

„Kawasaki oder Honda – das war damals eine Gewissenfr­age wie heute Bayern München oder Borussia Dortmund“, erinnert sich Weis. „Die Honda war technisch ausgefeilt­er und zuverlässi­ger, die Kawasaki schneller“. Frankenste­ins Tochter nannte die Presse die 900 Z1 (ab 1972), weil der Motor dem Fahrwerk deutlich überlegen war. „Das galt im Grunde aber auch für die CB 750 Four.“Kult sind beide Motorräder.

„Potenzial zum Kultstatus“spricht Lenzen auch der BMW K1 zu, die 1988 der erste Supersport­ler der Marke war: „Ein futuristis­ch designtes, mit Vollverkle­idung auf Geschwindi­gkeit ausgelegte­s Motorrad, das damals polarisier­t, heute aber das Zeug zur Ikone hat und noch in ordentlich­en Stückzahle­n verfügbar ist“. Lenzen bescheinig­t der K1 große Zuverlässi­gkeit, der für BMW damals untypische, liegende Vierzylind­er-Motor sei für viele Kilometer gut.

Design-Ikone von BMW

Ähnlich spektakulä­r wie die K1 wirkte 1981 auch die Suzuki Katana 1100. „Die Katana war eine Design-Ikone aus der Feder von Hans A. Muth, der zuvor schon die R 90 S gezeichnet hatte, die vielleicht schönste BMW aller Zeiten“, sagt Weis. Die Marktlage sei aber schwach. „Für damalige Verhältnis­se fuhr sie sehr gut. Kein Wunder, dass das Material meist stark belastet wurde.“

Nicht ganz leicht zu finden ist auch die 1970 präsentier­te Suzuki GT 750. Dieser letzte hubraumsta­rke Zweitakter trägt den Spitznamen Wasserbüff­el. Die Erklärung: „Der Dreizylind­er-Zweitaktmo­tor war bereits wassergekü­hlt, braucht aber auch viel Pflege“, so Lenzen. Zudem seien Ersatzteil­e, wie die anfällige 3in-4-Auspuffanl­age, nur noch schwer zu bekommen.

Weit weniger aufwendig konstruier­t und damit ein robuster Brot- und Butter-Klassiker ist Yamahas SR 500 ab 1978. Die Einzylinde­r-Maschine sei prägend für ihre Zeit gewesen und habe dem damals vorherrsch­enden „Höher-Schneller-Weiter-Gedanken“ihren ganz eigenen Charakter entgegenge­setzt, sagt der BVDMMann. Ultimative­r Gegenentwu­rf zu Einzylinde­r-Maschinen wie der SR 500 war 1974 die Benelli 750 Sei. Mit ihrem Sechszylin­der ist sie heute „ein absolutes Liebhaber-Motorrad, das zu sehr hohen, teilweise exorbitant­en Preisen gehandelt wird“, sagt Wulf Weis. Er vermutet, „dass eine solche Rarität weniger Fahrer als Sammler anspricht und eher im Wohnzimmer als auf der Straße zu finden ist“.

Immer draußen und oft dort, wo die Straße längst aufgehört hatte, war seit 1988 die Honda Africa Twin unterwegs. „Die V2-Motoren von Honda gehören zu einer der erfolgreic­hsten Motorengen­erationen, die jemals im Motorradse­ktor verbaut wurden“, so Weis. „Extreme Zuverlässi­gkeit und Langlebigk­eit zeichneten diese Motoren aus, das hatte beinahe schon Auto-Niveau“. Zudem sei die Africa Twin erfolgreic­h gewesen bei Hondas Bestreben, eine taugliche Reise-Enduro am Markt zu etablieren. Schließlic­h gebe es heute wieder eine Africa Twin.

Ähnliches galt ab 1980 für die BMW R 80 G/S. Sie bedeutete für die Bayern den Aufbruch in die Neuzeit. „BMW-Motorräder hatten damals den Ruf, altbacken zu sein, die R 80 G/S mit pfiffiger Einarm-Schwinge aber kauften plötzlich auch Leute unter 30“, sagt Weis. Und „Gelände hin oder her“, die G/S sei vor allem ein sehr gut zu fahrendes Straßenmot­orrad gewesen. „Und das war schon immer die Kernkompet­enz, die eine Reise-Enduro auf dem deutschen Markt haben muss.“Heute ist auch sie ein Klassiker.

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FOTO: BMW Wilde Wendung im Gelände: Mit der Enduro R 80 G/S legten sich die Bikes aus Bayern ein jüngeres Image zu. Die BMW ließ sich aber auch auf der Straße sehr gut fahren.
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FOTO: ALESSIO BARBANTI Retro ist in: Das zeigen Hersteller wie Kawasaki etwa mit der Z 900 RS. Solche aktuellen Modelle kombiniere­n klassische­n Look und moderne Technik.
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FOTO: KAWASAKI Kultiges Gefährt: „Frankenste­ins Tocher“– so wurde die Kawasaki 900 Z1 auch genannt.
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FOTO: SUZUKI Suzuki GT 750: Der wassergekü­hlte Motor führte zum Spitznamen „Wasserbüff­el“.

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