Auch Nichtraucher sind begeistert
Dominique Horwitz bringt das spektakuläre Leben von Serge Gainsbourg auf die Bühne
LINDAU - Man muss sich Sorgen machen um die Lunge von Dominique Horwitz. Seiner Lunge zuliebe, sollte er seine neue Produktion „Je t’aime“nur dosiert aufführen. Denn diese Menge Zigaretten in kurzer Zeit ist ungesund. Aber das Stück wird ein Erfolg werden. Denn sogar Nichtraucher sind begeistert.
Wie viele Gitanes sich Horwitz in den zwei Stunden auf der Bühne angezündet hat, ist nicht zu zählen. Denn er raucht ununterbrochen. Immer hat er in der linken Hand die Zigarette und die Schachtel mit der nächsten, in der rechten Hand das Mikro. Wenn er das kurz wegstellt, dann nur, um einen Schluck Wein zu trinken.
Horwitz gibt an diesem Abend den französischen Chansonnier und Songschreiber Serge Gainsbourg. Die Haare sind länger als sonst bei Horwitz üblich, so erinnert er im aufgeknöpften weißen Hemd, unrasiert und eben mit Zigaretten und Wein in der Hand den Provokateur Gainsbourg, der kaum einen Skandal ausgelassen hat.
Dominique Horwitz hat Gainsbourg vor einigen Jahren schon mal am Theater Oberhausen gespielt, jetzt hat er mit Berthold Warnecke seine eigene Fassung dieser Biografie geschaffen. Er lebt Gainsbourg, umgeben auf der Bühne nur von der Band. Auch wenn es abgedroschen ist: In den zwei Stunden auf der Bühne wird Horwitz zu Gainsbourg – oder „Gainsbarre“, wie er sein zynisches Alter Ego nennt.
Gainsbourg erzählt aus seinem Leben, das spektakulär begann, als die Mutter 1927 aus der Abtreibungsklinik flüchtete und zur Strafe Zwillinge bekam. „Es war das erste Mal, dass ich überlebt habe.“Er überlebte als Jude die deutschen Besatzer, freute sich sogar über den Judenstern, der ihn, den hässlichen Jugendlichen, für die Mädchen attraktiv machen sollte. Er überlebte mit 13 die Tuberkulose. Er überlebte später einen Herzinfarkt, ungezählte Skandale, die schönsten Frauen, ehe Alkohol und Nikotin ihren Tribut forderten: 1991 liegt er nach einer weiteren Herzattacke tot im Badezimmer.
Horwitz erzählt oft sarkastisch, manchmal fast gleichgültig, selten aufgebracht, wie es Gainsbourg ergangen ist, der als Maler scheiterte, der dafür als Chansonnier und als Songschreiber höchst erfolgreich war. Erfolgreich war er auch bei den Frauen, worüber er sich immer noch wundert, wo er doch mit seiner Hässlichkeit kokettiert. Horwitz erweist sich wie schon beim Jacques-Brel-Abend oder bei „Me and the Devil“vor einem Jahr als ausgezeichneter Sänger. Wobei Gitarrist Peter Engelhardt, Kai Weiner an Klavier und Keyboard, Schlagzeuger Volker Reichling und Bassist Johannes Huth ihm erstklassig zur Seite stehen.
Die Marseillaise als Reggae
In Erinnerung bleiben vor allem zwei Songs, mit denen Gainsbourg große Skandale erreichte. Gemeint ist vor allem „Je t’aime... moi non plus“, das er eigentlich für Brigitte Bardot geschrieben hatte, die aber erst Jahrzehnte später einer Veröffentlichung zustimmte. 1967 wollte sie mit dem anzüglichen Song nicht ihren Ehemann vor den Kopf stoßen. Nach drei Monaten war ihre wilde Affäre mit Gainsbourg auch schon wieder beendet. So wurde Jane Birkin mit dem Lied zum Weltstar.
Fast noch beeindruckender ist aber Gainsbourgs Fassung der Nationalhymne, die als Reggaefassung nichts mehr vom Kriegerisch-Martialischem der Marseillaise hat. Da Gainsbourg auch den Refrain verballhornt und aus dem Aufruf ein einfaches „Zu den Waffen etcetera“macht, haben sich vor vierzig Jahren die Rechten aufgeregt, sodass manche Konzerte nur unter Polizeischutz möglich waren.
Horwitz hat „Je t’aime ... Das spektakuläre Leben des Serge Gainsbourg“in Lindau zwei Tage nach der Premiere in Landau gespielt. Natürlich ist ihm Erfolg zu wünschen für diese unglaubliche Performance. Andererseits macht man sich Sorgen um die Gesundheit des Mannes, der immerhin schon 61 Jahre alt ist. Gainsbourg starb mit 62 an den Folgen seiner sieben bis acht Schachteln Gitanes am Tag. Mit Horwitz würde man aber noch gerne viele solcher Theaterabende erleben.