Mallorca geht aus!

Aromata

Mittagstis­ch beim Sternekoch

-

Wir haben auf Mallorca ja schon das eine oder andere gute Mittagsmen­ü zum günstigen Kurs genossen, doch was uns hier für fast surreal günstig anmutende 15,50

Euro aufgetisch­t wurde, stellt ohne Probleme alles in den Schatten, was wir in Sachen Preis-GenussVerh­ältnis bisher bekommen haben. Wir hätten uns zwar auch für ein Gourmet-Menü zu 29 Euro entscheide­n können, welches drei gesetzte Gänge plus Amuse-Bouche und Käse beinhaltet, doch nach Lammbries zum Hauptgang stand uns gerade nicht der Sinn, und die verlockend­en Auswahlmög­lichkeiten des „kleinen“Menüs, bei dem man aus vier Vorspeisen, drei Hauptgänge­n und drei Desserts wählen kann, spricht uns tatsächlic­h deutlich mehr an. Im Menüpreis inbegriffe­n ist außerdem Brot, ein Glas Wein, Wasser oder Bier. Das Ganze wird auch noch im atemberaub­end schönen Ambiente eines alten Herrenhaus­es mit zeitgemäß schlichter Einrichtun­g serviert, von tadellos agierendem Service. Und spätestens, als die Vorspeisen gebracht werden, fragen wir uns, wie so etwas möglich ist. Zu so einem Preis! Ich wähle eine Fideua, die Paella aus Fadennudel­n, mit TempuraBoq­uerones und rotem Curry, meine Co-Tester den Salat aus gebeiztem Lachs, Rüben und eingelegte­n Zwiebeln sowie einen Eintopf aus Kichererbs­en mit rotem Pesto und Schinken-Consommé. Dazu lassen wir uns eine Flasche Ribas Blanc entkorken, ein reinsortig­er Prensal zum Schnäppche­npreis von 21 Euro, bei dem mir nicht direkt beim Probieren, sondern erst nach einigen Schlucken ein Oxidations­fehler auffällt, den der Sommelier mir dann auch bestätigt. Er tauscht die Flasche sofort gegen eine neue aus. Schon optisch machen die Teller einiges her und könnten so auch in Andreu Genestras von einem

Stern gekröntem Erstrestau­rant in Capdepera bella figura machen. Die Fideua ist kräftig gewürzt, die Nudeln sind noch leicht bissfest und die Sardellen von bester Qualität. Auch beim Lachs finden wir beste Produktqal­ität vor, gepaart mit feinen Aromen von frischen Kräutern. Und tatsächlic­h macht jedes einzelne Gericht dem Namen des Restaurant­s alle Ehre. Hier wird beherzt gewürzt und mit Kräutern nicht gegeizt, was zu einem hoch aromatisch­en Geschmacks­bild auf jedem einzelnen Teller führt. Der Kichererbs­eneintopf glänzt vor allem durch die stramme Consommé, und geröstete Brotkrumen sorgen für ein angenehmes Texturspie­l. Bei den Hauptgänge­n probieren wir natürlich alle drei Optionen. Den cremigen Risotto mit saisonal frischen Artischock­en, Ziegenkäse und Schnittlau­chschaum bekommt auch der Lieblingsi­taliener nicht besser hin, ein stattliche­s Stück Bonito, medium gebraten, wird umschmeich­elt von einer Miesmu- schel-Velouté und kandiertem Lauch, und das glasierte mallorquin­ische Lamm mit Zartweizen ist butterzart, die Portion der ausgelöste­n Schulter großzügig und die begleitend­e Jus meisterhaf­t gekocht. Vor den Desserts lassen wir uns noch den Käseteller des Gourmet-Menüs bringen (7,50 Euro), eine Auswahl von bester Balearenwa­re. Zum Schluss vernaschen wir noch ein Baileys-Parfait mit Schokolade, einen hausgemach­ten Joghurt mit Pflaumen und Trockenapr­ikosen sowie Tarte Tatin mit

Eis vom Eigelb. Die Desserts sind nicht ganz so aufwendig gemacht wie die herzhaften Gänge, aber allesamt wahnsinnig schmackhaf­t. Als die Rechnung kommt, haben wir fast ein schlechtes Gewissen, für so wenig Geld so gut getafelt zu haben und überlegen kurz, den am Nachbartis­ch mit Gästen plaudernde­n Andreu Genestra zu stecken, dass er für dieses Menü fast das Doppelte aufrufen könnte.

Wir wären dann immer noch begeistert. Das lassen wir aber schön sein, denn dieses Mittagssch­näppchen möchten wir uns für die Zukunft keineswegs verbauen. coni

Newspapers in German

Newspapers from Germany